Wenn wir eine Freundschaft beenden möchten, stehen wir vor dem gleichen Problem wie in einer Beziehung, die wir nicht mehr weiterführen wollen: Wir halten das simple Nichtmehrwollen für einen nicht ausreichend und somit für nicht gültigen Grund. Also suchen wir nach einem plausibleren. Einem, dem niemand widersprechen kann.
Wir fürchten das Trennungsgespräch nämlich so sehr, dass wir es möglichst knapp halten wollen. Diese Furcht wiederum gründet in einem völlig falschen Verständnis von Trennungen. Wir halten diese für ein Verbrechen, für einen Akt mutwilliger Zerstörung; ausgeführt von einem bösartigen Täter gegen ein unschuldiges Opfer. Dabei ist eine Trennung nichts anderes als das Eingeständnis, dass keine Grundlage mehr dafür existiert, die Beziehung bzw. Freundschaft fortzuführen. Und einen anderen Anlass als den von Ihnen genannten werden Sie nicht finden: Sie langweilen sich, weil Sie einander nichts mehr zu sagen haben, und treffen sich nur noch, weil Sie das schon so lange tun, aber nicht, weil Sie es wirklich wollen.
Ihrem Schulfreund wird es wohl kaum anders gehen. Daher haben Sie auch kein grosses Protestgeheul zu erwarten, und im Gegensatz zu Partnerschaften, die ein persönliches Gespräch aus Anstandsgründen erfordern, kann man im Fall einer Freundschaft, deren Verfalldatum überschritten wurde, auf die modernen Kommunikationsmittel zurückgreifen: Schreiben Sie eine Nachricht oder ein Mail, legen Sie kurz dar, dass die Freundschaft für Sie keine Gemeinsamkeiten mehr bereithält, bedanken Sie sich für das zusammen gegangene Wegstück und wünschen Sie alles Gute. Das mag als Handlung rabiat wirken, ist aber um Welten respektvoller als das allseits beliebte «Versandenlassen». Sie hätten es umgekehrt gewiss auch lieber, eine klare Ansage zu bekommen.