Foto: Zug

Strick, der die Welt verändert
Ihre Masche hat Erfolg

Die Arbeiten der Schweizer Künstlerin Cécile Feilchenfeldt lieben nicht nur die Designer der Haute-Couture-Häuser, sondern auch Materialforscher. Zu sehen sind ihre Kunstwerke aktuell in gleich mehreren Museen – und natürlich auf den Laufstegen.
Publiziert: 28.09.2019 um 13:51 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2019 um 08:40 Uhr
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Die Arbeiten der Textilkünstlerin Cécile Feilchenfeldt haben internationale Ausstrahlung.
Foto: Aurélie Cenno
Silvia Tschui

Steckt man mitten im Leben, scheint es oftmals so verworren wie ein Wollknäuel, mit dem eine Katze gespielt hat. Blickt man aber einige Jahre zurück, zeigt sich im Idealfall, dass der Lebensfaden doch einer gewissen Gesetzmässigkeit aus Interessen, Vorlieben und Charaktereigenschaften gefolgt ist – und dass sich aus ihm, wiederum im idealsten Fall, ein reiches Gewebe entwickelt hat.

Gewebe, die komplizierten Gesetzmässigkeiten folgen und dabei einen ungeahnten Reichtum ent­wickeln, sind Cécile Feilchenfeldts Metier. In ihrem Atelier in Paris sitzt die gebürtige Schweizerin fast täglich hinter einer Strickmaschine aus den 1960er-Jahren und folgt dem Faden ihres Interesses: Textildesign. In semi-automatisierter, meditativer Handarbeit entstehen hier Werke, die einer ganz eigenen Ästhetik folgen, Feilchenfeldts Leben in viele Richtungen reich gemacht haben und weit über das Modegenre hinausweisen.

Haute Couture mit Zahnstochern und Knetmasse

Nicht, dass sie in diesem Genre nicht äusserst erfolgreich wäre: Wer je ein besseres ­Modemagazin aufgeschlagen und beim Anblick der darin abgebildeten Kollektionen eines Luxuslabels gedacht hat: «Das ist jetzt aber ein aussergewöhnlicher Strickstoff», oder: «Wie geht so etwas Skulpturales/Wolkiges/Undefinierbares als Kleidungsstück überhaupt?», hat wohl Feilchenfeldts Arbeit gesehen.

Sagen kann sie das meist nicht. Haute-Couture-Häuserschreiben Geheimhaltung gross, oftmals steht nur der Name des Chefdesigners über der Kollektion. Anders ist das bei Maison Schiaparelli – seit zwei Kollektionen ist Feilchenfeldts Name öffentlich mit dem des Luxuslabels verbunden.
Das Wort «Stoff» ist für Feilchenfeldts Arbeit eigentlich falsch. In ihren Werken öffnen sich drei­dimensionale Räume, Oberflächen verhalten sich anders als gewohnt. Feilchenfeldt versteht sich denn auch eher als Materialforscherin: «Mich interessieren Systeme, Materialverbindungen, die Spannungen, die dabei entstehen, mögliche Oberflächenverbindungen und welche Räume in dreidimensionaler Leichtigkeit diese gene­rieren», sagt Feilchenfeldt. Wenn sie Materialverbindungen sagt, schliesst sie kaum etwas aus: «Zahnstocher, Knetmasse, Gartendraht, zerschnittene Yoga-Matten … ich kann mit jedem Material etwas anstellen.»

Umweg übers Theater

Wie so oft, müssen sich Schweizer erst im Ausland beweisen, um hierzulande wahrgenommen zu werden. Feilchenfeldt legt hierzulande zwar früh einen guten Start hin. Ihre Abschlussarbeit in Textildesign an der Zürcher Hochschule für Künste zeichnet die Familie Brunsch­wig (Modehaus Grieder) 1998 mit dem Brunschwig-Preis aus. Er ermöglicht es Feilchenfeldt, sofort ein eigenes Atelier zu gründen und keine Anstellung suchen zu müssen. Bald aber zieht es sie nach Frankreich, wo sie ihrem Interesse für Räume, Textilien und Gewebe als Bühnenbild- und Kostümgestalterin am Theater nachgeht.

