Grundsätzlich ist man zu jeder Meinung und Haltung berechtigt. Die Frage ist, inwiefern die entsprechenden Äusserungen das Leben beeinflussen. Wenn Sie zum Beispiel zur Überzeugung gelangen, Bill Gates wolle die gesamte Menschheit versklaven, werden Sie viele neue Freunde finden, mit denen Ihre bisherigen jedoch nichts zu tun haben wollen werden und mit Ihnen vermutlich auch nicht mehr. Was Ihren besten Freund anbelangt, können Sie ihm problemlos sagen, dass Sie seine treulose Partnerin nicht mehr sehen wollen, doch das wird vermutlich eher dazu führen, dass Sie ihn nicht mehr sehen. Er hat seine Loyalität ja bewiesen. Und ob diese verdient und sinnvoll ist, muss er selbst wissen.
Es ist immer problematisch, in solchen Fällen Partei zu nehmen und ein Urteil zu fällen. Erstens, weil einen niemand darum gebeten hat, und zweitens wegen der Komplexität: Warum genau hatte die Frau eine Affäre? Was hat ihr gefehlt? Warum konnte sie nicht darüber sprechen? Konnte sie es jetzt, wo sie musste? Hat dieses Paar dadurch zu einer Intimität gefunden, die ihm bis dahin nicht möglich war? War Ihr Freund seinerseits auf irgendeine Art untreu? Hat er seine Frau emotional weggestossen, bevor sie sich körperlich distanzierte?
Wenn Sie ehrlich sind, stossen Sie sich nicht am Verhalten der Frau, sondern an jenem Ihres Freundes. Er verhält sich in Ihren Augen falsch, indem er seine Beziehung fortführt. Fragen Sie sich, warum Sie so empfinden, und dann ihn, was seine Gründe seien. Auch Ihre Beziehung wird dadurch an Tiefe gewinnen. Vielleicht ist aber tatsächlich alles ein verlogener Murks, Ihr Freund ein feiger Schwächling und seine Frau eine eiskalte Tussi. Dann sollten Sie aber selber mutig und wahrhaftig sein und sich eingestehen, dass diese Freundschaft nicht weiterbestehen kann.