Zum Tod von Wolf Erlbruch (†74)
Seine Bücher gehören in jedes Kinderzimmer

Wolf Erlbruch bringt Millionen von Eltern dazu, mit ihren Kindern über Exkremente zu sprechen. Zum Schenkelklopfen ist das bei diesem Zeichner aber nicht. Der kürzlich verstorbene Kinderbuchautor lässt Tiere in seinen Büchern teils existenzielle Themen ausloten.
Publiziert: 15.12.2022 um 14:57 Uhr
1/6
Die Geschichte «Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat» von Wolf Erlbruch wurde über drei Millionen Mal verkauft.
RMS_Portrait_AUTOR_336.JPG
Karen SchärerTeamlead Gesellschaft

Der Kot einer Taube macht «platsch», Pferdeäpfel machen «rumpsdipumps» und die Böhnchen eines Hasen «ratatata». Wer das wissen will? Na einer, dem eine braune, lange Wurst genau auf dem Kopf gelandet ist.

Mein Sohn erhielt das Büchlein mit dem umständlichen Titel «Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat» zum ersten Geburtstag. Der Maulwurf, der sich – Happy End! – mit einem eigenen Würstchen («pling») auf dem Kopf von Metzgershund Hans-Heinerich rächt, begleitete uns fortan durch die Geschichtenerzähl-Jahre.

Meine Familie ist damit kein Sonderfall: Über drei Millionen Mal hat sich das Buch weltweit verkauft. Es wurde in rund 40 Sprachen übersetzt. Illustriert hat den Erfolgstitel Wolf Erlbruch (†74). Der deutsche Illustrator und Autor für Kinder- und Jugendbücher ist am vergangenen 11. Dezember in Wuppertal, unweit von Düsseldorf, gestorben.

Mit seinen Büchern brach er Tabus

Fäkalien als Kassenschlager? Daran zweifelte 1989 der Peter Hammer Verlag und zauderte zunächst, das Buch ins Programm aufzunehmen. Tatsächlich brach der Text des Autors Werner Holzwarth (75) in der damaligen Zeit ein Tabu. Heute hingegen, gut 30 Jahre später, erscheinen jährlich einige Kinderbücher, die sich dem Thema Bisi, Gaggi oder Furz widmen.

Wolf Erlbruch war optimistisch, dass das Buch Erfolg haben würde, auch wenn es nach dem Erscheinen einige Monate dauerte, bis Buchhändler sich getrauten, es der Kundschaft zu empfehlen. «Ein bisschen stolz macht mich, dass dies ein Bilderbuch ist, das sich einzig und allein durch härtestes Quengeln der Kinder zu einem wahren Welterfolg entwickelt hat», sagte Wolf Erlbruch 2018 im Interview mit «Wir Eltern» über sein berühmtestes Kinderbuch.

Das Grenzüberschreitende wurde zu seinem Markenzeichen. Als Autor wandte sich der ehemalige preisgekrönte Werbegrafiker Themen zu, die weit weg vom klassischen Kinderbuch sind: dem Tod beispielsweise in «Ente, Tod und Tulpe», der Suche nach dem Glück in «Ein Himmel für den kleinen Bären», dem Sinn des Lebens in «Die grosse Frage». Sein Zugang war niemals effektheischend, sondern stets poetisch, suchend, leise.

«Ein brillanter Zeichner mit Hang zum Skurrilen»

Als Illustrator wiederum vermied er es, stereotype Bilder in typisch kindlichen Farben für seine Bücher und Kalender zu schaffen. Seine Farbwelt war die der gedeckten Töne, und auch wenn die Zeichnungen farbig sind, käme einem nie in den Sinn, sie als bunt zu bezeichnen. Der brillante Zeichner mit Hang zum Skurrilen schuf tierische Helden mit grosser Ausstrahlung.

Wolf Erlbruch verwendete verschiedene Papiere als Zeichnungsgrundlage. Die Bildelemente schnitt er aus und fügte sie auf hellem Hintergrund zu einer Collage zusammen. Sein ungewöhnlicher Umgang mit Technik und Bildmaterial ist bis heute stilbildend für jede neue Generation von Illustratorinnen und Illustratoren. Einige davon unterrichtete er selbst: Über 20 Jahre lang vermittelte er sein Wissen als Professor für Illustration an verschiedenen deutschen Hochschulen.

Er war immer bescheiden

Sein Leben lang blieb Wolf Erlbruch mit seiner Familie in Wuppertal. Beim Herumstreunen in seiner Heimatstadt oder beim Radfahren über die umliegenden Hügel kamen ihm die besten Ideen. Über die Jahrzehnte heimste er die bedeutendsten Kinder- und Jugendbuchpreise ein, etwa 2017 den «Kleinen Nobelpreis», den Astrid Lindgren Memorial Award. Das Rampenlicht schätzte er gar nicht so sehr und hinterfragte sich trotz grosser Erfolge als Künstler. So sagte er einmal: «Ich sehe all die Preise am ehesten als Kommunikatoren meiner Selbstzweifel an, nicht als Ausräumer derselben.»

Von den Unsicherheiten dieses unverwechselbaren Künstlers merkten wir als Eltern allerdings nichts, wenn wir einen weiteren Erlbruch-Buchschatz nach Hause trugen und mit unseren Kindern in seine Bild- und Gedankenwelten eintauchten.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?