Einige Länder verbieten die Burka, jetzt auch Holland. Wird die Schweiz folgen? Wer dagegen ist, gilt schnell als Verharmloser der frauenfeindlichen Islamisierung.
Ich habe nichts übrig für fanatische Paschas, die ihren Traum vom Harem mit Gott verwechseln. Trotzdem bin ich gegen das Burkaverbot. Denn ich habe auch nichts übrig für sogenannte Verteidiger des Abendlandes, die ihren Traum von der staatlich verordneten Leitkultur mit dem liberalen Rechtsstaat verwechseln. Ich meine Kreise, die in unseren Köpfen einen Grenzzaun gegen fremdländische Einflüsse hochziehen wollen und sich dabei feministisch geben.
Religiöse Kleidung oder mobiles Stoffgefängnis
Der Kampf gegen Frauenunterdrückung ist nicht zu gewinnen mit Kleiderverboten. Der Staat kann nicht per Ferndiagnose den inneren Freiheitsgrad einer Burka-Trägerin bestimmen und sie gegen ihren Willen «befreien». Der Staat darf auch nicht als Religionspolizei über konfessionelle Fragen entscheiden, das heisst: auch nicht über die Frage, ob die Burka nun eine religiöse Kleidung sei oder ein mobiles Stoffgefängnis.
Zum Kern unserer Kultur gehört es, dass wir keinen religiös oder moralisch erziehenden Staat wollen, sondern möglichst grosse individuelle Freiheiten. Diese Kultur lässt sich nicht verteidigen mit neuen Verboten und mit einer Ausweitung der Staatsmacht auf Fragen der Weltanschauung.
Unerwünschter Lebensstil
In der Schweiz sollen die Menschen loyal zum Staat stehen und die Gesetze respektieren, im Übrigen aber so leben können, wie sie es für richtig halten. Wenn wir diese Haltung aufgeben, riskieren wir, dass eine wie auch immer definierte Leitkultur über der Freiheit des Einzelnen steht. Und wer immer dann die Macht hat, diese Leitkultur zu definieren, wird einen unerwünschten Lebensstil verbieten können, selbst wenn niemand gegen das Gesetz verstossen hat.
Dann wird sich zeigen, wie ernst es uns mit der Freiheit wirklich ist. Und was es bedeutet, wenn wir uns alle in eine vorgegebene Gesinnungsgemeinschaft einfügen müssen und man uns von oben herab zum richtigen Leben mit der richtigen Kleidung führen wird.
Giuseppe Gracia (51) ist Schriftsteller und Medienbeauftragter des Bistums Chur. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. In seiner BLICK-Kolumne, die jeden zweiten Montag erscheint, äussert er persönliche Ansichten.