Meriame Terchoun (28) ist entspannt. Das war nicht immer so. Die langjährige FCZ-Spielerin kennt die Doppelbelastung von Fussball und Job in der Schweiz. Seit Sommer 2022 hat sie aber einen Profivertrag bei FCO Dijon in der ersten französischen Liga und kann sich ganz auf den Fussball konzentrieren.
«Ein Profivertrag in der höchsten Liga war die Voraussetzung für einen Wechsel ins Ausland», so die 28-jährige Fussballerin. «Mehr Zeit für Regeneration und klarer Fokus auf dem Fussball steigert die Leistung.» Spanien wäre für sie auch denkbar gewesen, Deutschland oder Österreich dagegen nicht. «Ich wollte neben dem Fussball auch eine andere Kultur kennenlernen. Da sind Österreich und Deutschland der Schweiz zu ähnlich», findet Terchoun.
Nähe zur Schweiz und fussballerische Perspektiven
Zudem war Terchoun wichtig, dass sie nicht zu weit weg von ihrer Familie lebt. Sie freut sich immer, wenn Familie und Freunde zu Besuch nach Dijon kommen. «Die Stadt ist relativ klein, mit zwei Seen, Flüssen und einer hübschen Altstadt, mit historischen Gebäuden, die auch gut erhalten sind», so Terchoun.
Mit der französischen Sprache ist sie gut vertraut, weil ihre Eltern untereinander Französisch gesprochen haben. Terchouns Vater stammt aus Algerien. «Die Sprache war aber nicht ausschlaggebend», stellt sie klar. Land und Leute, aber vor allem ihre fussballerischen Perspektiven gaben den Ausschlag für den Wechsel nach Frankreich.
Aktuell ist ihr Klub auf dem achten Tabellenplatz und ist nicht mehr abstiegsgefährdet. Das war in der vergangenen Saison anders. Bis im letzten Spiel zitterte das Team. Mit einem Assist und einem Tor im entscheidenden Spiel konnte die Schweizerin massgeblich den Abstieg verhindern. «Wir haben uns diese Saison gesteigert und können uns noch um ein paar Plätze in der Tabelle verbessern», so die Mittelfeldspielerin des FCO Dijon.
Enttäuschung über Strukturen im Frauenfussball
In ihrer Zweizimmer-Wohnung mit Terrasse fühlt sich die Schweizerin mit ihren beiden Katzen wohl und inzwischen auch Zuhause. Bei der Wohnungssuche war der Klub behilflich. Rund 15 Minuten braucht Terchoun zum Trainingsgelände und zum Stadion. «Entweder nehme ich das Auto oder mein Motorrad.»
«Im Gegensatz zu den Profifussballern in Frankreich ist den Fussballerinnen Motorradfahren erlaubt», sagt sie lachend. Das liege wohl daran, dass auch in Frankreich der Frauenfussball noch zu wenig Bedeutung habe, selbst wenn es eine anerkannte Profiliga sei, meint Terchoun.
In der Schweiz hat sie neben dem Fussball 60 Prozent bei der schweizerischen Vereinigung der Fussballspielerinnen und -spieler (SAFP) und bei blue Sports am TV und in der Aufnahmeleitung gearbeitet. Ausserdem engagiert sie sich seit Jahren für bessere Bedingungen im Frauenfussball. «Ich war am Anfang sehr enttäuscht, dass auch hier in den Klubs und Verbänden strukturelle Defizite sind. In wichtigen Positionen sind vorwiegend Männer und es fehlen Trainerinnen. Trainer sind fachlich und taktisch weniger auf Frauen ausgerichtet.»
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Kochen und trainieren mit Zyklus-App
Terchoun, die sich nach drei Knieoperationen in ihrer Fussballkarriere mühsam zurückkämpfen musste, weiss um die Wichtigkeit der Gesundheit und spezifisches Training. Sie legt viel Wert darauf und nutzt eine spezielle App für zyklusbasiertes Training und für ihre Ernährung. «Wenn mir Kochideen fehlen, lasse ich mich inspirieren.»
Sie isst viele Kohlenhydrate und Gemüse, rotes Fleisch dagegen eher selten. «Poulet, Fisch und Meerestiere mache ich oft. Besonders mag ich Crevetten.» Heute kocht sie in ihrer kleinen Küche Curry und zur Vorspeise kommt Trüffelbrot mit Burrata und Tomaten auf den Tisch.
Einmal pro Woche isst das Fussballteam gemeinsam auf dem modernen Trainingsgelände. Ansonsten kauft Terchoun selber ein und kocht selber.
Yoga auf der Terrasse
Ausser montags wird beim FCO Dijon jeweils vormittags trainiert. Montag und Dienstag ist am Nachmittag Training, am Wochenende sind Spiele. Aber auch in ihrer Freizeit ist die Schweizer Nationalspielerin professionell und achtet auf eine gute Balance zwischen Sport und Erholung.
Nach dem Essen hält sie Siesta und macht regelmässig auf ihrer Terrasse oder in der Wohnung Yoga. Zudem schreibt und liest die kreative Zürcherin viel oder malt Bilder nach Nummern. «Das ist ähnlich wie Mandala und entspannt.» Gern ist sie auch in der Stadt, bummelt durch die Altstadt oder ist in einem der zahlreichen Cafés.
Besuche in der Schweiz und Vorfreude auf Heim-EM
Wenn immer möglich, besucht sie ihre Familie in der Schweiz und wohnt dann bei ihrer Mutter in Zürich. «Das kommt aber wegen der Spiele selten vor. Darum freue ich mich immer sehr, wenn ich Besuch aus der Schweiz habe», so Terchoun.
Zuletzt war sie mit dem Nationalteam in der Schweiz und spielte im Zürcher Letzigrund im EM-Qualifikationsspiel gegen die Türkei, das mit einem 3:1 Sieg für die Schweiz ausging.
Für die neue Nationaltrainerin Pia Sundhage findet Terchoun nur lobende Worte und findet, dass neben der Leistung auch die Stimmung und Motivation im Nationalteam besser sei. «Sie zeigt Klarheit und sieht und setzt auf Stärken der Spielerinnen», so die Schweizer Nati-Spielerin, die ihr Debüt im A-Team der Nationalmannschaft 2015 hatte.
Die Vorfreude auf die Heim-EM 2025 ist bei Terchoun, die sowohl an der EM 2022 und der WM 2023 dabei war, jetzt schon gross. Verbunden damit hegt Terchoun aber auch die Hoffnung, dass mit der Heim-EM der Schweizer Frauenfussball nachhaltig profitiert und endlich professionalisiert wird. «Das Niveau der französischen Liga ist höher als in der Schweiz und das liegt vor allem daran, dass hier alles Profis spielen», sagt die Schweizerin.
Für sich persönlich erhofft sich Terchoun, dass Pia Sundhage sie bei der Nominierung für den EM-Kader an der Heim-EM berücksichtigt. «Klar möchte ich da wieder im Nati-Team dabei sein. Ich kämpfe um mehr Spielzeit und werde mich nicht verstecken.»
Die nächste Gelegenheit Sundhage von ihren Qualitäten zu überzeugen und die Schweiz zu besuchen ist für Terchoun am 31. Mai in Biel, wo die Schweizerinnen gegen Ungarn das nächste EM-Qualifaktionsspiel absolvieren.