Aber Lebensfäden schlagen auch manchmal Knoten: Nach der Geburt ihres zweiten Kindes 2008 muss sie das Theater aufgeben. «Ein Kind konnte ich noch auf dem Arm mitnehmen, mit zweien war das unmöglich», sagt Feilchenfeldt.

Materialforscher und Architekten

Ihr professionelles Leben habe eigentlich erst 2012 wieder angefangen – dank der Tatsache, dass sie immer ein eigenes Atelier unterhalten hat. Und dank einer Einladung. Galerist Pascal Gautrand, der auf Handwerkskunst spezialisierten ­Pariser Galerie Made in Town, ist von ihrer Arbeit begeistert – und fungiert glücklicherweise auch als gut vernetzter Headhunter für die Modeindustrie. Er vermittelt Feilchenfeldt an die wichtigste Fachmesse der Modebranche: An der halbjährlich stattfindenden «Première Vision» sehen Designer der grossen Modehäuser ihre Muster – und bereits in der nächsten Saison sind Feilchenfeldts Stoffe auf diversen Laufstegen präsent.

Auch die Schweiz erinnert sich bald an die visionäre Designerin – insbesondere, weil ihre Arbeiten und Verbindungen von Materialien auch für Materialforscher und die Architektur interessant sind. Letztes Jahr verleiht ihr das Bundesamt für Kultur den Schweizer Grand Prix für Design. Aktuell sind Feilchenfeldts Werke in mehreren ­Museen und Galerien zu sehen: In der Ausstellung «Designlabor: Material und Technik» an der Zürcher Hochschule der Künste stehen ihre Arbeiten neben neuster Materialforschung zu Keramik oder Pilzmyzelien. In München sind aktuell zwei Feilchenfeldt-Ausstellungen zu besichtigen: Die Galerie Biro zeigt ihre Schmuck­objekte, die Handwerkskammer München ihre Kreationen im ­Rahmen der Ausstellung «Die Werkstätten der Haute Couture».

Gut vernetzt mit ETH und Empa

Den Zusammenhang ihrer Gewebe und aussergewöhnlichen Verbindungen zu Dreidimensionalem Räumen und Konstruktionen hat auch das Departement Architektur der ETH bemerkt – ab dem 14. Oktober stellt die Baubibliothek der ETH Feilchenfeldts Arbeiten im Rahmen der Ausstellung «Hybride Konstruktionen» aus. Auch mit der Empa, der Eidgenössischen Anstalt für Materialforschung, ist sie via die Fachorganisation Swiss Textiles in regelmässigem Kontakt.

Bei all den vielfältigen Anwendungen und der Anerkennung von diversen Seiten bleibt Feilchenfeldt ziemlich am Boden. So will sie etwa mit ihrem Atelier nicht gross wachsen, eine langjährige Assistentin, die auf Stickerei spezialisiert ist, reicht ihr. «Sonst wird das Delegieren zu kompliziert», meint sie.

Während sich Museen, Galerien und Haute-Couture-Häuser um sie reissen, tut Feilchenfeldt in aller Ruhe das, was sie beschäftigt, seit sie im Alter von 20 Jahren ihr «Instrument» erhalten hat: hinter den 360 Nadeln der Schweizer Strickmaschine Passap Duomatic Fäden in der Hand zu halten und in meditativer Konzentration ihr eigenes Leben und die Welt überreich zu stricken. 

Aktuelle Ausstellung: «Designlabor – Material und Technik» im Museum für Gestaltung
Kommende Ausstellung: Baubibliothek ETH Zürich, Zürich (ab 14. Oktober) 

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