Die Filme heissen «Outbreak» (1995) und «Contagion» (2011). Sie handeln vom Ausbruch supergefährlicher Viren und haben Millionen Menschen ins Kino gelockt. Das gesamte literarische Werk von Thomas Mann liest sich wie ein Katalog der ansteckenden Krankheiten: Im «Tod in Venedig» grassiert die Cholera, in den «Buddenbrooks» spielt der Typhus eine wichtige Rolle, im «Doktor Faustus» die Syphilis, im «Zauberberg» regiert die Tuberkulose.
Überhaupt die Tuberkulose! Im 19. Jahrhundert war sie Todesursache Nummer eins. Trotzdem setzten verschiedene Schriftsteller sie damals mit Verfeinerung und Empfindsamkeit gleich. Schwindsüchtige wurden zu höheren Wesen verklärt.
Wie krank ist das denn?
Krankheiten bringen Leid und Tod. Ebenso aber sind sie Projektionsflächen, Fantasiebeflügler, Gewinnbescherer. Doch vor allem legen sie auf schonungslose Weise die Grenzen der menschlichen Vernunft offen – und gewähren Einblick in ungeahnte Abgründe.
Der bislang grösste Ausbruch von kollektivem Wunderglauben ereignete sich nicht etwa im finsteren Mittelalter. Dieser Ausbruch liegt lediglich ein Jahrzehnt zurück. Im Kampf gegen die Schweinegrippe empfahlen die Behörden weltweit den Einsatz von Tamiflu. Dabei verkürzte das Medikament die Grippe um höchstens 21 Stunden. Eine Wirkung, die mit günstigeren Arzneien ebenfalls zu erreichen gewesen wäre. Trotzdem haben sich die Staaten rund um den Globus für Milliardenbeträge mit Tamiflu eingedeckt. Die Schweiz hortet davon nach wie vor riesige Mengen.
Wer heute das Hochhaus des Tamiflu-Herstellers Roche in Basel sieht – das höchste
Gebäude des Landes –, kann darin ein Stück weit auch ein Denkmal fehlgeleiteten Krisenmanagements erkennen.
Die Mutter aller Epidemien ist die Pest. Mitte des 14. Jahrhunderts raffte die Seuche in Europa Millionen Menschen dahin, in der Mehrheit traf es die Armen. Vielerorts machte die städtische Obrigkeit die Juden für die Seuche verantwortlich. Man beschuldigte sie, Brunnen zu vergiften – und ermordete sie im grossen Stil. Solothurn war die erste deutschsprachige Stadt, die im November 1348 die ansässigen Juden verbrannte. Es folgten auf dem Gebiet der heutigen Schweiz die Städte Bern, Zofingen, Basel, Burgdorf, Schaffhausen, Zürich, St. Gallen, Baden.
Der Historiker Frantisek Graus hat herausgefunden, dass die Juden immer ermordet wurden, bevor die Seuche an einem Ort ausbrach. Mehr noch: Die Räte nutzten die Pest nur als Vorwand, um die sorgfältig geplanten Pogrome zu rechtfertigen. Wie Frantisek Graus schreibt, dienten die Juden der Obrigkeit primär als Blitzableiter für die seit langem schwelenden sozialen Spannungen. Aber natürlich ging es den Mördern auch darum, sich am Vermögen ihrer Opfer zu bereichern.
Epidemien trüben die Wahrnehmung und sie gefährden die Wahrheit. Gerade darum muss man bei jeder neuen Krankheit besonders hinschauen und fragen: Was geschieht hier eigentlich genau?
Das neue Coronavirus hält die Welt in Atem. Doch was genau ist das Sars-ähnliche Virus überhaupt? Wie entstand es? Und wie kann man sich schützen? BLICK klärt hier die wichtigsten Fragen und hält Sie im Newsticker auf dem Laufenden.
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