Der Staat kann das nicht. US-Präsident Ronald Reagan hat in den 80er-Jahren diese Geschichte so oft und gut erzählt, dass auch seine Nachfolger die Staatsausgaben derart gestrichen haben, dass nun 50 Millionen Amerikaner hungern, darunter 17 Millionen Kinder. Der Staat ist das Schlechte, das Private das Gute: Reagan, Margaret Thatcher – beraten von Milton Friedman – und viele andere haben die Geschichte so gut erzählt, dass sie auch heute noch erzählt wird. Doch sie ist falsch.
Und ihre Erzähler sind kleinlauter geworden – selbst in den USA. Corona hält ihrer Erzählung nicht stand. Der Staat – das ist während der Pandemie allen klar geworden – rettet Leben, pflegt gesund, springt immer wieder ein, wenn der Markt versagt. Der Staat: Das sind auch die brillantesten Köpfe des Landes. Der Staat: Das sind Ärztinnen, Lehrer, Professorinnen, Forscher, welche Menschen Wohl bringen.
Aber der Staat ist nicht nur Retter in der Not, Grundlagenforscher und Wissensvermittler, er ist auch risikofreudiger Investor, Start-up- und Innovationsförderer.
Innovationsmaschine Staat
Dem Staat wird gerne gänzlich aberkannt, innovativ zu sein. Seine Rolle wird gemeinhin unterschätzt. Eine der einflussreichsten Ökonominnen der Welt und Mitarchitektin des amerikanischen und europäischen Green Deals, Mariana Mazzucato, wollte es genau wissen und hat bei bejubelten «privaten» Firmen nachgerechnet, wie viel staatliches Geld in ihnen steckt.
So hat sie die gesamte Technik eines iPhones auseinandergenommen. Bis hin zum HTTP, das öffentlich finanzierte Technik aus der Schweiz ist, aus dem Cern in Genf. Siri geht auf ein staatliches Stanford-Wissenschaftsprojekt für militärische Zwecke zurück. Besonders viel Innovatives stammt aus den Labors der staatlichen Verteidigungsministerien. Mazzucato rechnet vor, dass Elon Musks Firmen Tesla, Solarcity und SpaceX insgesamt fünf Milliarden Dollar öffentliche Unterstützung erhalten haben. Sprich – ohne staatliche Hilfe wären die «privaten» Technologiefirmen, ihre Produkte und Aktienkurse nicht dort, wo sie heute stehen. Genauso wenig wie die Corona-Tests und Impfstoffe der Pharmamultis.
Dank des Staates gelingen Durchbrüche und Mondlandungen. Die grössten Investoren der Welt sind staatlich. Der norwegische Staatsfonds beispielsweise oder die Schweizerische Nationalbank. Wer in Silicon-Valley-Manier vor allem Unternehmer bejubelt, ihre Genialität huldigt und Privatwirtschaft über den Staatssektor stellt, wer weniger Staat verlangt, rechnet nicht richtig und ist vor allem innovationsfeindlich.
Der Staat kann Digitalisierung
Auch hierzulande heisst es tatsächlich wieder, der Staat könne «Digitalisierung» nicht. «Digitale Pässe» ausstellen schon gar nicht. Abgesehen davon, dass es für die Zukunft eines Landes verantwortungslos ist, wenn es sich vor dem digitalen Wandel drückt, hinkt auch diese Erzählung. Der Staat hat Zugang zu den hellsten Köpfen des Landes und kann an seinen Universitäten digitale Forschungsprojekte ankurbeln. Er fördert jetzt schon kühne Visionen und bahnbrechende Tech-Forschung. Der Staat kann und tut viel.
Diese altmodische Erzählung aus den 80ern, die inmitten des Kalten Krieges entstand und Staaten als totalitäre Systeme sah, hat sich überholt. In Demokratien sind der Staat wir alle. Und indem wir den Staat schlechtreden, reden wir uns selber schlecht. Der Staat gegen Private, diese widersinnige, regelrecht schizophrene Trennung muss aufhören. Staat und Privates gehören zusammen, befruchten sich gegenseitig. Es braucht noch viel mehr Zusammenspiel beider, zum Nutzen aller. #aufbruch