Mit einem aussergewöhnlichen Jobangebot macht die ehemalige SVP-Grossrätin und Abfall-Queen Karin Bertschi (29) aus dem Kanton Aargau auf sich aufmerksam. Die 29-jährige Geschäftsführerin der Recycling-Paradies AG schafft eine neue Stelle in ihrem Betrieb und ist auf der Suche nach einem Praktikanten mit Mindestalter 70 Jahre.
Als billige Arbeitskraft möchte Bertschi das Jobangebot für eine über 70-jährige Person auf keinen Fall verstanden haben. Mit ihrem Jobangebot möchte sie ihre Wertschätzung gegenüber der älteren Generation vorleben, wie sie gegenüber BLICK erklärt: «Viele Pensionierte stehen eigentlich noch voll im Leben, würden gerne gebraucht werden und sich irgendwo sinnvoll einbringen.»
Tatsächlich gibt es viele Pensionierte, die noch nicht in den Ruhestand treten möchten. 2018 gingen gemäss dem BFS 20 Prozent der 65-74-Jährigen in der Schweiz weiterhin einer Erwerbstätigkeit nach. Da diese Altersgruppe über die letzten zehn Jahre stark gewachsen ist und auch in Zukunft weiter wachsen wird, gewinnt die Erwerbstätigkeit von Seniorinnen und Senioren immer mehr an Bedeutung.
Arbeitsfreudige Rentner erwartet in Bertschis Recycling Paradies unterschiedliche Aufgaben. «Wir haben viele Arbeiten wie Besichtigungen mit Schulkindern, Krippen oder Kindergärten, die Bereitstellung von Hilfstransport-Gütern bis hin zu unserer Gratis-Tausch-Bibliothek, die gerne regelmässig sortiert wird», erklärt die Geschäftsführerin.
Plaudern und anpacken
In diesen Bereichen möchte Bertschi einer älteren Person die Mitarbeit im Team am Standort in Hunzenschwil AG oder Spreitenbach AG ermöglichen. Für die Geschäftsfrau steht der soziale Gedanke bei diesem Praktikantenjob klar im Vordergrund. «Wir haben genug Mitarbeitende an unseren vier Standorten, aber ich bin der Ansicht, dass eine Person mit viel Lebenserfahrung unserem Team für die Durchmischung gut tun würde und wir gegenseitig davon profitieren könnten und das auch für unsere Kunden einen Mehrwert bringen würde.»
Oft komme im täglichen Geschäft der Austausch und die Gespräche mit Besuchern der Entsorgungsstelle etwas zu kurz, zumal ihre Entsorgungsstelle auch gerade für viele ältere Menschen ein Treffpunkt sei, findet Bertschi. «Sich Zeit nehmen für Besucher, auch mal einen Schwatz abhalten, mit ihnen und über die Lebensgeschichte von Menschen und all den Reliquien philosophieren, das wäre neben der normalen Mitarbeit in unserem Recyclingbetrieb auch Teil der Mitwirkung unseres neuen Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin», erklärt Bertschi.
In welchem Umfang ein bis zwei Rentner künftig im Entsorgungsbetrieb mitarbeiten, hängt von den eingehenden Bewerberinnen und Bewerbern ab. «Da sind wir relativ flexibel. Die Stelle wird je nach Wunsch-Pensum für ein bis zwei Personen im Rahmen zwischen 30-60 Prozent gestaltet. Wir schauen uns zuerst die eingehenden Bewerbungen einmal an und werden dann einen Schnuppertag in unserem Betrieb durchführen.» Über den Stellenumfang und den Lohn will Bertschi mit allfälligen Bewerbern dann direkt verhandeln.
Im Sommer 2020 wird die Recycling-Unternehmerin das Projekt auswerten und prüfen, ob diese Stelle an allen Standorten angeboten wird.
Enge Kontakte mit älteren Menschen
Dass die Aargauerin ein Herz für ältere Menschen hat, beweist sie nicht zum ersten Mal. Damit ihr von Heimweh geplagter heute 97-jährige Grossvater vom Altersheim zurück in sein altes Haus konnte, hat die Enkelin sich auf die Suche nach Mitbewohnern für den verwitweten Grossvater gemacht.
Auch mit ihrer Schwiegermutter pflegt Bertschi engen Kontakt. Die über 80-Jährige ist regelmässig auf Instagram und Facebook aktiv. Bertschi weiss, wie geistig fit viele Rentner auch im hohen Alter noch sind, wie gern viele von ihnen noch eine sinnvolle Arbeit verrichten möchten und sich neben der Rente einen Zustupf verdienen möchten. «Voraussetzung bei uns ist aber schon auch, dass die Senior-Praktikanten auch an der Sammelstelle in Hunzenschwil oder Spreitenbach anpacken können und soweit fit und motiviert sind.»