Ich mag keine Kinder – Thomas Meyer rät
«Viele Kinder sind schlecht erzogen»

Ich (w, 64) bin kinderlos geblieben – und habe kein Verständnis für kreischende, schlecht erzogene Kinder. Mein Mann und ich meiden Familien, wo wir nur können. Bin ich verbittert? Oder eifersüchtig? Man sagt mir das oft.
Publiziert: 11.07.2021 um 09:56 Uhr
Thomas Meyer ist Schriftsteller und schreibt jede Woche im Magazin.
Foto: Thomas Meier
Thomas Meyer

Es liegt auf der Hand, dass ein kinderloses Paar dem geräuschvollen und krümellastigen Verhalten der Kleinen weniger tolerant gegenübersteht als Leute, die jeden Tag von ihnen umgeben sind. Ebenso nachvollziehbar ist, dass Sie, was Kinder betrifft, hauptsächlich die entsprechenden Mühen und Einschränkungen sehen. Hätten Sie eigenen Nachwuchs, wären gewiss auch Sie von jener allumfassenden Liebe durchdrungen, die einen angesichts Freudengebrüll, Grasflecken und ungespülter Toilette nachsichtig lächeln lässt. Mit anderen Worten: Sie können gar nicht anders, als sich durch Kinder latent bis manifest gestört zu fühlen; und ja, vielleicht liegt darin ein Anflug von Verbitterung und Eifersucht, weil Ihnen eine Art von Beziehung verwehrt geblieben ist, die wesentlich tiefer geht als jene zu einem Partner. Spannend ist jedoch, warum Ihr Umfeld es für angebracht hält, Sie regelmässig darauf hinzuweisen. Für viele Paare ist die Kinderlosigkeit keine Entscheidung, sondern ein Schicksal – unerklärlich, warum die damit verbundene Traurigkeit als Charakterdefizit vorgehalten werden muss.

All das ist aber unabhängig davon, dass viele Kinder in der Tat schlecht erzogen sind. Ihre Eltern hatten offenbar die Erwartung, dass sie mit perfekten Manieren geboren werden, und nehmen sich nicht die Mühe, ihnen diese kindergerecht zu vermitteln, sondern herrschen sie nur an, wenn sie den Benimm vermissen lassen. Allerdings gehen die Eltern oft überhaupt nicht mit gutem Beispiel voran, sondern unterbrechen ebenfalls ständig andere im Gespräch, lassen ihren Abfall auch einfach überall liegen – und sagen kinderlosen Frauen, sie seien verbittert. Dabei weisen Sie ja lediglich auf einen Missstand hin, zu dessen Kritik Sie auch befähigt und ermächtigt sind, ohne Kinder zu haben.

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