Zürich – diese Weltstadt, dieses Experimentierfeld für gesellschaftliche Experimente, für progressives menschliches Zusammenleben! Beamte geben sich testweise die Ehre, nur noch 35 Wochen zu arbeiten; private Terrassen und Gärten sollen zum Wohl der Allgemeinheit vergemeinschaftet werden; und neuerdings haben in der Stadtverwaltung tätige Frauen – und selbstverständlich auch Transmänner – versuchsweise das Privileg, monatlichen Menstruationsurlaub zu beziehen. Fünf Tage pro Monat.
Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns mit der Zeit. Stimmt. Aber wie genau?
Das glorreiche Pilotprojekt des Mens-Dispens wurde von zwei Frauen aus dem links-grünen politischen Spektrum lanciert – oder genauer, in ihrer eigenen witzigen Kunstsprache: von zwei Exemplaren der menschlichen Gattung, die mit einem weiblichen Körper geboren sind und sich auch weiblich lesen. Wie die eine, Anna-Béatrice Schmaltz, in ihrem Plädoyer ausführte, sei es allerhöchste Zeit, das Thema der Menstruation zu «enttabuisieren», der Menstruationsurlaub sei eine «langjährige feministische Forderung». Das sind Worte, die stark an den Sound der 1960er- und 1970er-Jahre erinnern. Und tatsächlich, damals ging es Frauen darum, sich die gleichen Rechte wie die Männer zu erkämpfen. Seither hat sich viel getan. Inzwischen scheint es, als seien manche gleicher als andere – Gleichberechtigung ist passé, positive Diskriminierung in.
Eine Feministin der Frühzeit hätte die Forderung nach Menstruationsurlaub strikte abgelehnt, weil sie im Kern antifeministisch ist. Genauso wie geschlechtsspezifische Redezeiten und verordnete Frauenquoten zementiert die geschlechtsspezifische Sonderbehandlung das Bild des schutzbedürftigen weiblichen Wesens, das weder weiss, was es will, noch sich in einer männerdominierten Welt durchsetzen kann. Politische Vorstösse dieser Art zahlen auf das Konto all jener ein, die immer schon gewusst zu haben glauben, dass Frauen zur Weinerlichkeit tendieren und eine Leistungsaversion pflegen. Frauenverächter, denen sie in die Hände spielen, begreifen intuitiv: Wer Frauen bevorteilt, benachteiligt sie. Denn er redet sie schlecht. Und wer sie schlechtredet, macht sie schlecht.
So verwandelt sich Fortschritt in Rückschritt, Freiheit in Frivolität: Frauen aus dem links-grünen Spektrum wünschen sich ihre Geschlechtsgenossinnen (und solche, die sich so lesen) zurück an den Herd bzw. ins Menstruationsbett. Einen solchen Salto mortale hätten sich selbst die wagemutigsten Feministinnen der Frühzeit in ihren kühnsten Träumen nicht vorstellen können.
René Scheu ist Philosoph und Geschäftsführer des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) in Luzern. Er schreibt jeden zweiten Montag im Blick.