Womit man sich umgibt, das prägt einen, prägt die eigene Sicht auf die Welt. Und einer, dessen Vision in fast jedem Schweizer Wohnzimmer anzutreffen ist und der die Schweizer Ästhetik seit rund sechzig Jahren stark geprägt hat, ist der Architekt, Innenarchitekt und Designer Robert Haussmann (†90), der am 21. September dieses Jahres verstorben ist. Wenn auch im Wohnzimmer des normalen Schweizers kaum ein Haussmann-Original steht, so prägen doch unzählige Nachbildungen und Kopien seiner Entwürfe das Bild dessen, wie ein gut eingerichtetes Wohnzimmer in der Schweiz aussieht.
Haussmann ist überall
Haussmann gründet 1967 zusammen mit seiner Frau, der Designerin und ETH-Architektin Trix Haussmann-Högl (87), zunächst die Allgemeine Entwurfsanstalt Zürich und später die Firma Robert und Trix Haussmann. Beide haben in dieser langjährigen Zusammenarbeit über hundert Schweizer Designklassiker geschaffen, die international erfolgreich sind. Ledersitzmöbel für Knoll? Haussmann. Beistelltische für Horgenglarus, ein Rollladenschrank für den Hersteller Röthlisberger oder Freischwingerstühle für DeSede? Haussmann. Diese Lampen mit einer molekülartigen Metallröhrenkonstruktion und leuchtenden Weissglaskugeln, die man überall sieht? Haussmann.
Shopville und Kronenhalle-Bar
Aber nicht nur unsere Inneneinrichtungen – vom Teller über Stühle bis hin zu Schrank und Leuchte – sind vom Ehepaar Haussmann beeinflusst, sondern auch viele unserer Bauten. So stammt unter vielem anderen die Inneneinrichtung der Kronenhalle-Bar in Zürich oder die erste Etappe des Shopvilles im Hauptbahnhof Zürich vom Designer-Ehepaar.
Haussmann und auch seine Frau Trix sind zunächst stark vom Bauhaus beeinflusst. An der Kunstgewerbeschule Zürich studiert er ab 1948 bei der Bauhaus-Grösse Johannes Itten, in Amsterdam bei weiteren einflussreichen Designern wie Gerrit Rietveld von der Künstlergruppe De Stijl. Zurück in der Schweiz, gründet er mit Freunden wie Teo Jakob, dessen Name noch heute eine Schweizer Möbelhauskette im Hochpreissegment trägt, in jungen Jahren die Gruppe «Swiss Design» – einige Entwürfe für Möbel werden bis nach Amerika bekannt.
Weg mit dem starren Bauhaus!
Für das Ehepaar ist aber die Bauhaus-Designmaxime «Form folgt Funktion», die für die Moderne so wichtig war, schon sehr bald einengend und überholt. Sie erlauben sich, ironisch und verspielt zu sein, Grundsätze in Frage zu stellen und einige Werkstücke nach der Maxime «Funktion stört die Form» zu entwerfen.
Ihren Stil nennen sie ab 1980 «Manierismo Critico», also «kritischer Manierismus», wobei Manierismus für einen stilisierten, übertriebenen Umgang mit Malerei und Skulptur steht, der nach der Spätrenaissance kurzzeitig in Mode war. Bei Haussmanns bedeutet das, mit Malerei oder Spiegeln etwa Innenräume so zu verfremden, dass ein ungeahntes Raumempfinden entsteht – Räume etwa grösser oder verwinkelter erscheinen zu lassen, als sie sind. Oder sie entwerfen einen Beistelltisch, dessen Form auch als Hochhaus funktionieren würde. Für all das hagelt es Ausstellungen und internationale Preise – hierzulande erhält das Ehepaar 2013 vom Schweizer Bundesamt für Kultur den «Grand Prix Design». Und natürlich lehrt Haussmann auch die nächste Generation: unter anderem an der Kunstgewerbeschule Zürich oder während Gastprofessuren an der ETH Zürich und der Staatlichen Akademie für Bildende Künste in Stuttgart.
Mit dem Tod von Robert Haussmann ist eines der wichtigsten Kapitel der Schweizer Designgeschichte aber nicht zu Ende. Denn Robert und Trix Haussmann schafften in ihrer überaus produktiven Zeit nicht weniger als die Quadratur des Kreises: Sie durchbrachen die starren Maximen des Bauhaus und bleiben so Wegbereiter für die Weiterentwicklung und Erhaltung des international ausgezeichneten Rufs des Schweizer Designs.