Die Enthüllungen über die Mauscheleien bei der Schweizerischen Post liefern eine historische Korrektur. Bislang waren wir einem grossen Irrtum unterlegen. Postautos galten als Reste einer vergangenen Lebenswelt: ohne Globalisierung und Internet, dafür mit Vollbeschäftigung und «Teleboy». Die pittoresken gelben Busse sind für uns mehr als ein Fortbewegungsmittel. Sie wecken Erinnerungen an Schulausflüge, Wanderferien, Pfadilager. Wir hielten sie für die Boten einer verblichenen Postkartenschweiz.
Das kuschelweiche Image wirkt spätestens seit dieser Woche überholt. Es ist bitterböse Ironie, dass ausgerechnet der urschweizerische Postautobetrieb mit Machenschaften auffiel, die man nicht von hiesigen Staatsunternehmen, sondern von korrumpierten Gesellschaften erwartet: versteckte Gelder, kaschierte Profite, frisierte Buchhaltung. Gewinnvorgaben der Regierung, die niemand nachvollziehen kann. Und ein Chefaufseher des Bundes, der sich öffentlich überrascht gibt, dass die Post ihn «bescheisst». Wenn selbst Finanzbuchhalter eines Traditionsbetriebs Steuerzahler und Behörden hintergehen: Auf wen ist eigentlich noch Verlass?
Und wie reagierten die Verantwortlichen? Ihre Kommunikation war in den vergangenen Tagen so kurvenreich wie die Serpentinen, auf denen die Postautos die Alpenpässe bezwingen. Wo flossen die Gelder hin? Das weiss man nicht so genau, teilte die Pressestelle mit; muss man nachprüfen. Wer wusste wann was? Ebenfalls unklar. Konzernchefin Susanne Ruoff redete am Dienstag von «etwas Unrechtem», das «in einer Ecke der Post» geschehen sei. Herrje, diese vielen Ecken auch immer in so einem Laden!
Umso erfreulicher, dass sich Ruoff im Interview mit SonntagsBlick kritischen Fragen stellt. Ob sie das Vertrauen in die Post zurückgewinnen kann, wird sich weisen.
Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen
Reza Rafi