Auf einen Blick
In Dan Browns Bestseller-Roman «Illuminati» stehlen Terroristen Antimaterie aus dem Cern – der Europäischen Organisation für Kernforschung in Genf –, um damit eine Bombe zu bauen. Ihr düsteres Ziel: die Zerstörung des Vatikans.
Auch wenn die Handlung rein fiktiv ist, gibt es Antimaterie tatsächlich. Am Cern wird sie mithilfe von Teilchenbeschleunigern hergestellt und eingefangen. Es ist der einzige Ort auf der Welt, an dem die Substanz momentan erforscht werden kann. Genau das soll sich aber ändern: Forscherinnen und Forscher arbeiten nämlich daran, Antimaterie erstmals in einem Lastwagen durch Europa zu transportieren.
Teuerste Substanz der Welt
Dieses Vorhaben wäre eine wissenschaftliche Premiere – und ein gewagtes Unterfangen. Denn: Antimaterie ist laut Schätzungen eine der teuersten Substanzen auf der Erde. Sie lässt sich als eine Art Spiegelbild der gewöhnlichen Materie verstehen. Für jedes Teilchen existiert ein entsprechendes Antiteilchen mit derselben Masse, aber der entgegengesetzten elektrischen Ladung.
Ganz ungefährlich ist sie nicht: Kommt Antimaterie mit Materie in Kontakt, löschen sie sich gegenseitig aus und Energie wird freigesetzt. Je ein viertel Gramm würde ausreichen, um die Wucht der Hiroshima-Bombe zu erzeugen.
Eine Explosion wie in Dan Browns Roman ist jedoch höchst unwahrscheinlich. Christian Smorra, einer der führenden Forscher auf dem Projekt, gibt Entwarnung: «Von der Antimaterie geht keine Gefahr aus.» Zu gering sei die Menge, die man transportieren wolle. «Wenn man eine Banane isst, ist man hundertmal mehr Radioaktivität ausgesetzt.» Selbst die gesamte Antimaterie, die das Cern während eines Jahres herstellt, würde lediglich ausreichen, um einen Espresso zu kochen.
Antimaterie birgt Geheimnisse des Universums
Für den Transport der Antimaterie haben die Forschenden einen speziellen Container entwickelt, der die Antimaterie sicher aufbewahrt. Er ist so konstruiert, dass er Vibrationen und Stösse, etwa durch Schlaglöcher in der Strasse, übersteht. Zudem hält er die Antimaterie in einem stabilen Schwebezustand. «Ursprünglich wollten wir einen Container, der in einen Kofferraum passt», sagt Smorra. Mit zwei Metern Länge, 87 Zentimeter Breite, einer Höhe von 1,85 Metern und einem Gewicht von rund einer Tonne ist der Container zwar etwas grösser geworden als geplant, aber er passt noch immer durch Labortüren und auf die Ladefläche eines Lastwagens.
Das Ziel des Transports ist ein spezialisiertes Labor in Düsseldorf (D), wo die Antimaterie genauer untersucht werden soll. Aber weshalb betreibt man überhaupt diesen Aufwand? «Wir wollen eines der grössten Rätsel des Universums lösen», erklärt Smorra. «Wir gehen davon aus, dass beim Urknall gleich viel Materie und Antimaterie entstanden sind. Diese hätten sich jedoch gegenseitig auslöschen müssen. Dennoch besteht unser Universum fast ausschliesslich aus Materie – warum, wissen wir nicht.»
Um Antworten zu finden, untersuchen die Physikerinnen und Physiker die Unterschiede zwischen Materie und Antimaterie. «Das könnte uns verraten, warum Materie im Universum dominiert – und letztlich auch, warum wir überhaupt existieren.»
Das Rätsel um die Entstehung des Universums sei eine der faszinierendsten Fragen der Wissenschaft. Smorra beschreibt es so: «Wir versuchen, mit den Gesetzmässigkeiten, die wir im Labor beobachten, in der Zeit zurückzureisen – bis hin zum Urknall. Es ist unglaublich spannend, auf diese Weise die Ursprünge unseres Universums zu erforschen.»