Selbstoptimierung
«Trend zu einer narzisstischen Gesellschaft»

Daniel Süss (55), Professor für angewandte Psychologie an der ZHAW, rät dazu, Kindern den richtigen Umgang mit den neuen Medien beizubringen.
Publiziert: 31.03.2018 um 21:48 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 01:41 Uhr
Pr. Dr. Daniel Süss (55), Professor für Medienpsychologie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.
Foto: John Flury
Elisabeth Zirk

Herr Süss, woher kommt das Bedürfnis nach Selbstoptimierung?
Daniel Süss:
Wir sind soziale Wesen und wollen einen möglichst guten Platz in der Gesellschaft finden. Dabei wägen wir unsere Chancen auf den verschiedenen Märkten ab. Beispielsweise fragen wir uns auf dem Beziehungsmarkt: Bin ich nah am Durchschnitt? Wie weit bin ich von der Idealform entfernt?

Warum ist die Selbstoptimierung heute ein so zentrales Thema?
Früher konnte man sich in seinem Dorf mit 20 bis 50 Leuten vergleichen. Durch die Globalisierung und das Internet verfügen wir heute über eine unbegrenzte Zahl von Vergleichsmöglichkeiten, die uns mit weltweiten Trends konfrontieren. Wir sind umgeben von Bildern, seien es Stars oder Personen aus unserem Umfeld in den sozialen Netzwerken. Dabei gibt es verschiedene Faktoren, zum Beispiel, wie viele Likes eine Person für ein Bild oder eine Pose bekommt. In Zahlen wird sichtbar, wie gut oder schlecht man bei den anderen ankommt, und es entsteht ein Wettbewerb.

Welche Rolle spielt dabei die Technologie?
Die digitale Selbstvermessung mit Hilfe von zahlreichen Apps und Gadgets gibt uns Normen vor, die einzuhalten sind, beispielsweise, um ein ideales Körpergewicht zu erreichen. Der Trend geht zu einer narzisstischen Gesellschaft, die am meisten mit sich selbst beschäftigt ist.

Ist das eine gute Entwicklung?
Je mehr sich jemand an verschiedenen Massstäben orientiert, desto mehr steigen der Druck und die Verunsicherung, wenn er sich nicht daran hält. Es besteht die Gefahr, dass eigene Ziele letztendlich vom Logarithmus der Maschine ersetzt werden. Er gibt vor, wie ein idealer Körper zu sein hat. Junge Mädchen mit dem Ziel abzunehmen, vergleichen sich innerhalb einer geschlossenen Community und können durch deren Vorstellungen den Bezug zur Realität verlieren.

Birgt die digitale Selbstvermessung auch Chancen?Natürlich kann sie auch nützlich sein. Etwas wird bemerkt, dass man vorher nicht realisiert hat, oder man bekommt Ideen und Vorschläge, um sich im Alltag mehr zu bewegen. Das unmittelbare Feedback kann durchaus motivierend sein.

Wie kann man sich gegen den Selbstoptimierungszwang wehren?
Das beste Mittel ist ein gutes Selbstwertgefühl. Sich mit Menschen zu umgeben, die einem das Gefühl geben, geschätzt zu werden, und die das Selbstbewusstsein stärken. Menschen, die gut in ihrem sozialen Umfeld eingebunden sind, lassen sich nicht so schnell verunsichern.

Wie sehen Sie die Zukunft?
Der Trend wird zunehmen. Technisch gibt es immer mehr Möglichkeiten zur Selbstvermessung, denken Sie an implantierte Chips oder Sensoren. Auch die Vernetzung durch das Internet nimmt zu.

Werden wir irgendwann selber zu Maschinen?
Es gibt jetzt schon Menschen, die akribisch alles vermessen und veröffentlichen, was sie können, wie zum Beispiel die Mitglieder der Quantified-Self-Bewegung. Auf der anderen Seite werden sich Menschen zurückziehen, indem sie bewusst versuchen, ihre Privatsphäre zu schützen. Es ist wichtig, Kindern und Jugendlichen den richtigen Umgang mit den neuen Medien beizubringen und sie vor idealisierten Vorstellungen zu schützen.

Perfektion und Selbstoptimierung

Selbstoptimierung wird im Zeitalter von Instagram und Selfies zum Lebensinhalt, das Bestreben nach Perfektion zum Diktat. Der Wille, sich in allen Lebensbereichen zu optimieren, ist einer der ganz grossen Trends der Zeit. Ist dieser Trend gefährlich?

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Der Drang nach einen guten Platz in der Gesellschaft treibt die Selbstoptimierung an.
Der Drang nach einen guten Platz in der Gesellschaft treibt die Selbstoptimierung an.
Thinkstock

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