Das Leben ist schön, und manchmal ist es auch zum Lachen. Ich komme also ins Hotelzimmer, das Bett wohldrapiert, in der Ecke ein stattlicher Sessel, die Tapeten leuchtend, eine einladende Kulisse. Mein Blick fällt auf eine liebevoll gestaltete Karte, die auf die Bettdecke gebettet ist. Die Gastgeber dieses altehrwürdigen Hotels heissen mich freundlich willkommen, denke ich gerührt und beginne zu lesen.
«Lieber Gast», steht da. Und dann in Fettschrift: «Verzichten Sie auf die Zimmerreinigung und reduzieren Sie somit Ihren CO2-Fussabdruck. Gerne geben wir Ihnen dafür etwas zurück.»
Hm. Habe ich richtig verstanden – ich quartiere mich für ein paar Tage in einem schönen Hotel ein, damit ich hause wie zu Hause? Der Sinn aller guter Hotels dieser Welt ist ja gerade der Service, aber auf den soll ich zugunsten Planet Erde verzichten. Echt jetzt?
«Bitte teilen Sie uns mit, wenn Sie auf die Zimmerreinigung verzichten möchten und welches Dankeschön Sie von uns erhalten möchten.» Wieder mal vorschnell, der Scheu, es ist von Dank die Rede, dem versöhnlichsten aller Wörter. Doch dann steht da fies: Entweder erhalte ich einmalig 3 Euro Reduktion auf meine Rechnung oder spende 3 Euro an eine Wohltätigkeitsorganisation – oder ich verzichte ganz auf die Reduktion. Denn: «Ich mache das gerne für die Umwelt und unsere Zukunft.»
Ha! Ich verzichte auf die Annehmlichkeiten des Hotels im Hotel. Und ich tue das nicht aus niederen Motiven, um etwa Geld zu sparen. Nein, ich tue es allein um der Sache willen – die einzig wahre Belohnung ist der Verzicht auf jede Belohnung. Das Hotel bietet mir ach so grosszügig die Lizenz zur moralischen Selbsterhebung, zur Selbstadelung, ja zur ökosozialen Heiligsprechung.
Ich lerne: Nur wer nichts tut, tut erstens nichts Falsches – und er tut zweitens das Richtige, weil er nichts und niemandem Schaden zufügt. Zu leben, als würde man keinen Schatten werfen, als würde man nicht leben. Wäre dies meine Devise, würde ich allerdings nicht in einem Hotel absteigen. Ich würde auch nicht reisen. Vielleicht würde ich nicht mal leben. Allein, was schert es die Umwelt, ob der Mensch nun lebt oder nicht? Es kümmert sie nicht – aber es kümmert offensichtlich andere Menschen, wie ich lebe.
Ich kann nur lächeln. Eine kleine, herzlich gemeinte Willkommenskarte entpuppt sich als pure Ideologie. Ich zerknülle sie und weg damit in den ebenfalls schön drapierten Abfallkorb. Ich atme durch, ordere beim Room Service eine Flasche erstklassigen Roten und feiere das Leben. Auf Raumschiff Erde.
René Scheu ist Philosoph und Geschäftsführer des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) in Luzern. Er schreibt jeden zweiten Montag im Blick.