Hier erreicht Thom Kellenberger sein Ziel
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Nach über 14'000 Kilometer:Hier erreicht Thom Kellenberger sein Ziel

Nach 14'000 Kilometern am Ziel angekommen
Schweizer (41) läuft von Bern auf die Philippinen

Nach 622 Tagen hat Thomas Kellenberger (41) sein Ziel auf den Philippinen erreicht. 2021 hat er sich von Wilderswil BE zu Fuss auf den Weg nach Mindanao gemacht, wo er bei seiner Ankunft von vielen Kindern und einer Schweizer Botschaftsvertreterin gefeiert wurde.
Publiziert: 01.06.2023 um 11:18 Uhr
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Gestartet ist die Wanderung von Thomas Kellenberger im August 2021 in Wilderswil BE. Hier bei einem Marschhalt in Graubünden.
Foto: zVg
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Corine Turrini FluryRedaktorin Wohnen

Von Rückenschmerzen geplagt und mit Tränen in den Augen hat Thomas Kellenberger (41) vor einer Woche sein Ziel im Kinderdorf auf Mindanao erreicht. Die Kinder und Angestellten haben ihn freudig erwartet, gesungen und Fähnchen geschwungen.

Davor wurde der Schweizer im Stadthaus in Cagayan de Oro vom Stadtpräsidenten Rolando Uy (68) und von Céline Fürst, offizielle Vertreterin der Schweizer Botschaft auf Mindanao, empfangen. «Ich bin nicht nahe am Wasser gebaut, aber beim Anblick der Kinder konnte ich meine Tränen nicht zurückhalten. Das war sehr emotional für mich», erzählt Kellenberger Blick. Auch bei einigen Kindern und Jugendlichen kullerten Tränchen bei seiner Ankunft im Kinderdorf.

14'300 Kilometer hat Thomas Kellenberger – Thom, wie der Berner von allen genannt wird – zurückgelegt. Geplant war, den ganzen Weg von der Schweiz bis auf die Philippinen zu Fuss zu wandern. Unter anderem der Krieg in der Ukraine und Unruhen in Myanmar zwangen den Berner aber zu anderen Routen und Teilstrecken mit dem Flugzeug. So war er «nur» 14’100 Kilometer zu Fuss und 200 Kilometer mit einem Tandemvelo unterwegs, bis er das Kinderdorf auf Mindanao erreichte, wo Kellenberger, der ehemalige Polizist, mit Studium in sozialer Arbeit seit 2019 auch seine zweite Heimat und seine Lebensaufgabe fand.

Herausforderungen und Krisen unterwegs

«Kindern zu helfen, ist meine Passion», sagt der Berner. Für ein weiteres Kinderhilfsprojekt in seiner neuen Heimat hat er die abenteuerliche Reise zu Fuss auf sich genommen und Geld gesammelt. «Es gab schon Momente, wo ich ans Aufgeben dachte und geweint habe», erzählt er. Dabei erinnert er sich an zwei Lebensmittelvergiftungen und einen Sturz im indischen Himalayagebirge, der zwar schmerzhaft, aber zum Glück glimpflich verlief. «Da war ich unvorsichtig. Es war schon am Eindunkeln und ich hatte den Kopf nicht mehr richtig bei der Sache. Der Sturz hätte schlimm enden können.» Herausforderungen waren auch das Pamirgebirge und, das Gepäck mit dem Trinkwasservorrat durch die Wüste zu schleppen. Oft war er tagelang in der Wüste, in den Bergen oder im Dschungel allein unterwegs.

Seine Reise führte ihn durch 22 Länder. Durchschnittlich lief Kellenberger Etappen von rund 45 Kilometern. Die längste Wanderung an einem Stück legte er mit 140 Kilometern in 23 Stunden in Vietnam zurück. Unfreiwillig pausieren musste der Schweizer aber einige Wochen später auf den Philippinen. Dehydriert von der Hitze und dem tropischen Klima musste er sich von Krämpfen geplagt und mit Herzrhythmusstörungen in einer Klinik behandeln lassen und konnte seine Wanderung erst nach einigen Tagen Erholung langsam wieder aufnehmen.

