Auf dem Höhepunkt der Pandemie war es die ultimative Provokation: maskenlos in einen Zug zu steigen. Heute ist es umgekehrt. Wer sich und andere schützt, gilt als ängstlicher Exot. Als wandelnde Erinnerung an eine Zeit, die niemand mehr erleben möchte.
Die Realität ist aber kein Wunschkonzert. Es ist wieder Herbst, die Viren zirkulieren. Feste werden abgesagt, im Büro erwischt es gefühlt jeden Zweiten. Die Verkehrsbetriebe in Zürich müssen ihren Fahrplan ausdünnen, weil schlicht zu viele Trampilotinnen und -piloten krankgeschrieben sind. Auch die Zahlen des Bundes sprechen eine deutliche Sprache: Die Kurve der Arztkonsultationen aufgrund von Corona und grippeähnlichen Symptomen zeigt seit Tagen steil nach oben.
Kranke, die an gut besuchten Orten Maske tragen, sollte man vernünftigerweise beglückwünschen. Sie handeln rational. Doch das Gegenteil ist der Fall: Es fühlt sich an, als stünde man mit einem GC-Schal in der Südkurve des Stadtrivalen FCZ. Man erntet im harmlosesten Fall böse Blicke und Sprüche.
Ist das nicht deprimierend? Eigentlich wollen wir ja alle das Gleiche: keine allgemeine Maskenpflicht mehr. Dass nun ausgerechnet jene angefeindet werden, die sich am wirksamsten für dieses Ziel einsetzen, indem sie mit Symptomen eine Maske tragen, ist nicht nur ziemlich absurd – sondern ganz einfach: dumm.