Adolf Muschg wird im BLICK gefragt, ob er seine Frau noch küsse: «Jaja, das ist mein Rest von Gottvertrauen.» Ein herrliches Geständnis. Küssen hat Bundesrat Berset als Gesundheitsminister noch nicht verboten.
Noch vor zwei Wochen traf ich mich mit Andi Gross, Fraktionskollege von einst im Nationalrat, im Buffet von Pruntrut. Zum Gespräch über den Zustand der SP nach den Wahlen vom 20. Oktober. Das ist bereits kalter Kaffee. Wir sind beide ältere Herren. Und haben zu Hause zu bleiben. Befehl vom Chef, Alain Berset.
Die Schweiz, wie sie war
In der Musterdemokratie Schweiz herrscht Notrecht. Auf einmal haben wir einen Bundesrat, der regiert. Das ist neu. Als ob wir Chinesen wären, gehorchen wir.
Was nicht unbedingt sein muss, ist verboten, gestrichen, geschlossen. Schulen, Beizen, Geschäfte, Coiffeure. Die Grossmutter darf ihre Enkelin nicht mehr hüten. Für die Mutter im Altersheim ist Besuchsverbot. Der Gärtner kann keine Setzlinge mehr verkaufen. Ich als alter Mann soll Brot nicht mehr selber posten.
Die Schweiz, wie sie noch Mitte März funktionierte, war einmal. Daniel Koch vom Gesundheitsamt des Bundes ist Abwehrchef gegen das Coronavirus. Er berät den Bundesrat. Und ist der neue Fernsehliebling.
Musik in den Ohren
Die Armee bietet 8000 Mann auf. Nicht um den Feind zu besiegen, sondern das Virus. Auf einmal wird mir das VBS sympathisch.
Die Angst, diese auch ökonomische Misere finanziell nicht durchzustehen, besteht. Kurzarbeit sollte beruhigen. Der Bund übernimmt faktisch die Lohngarantie.
Nun sind es 42 Milliarden Franken, die der Bundesrat für Wirtschaftshilfe im breitesten Sinn budgetiert. Wenn sie nicht ausreichen, «braucht es halt noch mehr», versprach Ueli Maurer als Finanzminister. Genau diese Zusage war fällig. Sie ist Musik in den Ohren.
Zum Glück gibts den Staat
Der Staat ist der grösste Service public im Land. Die, die ihn aushungern und alles dem Markt überlassen wollten, werden still und leise Gott danken, dass es ihn, so wie er ist, gibt. Für das, was wir jetzt durchmachen, ist er unentbehrlich.
Um die Ausgangssperre zu verhindern, sollten wir Alain Bersets Befehl befolgen: Maximal fünf Menschen mit je zwei Meter Abstand zusammen. Für diesen unseren Staat, für uns ist das kein Problem. Uns zuliebe.
Helmut Hubacher (93) war von 1975 bis 1990 Präsident der SP Schweiz. Er schreibt jeden zweiten Mittwoch im BLICK.