Frisch verliebt

Manchmal wurde er ein Stück von Fremden oder Bekannten begleitet. Einige Tage wanderte auch Rachel Gose (32), eine langjährige Lehrerin und Leiterin eines der Mädchenhäuser im Kinderdorf, mit dem Schweizer. Genug Zeit, sich ausserhalb der Arbeit kennenzulernen, sich auszutauschen und sich zu verlieben, erzählt Kellenberger. «Diese Beziehung ist aber ganz frisch und muss sich noch entwickeln.»

Die letzten Tage auf den Philippinen begleiteten ihn ein Fernsehjournalist und zwei ehemalige Polizeikollegen. Sie liefen mit dem Schweizer rund 70 Kilometer durch den Dschungel, durch abgelegene Dörfer und durch die Slums in die Stadt Cagayan de Oro zum offiziellen Empfang ins Stadthaus und anschliessend zum Kinderdorf. «Diese Überraschung meiner ehemaligen Kollegen von der Kantonspolizei Bern und ihre Begleitung hat mich riesig gefreut. So stand ich bei meiner Ankunft nicht ganz allein im Rampenlicht», so Kellenberger.

Einsam in den Grossstädten, Bekanntschaften in Dörfern

Mit dem Alleinsein unterwegs kam Kellenberger gut klar. Für ihn sei der Marsch auch Trauerbewältigung nach dem Tod seiner Mutter gewesen. Gleichzeitig nahm das neue Kinderhilfsprojekt während der Wanderung in der Natur immer konkretere Form in seinem Kopf an. «Einsam und etwas verloren fühlte ich mich eher in den Menschenmassen der anonymen Grossstädte wie Dhaka in Bangladesch, wo mir auch die extreme Luftverschmutzung zu schaffen machte», so Kellenberger.

In abgelegenen Dörfern habe er viel einfacher Kontakt zu Einheimischen gefunden und wurde zum Übernachten oder zum Essen eingeladen. «Die Menschen waren interessiert an mir und sprachen mich an. Vor allem die Kinder sind überall sehr offen und neugierig. Das machte mir besonders Freude», so der Berner. Eindrücklich sei für ihn neben den intensiven Naturerlebnissen die Herzlichkeit, Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft in allen Ländern gewesen. Das veränderte auch sein Weltbild. «Ich habe viel Armut und Elend gesehen, aber die Welt ist nicht so schlecht, wie man oft denkt. Niemand wollte mir etwas Böses.»

Ärztlich verordnete Erholung nach der Ankunft

Das angestrebte Spendenziel von 165’000 Franken für das neue Kinderdorf hat Kellenberger noch nicht erreicht. Mit seinem Fussmarsch konnte er 110’000 Franken Spenden sammeln. «Damit können wir den Bau aber bald starten. Wir haben auch schon einige Grundstücke in Aussicht, die ich mir anschauen werde», so der Schweizer.

Vorerst steht bei Kellenberger aber ärztlich verordnete Erholung an, denn nach seiner Ankunft war er schon wieder aktiv mit Gassenarbeit im Rotlichtmilieu und im Armutsviertel beschäftigt, wo er sich um armutsbetroffene oder missbrauchte Kinder und Jugendliche kümmerte. Drei Tage musste er daraufhin mit Schüttelfrost und Rückenschmerzen ins Krankenhaus für Abklärungen. «Die letzten beiden Monate habe ich schon ziemlich Raubbau mit meinem Körper getrieben, um wie geplant anzukommen, und muss jetzt erst mal wieder Kraft sammeln, damit ich hier wieder arbeiten kann», sagt der Berner.

Vorträge in der Schweiz und Buchprojekt geplant

Ende Juni wird Kellenberger dann für Vorträge in die Schweiz fliegen. Er plant ein Buch über seine abenteuerliche Reise und das Hilfsprojekt.

Auch wenn die Batterien des Schweizers momentan leer sind, ist er voll Optimismus für die gute Sache: «Ich bin zuversichtlich, dass wir damit auch das restliche Geld für das neue Kinderdorf und den Betrieb zusammenbekommen.»

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