Sie tun einem fast leid, die Funktionäre und Beamten, die sich mit Harald Naegelis Kunstwerken beschäftigen müssen.
Bleiben sie kulant, schaffen sie einen Präzedenzfall für jedes weitere illegal angebrachte Wandbild – Richter müssten dann vermehrt entscheiden, ob ein Graffito ein Werk von übergeordnetem öffentlichemInteresse ist oder bloss Sachbeschädigung.
Stützen sich die Behörden hingegen auf Paragrafen und reichen Strafanzeige ein, wie es die Kunsthaus-Stiftung und die kantonale Immobilienverwaltung getan haben, demaskieren sie das ach so kosmopolitische Zürich als kulturelle Provinz.
Für den 80-jährigen Künstler Harald Naegeli, der an seinem Lebensabend aus dem deutschen Exil an die Limmat zurückkehrte, ist die Kontroverse bestenfalls effektvolle Werbung.
Was aber völlig unverständlich bleibt, ist die Zerstörung von Naegelis Schöpfungen, mutmasslich ohne kunstwissenschaftliche Vorabklärung.
Besonders absurd wird es, wenn das Gebäude – wie die Turnhalle im Hochschulquartier – bis 2028 einem Neubau des Unispitals weichen soll.
Dass der Stiftungsrat des Kunsthauses gestern den Rückzug seiner Strafanzeige angekündigt hat, mag ein versöhnliches Signal sein, aber eben auch nicht mehr.
Vier Jahrzehnte nach dem ersten Disput hadert die grösste Stadt der Schweiz also noch immer mit ihrem künstlerischen Sorgenkind.
Naegeli und Zürich sind Gefangene ihrer selbst – und einander auf ewig in Hassliebe verbunden.