Grossbritannien erlaubt Genmanipulation an Embryos
Darum gehts bei CRISPR-Cas9

Ein Tabu fällt: Grossbritannien erlaubt es Forschern, die Gene von Embryos zu manipulieren. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Publiziert: 02.02.2016 um 12:05 Uhr
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Aktualisiert: 27.11.2018 um 10:54 Uhr
Die neue Methode der Genmanipulation hat enormes Potential.
Foto: AP

Vor weniger als einem Jahr ging ein Aufschrei durch die Wissenschafts-Welt: Chinesische Forscher haben menschliche Embryonen gentechnisch verändert und somit ein Tabu gebrochen.

Nun erlaubt Grossbritannien die Genmanipulation an Embryos - zu Forschungszwecken. Die «Human Fertilisation and Embryology Authority» (HFEA) hiess einen entsprechenden Antrag des Francis Crick Institute in London gut. Es ist das erste mal weltweit, dass eine nationale Aufsichtsbehörde die Praxis erlaubt.

Wie funktioniert die Methode?

Die Forscher wenden die revolutionäre CRISPR-Cas9-Methode an, die seit 2012 in Gebrauch ist. Wie bei einem Textverarbeitungsprogramm lassen sich damit Teile unseres Erbgutes löschen, überschreiben und korrigieren.

Die Technik ist jedoch noch nicht ausgereift: Die Chinesen etwa konnten ein mutiertes Gen nur bei vier von 54 Embryos reparieren. Es handelte sich dabei um eine Studie an Embryonen, die sowieso nicht lebensfähig waren.

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Was wollen die britischen Forscher genau?

Dr. Kathy Niakan und ihr Team wollen herausfinden, welche Gene die erfolgreiche Entwicklung von Embryonen steuern. Fehlgeburten und Unfruchtbarkeit seien häufig, über die Ursache wisse man aber noch zu wenig, sagt die Forscherin zu BBC.

Die Forschung konzentriert sich auf die ersten sieben Tage nach der Befruchtung. Es geht dabei nur um den Erkenntnisgewinn - die manipulierten Embryonen dürfen keiner Frau eingepflanzt werden. Sie werden nach dem Versuch zerstört.

Gibt es dafür nicht die Präimplantationsdiagnostik (PID)?

Erbkrankheiten lassen sich in der Regel durch die PID vermeiden. Bei dieser Methode wird ein Embryo zur Implantation ausgewählt, der keinen Defekt im Erbgut trägt. Damit ist es gar nicht nötig, das Erbgut zu korrigieren.

Es gibt jedoch seltene Ausnahmefälle: Etwa, wenn beide Elternteile an derselben Erbkrankheit leiden, bei der das gleiche Gen betroffen ist. Sie würden diese an alle Nachkommen vererben, und gesunde Embryonen mittels PID auszuwählen wäre nicht möglich.

Warum ist der Entscheid umstritten?

Im vergangenen Dezember trafen sich führende Forscher, Ethiker und Philosophen zu einem Gen-Gipfel in Washington. Dort wurden nicht nur das Potential der Crispr-Cas9-Methode diskutiert, sondern auch ethische Bedenken.

Sobald die Methode ausgereift sei, werde es nicht nur ein Interesse daran geben, defekte Gene zu reparieren, sondern auch gesunde zu «verbessern», warnten Kritiker. Man würde sogenannten Designerbabys Tür und Tor öffnen.

Auch Gerald Schwank von der ETH Zürich, der an der Crispr-Cas9-Technologie forscht, warnt: «Es ist ein Schritt in Richtung Eugenik.» Da die britische Behörde aber die Einpflanzung der manipulierten Embryonen - gemäss Schwank ein «Horror-Szenario» - verboten habe, sei der Entscheid ethisch vertretbar.

Ein weiterer Punkt, der Sorgen bereitet: Würde ein Mensch, dessen Erbgut manipuliert wurde, Kinder zeugen, würde er die Veränderung vererben. Da das Zusammenspiel der menschlichen Gene äusserst komplex ist, wären die Folgen davon nur schwer abzusehen.

Kommen jetzt die Designer-Babys?

Neugeborene mit einer «programmierten» Augenfarbe oder anderen genetischen Eigenschaften wird es in den nächsten Jahren nicht geben. Dies hat aber auch damit zu tun, dass die Genetik noch nicht weit genug entwickelt ist.

Sobald die Wissenschaft das menschliche Genom besser versteht, sieht die Sache anders aus. «Vielleicht ist es in zehn Jahren möglich, die Intelligenz eines Kindes genetisch zu verbessern», sagt Gerald Schwank.

Wozu könnte CRISPR-Casp9 sonst noch dienen?

Der Nutzen der revolutionären Methode ist nicht auf die Manipulation von Embryo-Genen beschränkt. «Sie hat enormes Potential», sagt Gerald Schwank. Zur Therapierung von Krankheiten sei es vorstellbar, einem Patienten Zellen zu entnehmen, diese im Labor zu«reparieren» und wieder zu implantieren. An solchen Methoden forscht Schwank an der ETH.

Was sagt das Gesetz in der Schweiz?

In den meisten europäischen Ländern ist die genetische Manipulation von menschlichen Embryonen verboten - so auch in der Schweiz. Erlaubt ist hierzulande die Forschung an Stammzellen, die aus sogenannten überzähligen Embryonen gewonnen werden. Das sind Embryonen, die bei der künstlichen Befruchtung unplanmässig anfallen. Auch dürfen embryonale Stammzellen zu Forschungszwecken aus dem Ausland importiert werden.

Im vergangenen Sommer hat sich das Schweizer Volk ausserdem deutlich für die Präimplantationsdiagnostik (PID) ausgesprochen. (rey)

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