Zehn wichtige Buchneuerscheinungen 2022
Von Michel Houellebecq bis Sibylle Berg

Vom Nobelpreisträger über eine Schweizer Buchpreis-Gewinnerin bis zur Präsidenten-Rednerin: Von namhaften Schriftstellerinnen und Schriftstellern erscheinen 2022 neue Bücher in deutscher Sprache.
Publiziert: 02.01.2022 um 11:38 Uhr
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Aktualisiert: 03.01.2022 um 17:06 Uhr
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Ein neues Meisterwerk des Literaturnobelpreisträgers: Der türkische Romancier Orhan Pamuk.
Foto: NurPhoto via Getty Images
Daniel Arnet

11. Januar: Das literarische Jahr 2022 beginnt melancholisch. Der französische Skandalautor Michel Houellebecq (65) veröffentlicht seinen achten Roman, der wiederum eine Welt ohne Hoffnung wiedergibt: Wir befinden uns im Jahr 2027, und Houellebecq erzählt die Geschichte vom Staatsbeamten Paul Raison, der in den Präsidentschaftswahlkampf eingebunden ist, wie France Info berichtet. Manchmal schimmern Momente von Dankbarkeit und Glück durch. Und Houellebecq präsentiert die Alternative zur deprimierenden Welt: das Buch.

Michel Houellebecq, «Vernichten», Dumont


29. Januar: Er war Anführer der «Occupy Wall Street»-Bewegung und prägte deren Motto «We are the 99 percent». Nun erscheint posthum das letzte grosse Werk des amerikanischen Anthropologen und Anarchisten David Graeber (1961–2020, «Schulden: Die ersten 5000 Jahre»), das er mit dem Archäologen David Wengrow (49) schrieb. Die beiden graben alte Gesellschaften aus und zeigen, dass wir beim Streben nach Freiheit, Wissen und Glück von denen lernen und dadurch eine bessere Zukunft gestalten können.

David Graeber, David Wengrow, «Anfänge», Klett-Cotta


14. Februar: Kann eine alles erschütternde Katastrophe die Menschen einen? Diese aktuelle Frage steht im Mittelpunkt vom neuen Meisterwerk des türkischen Literaturnobelpreisträgers Orhan Pamuk (69). Er legt den Roman als Historie an: 1901 beschuldigen sich Türken und Griechen auf der fiktiven Insel Minger gegenseitig, für einen Pestausbruch verantwortlich zu sein. Doch schliesslich blockieren fremde Kriegsschiffe die Insel, und die Menschen dort müssen sich zusammenraufen. Ein Abgesang auf den Nationalismus.

Orhan Pamuk, «Die Nächte der Pest», Hanser


22. Februar: Ein mit anderen Frauen turtelnder Vater, Trennung, trinkende Mutter – die Voraussetzungen, unter denen die Kindergärtnerin Helen aufwächst, sind alles andere als ideal. Schon früh ist das Mädchen auf sich selber gestellt, nur der Nachbarsbub hilft ihr noch. Die in den USA lebende Schweizer Schriftstellerin Milena Moser (58), die jede Woche im SonntagsBlick Magazin eine Kolumne schreibt, erörtert in ihrem kommenden Roman den feinen Grat zwischen einem erblich belasteten und einem frei gestalteten Leben. Ein starkes Plädoyer für Selbstbestimmung.

Milena Moser, «Mehr als ein Leben », Kein & Aber


23. Februar: Auf dem Buchumschlag läuft er aus dem Bild hinaus, doch eigentlich ist er der grosse Rückkehrer der Literaturszene: 30 Jahre nach seinem Welterfolg «Schlafes Bruder» und 15 Jahre nach der letzten grossen Veröffentlichung erscheint ein neues Werk des Vorarlberger Autors Robert Schneider (60). Und es scheint, als möchte er nicht zu viel Aufhebens machen und publiziert im «Buch ohne Bedeutung» 101 Mikrogramme, Erzählungen von je anderthalb Seiten. Aber bekanntlich liegt in der Kürze die Würze.

Robert Schneider, «Buch ohne Bedeutung», Wallstein


2. März: In Sachen Recycling sind wir Weltmeister. Und wenn sich ein menschliches Knie in der Sperrmüllwanne befindet, ist das nicht okay – ob hier oder in Wien. Dort ermittelt Privatdetektiv Simon Brenner wegen weiterer falsch deponierter Leichenteile. Damit gibt es nach acht Jahren ein Wiedersehen mit dem migränegeplagten Junggesellen, bekannt aus den Krimis «Der Knochenmann» oder «Das ewige Leben» des österreichischen Schriftstellers Wolf Haas (61). Toll! Oder wie Brenner sagen würde: «Jetzt ist schon wieder was passiert.»

Wolf Haas, «Müll», Hoffmann und Campe


13. April: Der britische Violinist Nigel Kennedy (65) ist das Enfant terrible des Musikbetriebs: Mit sieben Jahren vom grossen Yehudi Menuhin (1916–1999) entdeckt, legt sich Kennedy eine Punkfrisur zu und stürmt 32-jährig mit seiner Einspielung der «Vier Jahreszeiten» die Charts – das bis heute meistverkaufte Klassikalbum! Nun veröffentlicht der Grenzgänger zwischen Klassik, Jazz und Rock seine Autobiografie und berichtet unverblümt über ein verschlafenes Konzert mit Menuhin und gerissene Hosen auf der Bühne.

Nigel Kennedy, «Unzensiert!», Tropen


28. April: Genau vor zehn Jahren ging am literarischen Himmel der Westschweiz ein Stern auf: Der Genfer Dichter Joël Dicker (36) erhält für seinen Roman «La vérité sur l’affaire Harry Quebert» den Prix Goncourt der französischen Schulklassen und ist auf einen Schlag über Landes- und Sprachgrenzen hinaus bekannt. Mittlerweile leuchtet sein Stern auch bei uns. Doch vor seinem Durchbruch mit «Harry Quebert» veröffentlichte Dicker bereits einen erfolgreichen Roman, der nun erstmals auf Deutsch erscheinen wird.

Joël Dicker, «Die letzten Tage unserer Väter», Piper


5. Mai: Von «GRM» zu «RCE»: Für Ersteres gewann die gebürtige Weimarerin und heutige Wahl-Zürcherin Sibylle Berg (59) den Schweizer Buchpreis 2019, Letzteres ist ihr kommender Roman. «RCE» steht für «Remote Code Execution» und beschreibt ein paar Hacker, die in einem abhörsicheren Container den Umsturz vorbereiten. Denn die Populisten regieren flächendeckend, die Opposition ist abgeschafft, der Überwachungsstaat perfekt. Nach dem Weltuntergangsroman «GRM» die Weltrevolutionsfantasie «RCE».

Sibylle Berg, «RCE», Kiepenheuer & Witsch


4. Juni: Bei der Amtseinführung von US-Präsident Joe Biden (79) im Januar 2021 blitzte ihr Können kurz auf. Doch die amerikanische Lyrikerin Amanda Gorman (23) will kein Blitz sein, der nur einmal einschlägt, wie sie in einem Interview mit Michelle Obama (57) sagt. Sie will ein Hurrikan sein, der jedes Jahr wiederkommt. Und so fegt Gorman 2022 mit einem mehrere Hundert Seiten dicken Gedichtband durch den Buchhandel. Ein wuchtiger Auftritt, denn wer in Form luftig leichter Lyrik Wind sät, wird einen Sturm der Begeisterung ernten.

Amanda Gorman, «Gedichte», Hoffmann und Campe

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