Liebe Bürger*innen. Geschätzte LeserInnen. Verehrte Zeitgenoss_innen. Sehr geehrte Mensch:innen. Werte Sprachbenutzer und Sprachbenutzerinnen. Ich hoffe, ich habe sie alle genannt, mitgenannt, mitgemeint und abgeholt. Ihre Aufmerksamkeit dürfte mir gewiss sein, denn Sprachpolitik scheint heute, vor allem in den Wohlstandszonen von Planet Erde, wichtiger zu sein als Realpolitik – also auch in der Eidgenossenschaft. Die Sprache, ein Kommunikationsmittel, ist zu einer Kampfzone geworden.
Die Zürcher Verwaltung spricht die Zürcher mit Genderstern an, auch wenn diese nach aktuellen Umfragen gar nicht so angesprochen werden wollen. Hochschulen überbieten sich darin, Sprachleitfäden zu erlassen, in denen sie ihren Studenten – neudeutsch Studierenden – befehlen, sich gendergerecht auszudrücken. Wer sich den Sprachdiktaten nicht beugt, bekommt Notenabzug. Es geht um eine erzieherische Massnahme, und in der Tat: Ist es denn hinnehmbar, dass junge Menschen diskriminierende Sprachformen gebrauchen?
Aber aufgepasst. In dieser Art des Framings besteht der Trick. Die neuen kunstsprachlichen Formen gelten als Ausdruck gendergerechter Sprache – woraus folgt: Wer sich dem Diktat nicht beugt, ist ein Diskriminator. Und wer will sich schon vorwerfen lassen, andere aufgrund ihres Geschlechts sprachlich abzuqualifizieren?
Nur – wer das generische Maskulinum gebraucht, wie ich dies gerade tue, ist kein Diskriminator und auch kein Anhänger des Patriarchats, sondern folgt der einfachen Logik der deutschen Sprache. Er benutzt eine reine Funktionsbezeichnung: Wer allgemein von Autofahrern spricht, meint nicht nur die Männer, sondern alle Menschen mit Führerschein, unter Absehung des Geschlechts.
Der Sündenfall war deshalb gerade die konsequente Doppelnennung der Geschlechter, liebe Leserinnen und Leser. Denn damit hat die Sexualisierung der Sprache begonnen – und sie kennt weder Grenzen noch ein Ende. Naturgemäss findet sich immer jemand, der sich ausgeschlossen fühlt, mit oder ohne Stern.
Die sogenannte inklusive Sprache erweist sich als exkludierend – und exklusiv. Sie ist das Konstrukt einer angeblichen akademischen Elite, die damit Zugehörigkeit zu ihrer Gruppe signalisiert. Doch gehört die Sprache allen und damit niemandem, sie dient der Kommunikation von Inhalten und nicht der Zurschaustellung der eigenen Tugendhaftigkeit. Sprache ist lebendig. Sprache entwickelt sich von unten. Verbote, Dekrete und die Aufforderung, sich an eine akademisch definierte gendergerechte Sprache zu halten, sind einer freien Gesellschaft unwürdig.
René Scheu ist Philosoph und Geschäftsführer des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) in Luzern. Er schreibt jeden zweiten Montag im Blick.