Der Wald ist leer geräumt. Das merkt, wer dieser Tage Bodenholz sammelt, um Feuer zu machen. So wie eine Gruppe junger Menschen am vergangenen Montagabend in Zürich. Sie hätten bloss spärlich Holz gefunden, erzählen die Physikstudenten der ETH an einer Feuerstelle des Irchelparks.
Während des Zweiten Weltkriegs waren die Zürcher Wälder ebenfalls leer geräumt, kaum ein Ast lag noch auf der Erde, so erzählen es ältere Generationen. Der Bevölkerung ging es schlecht, sie rodete den Wald, um Feuer zu machen. Um zu essen. Um zu überleben. Der Mensch nimmt sich, was er braucht. Leere Wälder bedeuteten Krise.
Es ist wieder Krise. Wir pilgern in den Wald. Seit der Pandemie vermehrt. Das wissen Förster in den Städten Zürich, Bern und St. Gallen, weil Feuerstellen reger benutzt werden, Holz gesammelt und Abfall liegen gelassen wird. Und das belegen auch Zahlen. Die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) untersuchte in einer Befragung kurz vor dem ersten Lockdown unser Verhältnis zum Wald – und stellte der Bevölkerung dann während der Pandemie nochmals dieselben Fragen. Der direkte Vergleich zeigte: Wir verbringen viel mehr Zeit im Wald. Vor allem in der Deutschschweiz und im stadtnahen Unterholz. Und es tut uns psychisch gut. Die WSL schreibt: «Der Wald ist in der Schweiz ein Ort der Erholung, und Erholung spielt in Krisenzeiten eine grosse Rolle.»
Sehnsucht nach etwas Archaischem
Die Waldsehnsucht hält ein Jahr nach Beginn der Pandemie immer noch an, das spürt der Berner Forstmeister Stefan Flückiger: «Die Leute stellen viel mehr Fragen zum Wald.» Der Forstbetrieb, zu dem der Bremgartenwald im Norden der Stadt Bern gehört, zieht doppelt so viele Besucher an wie vor Corona. Zu Hause fällt uns die Decke auf den Kopf. Im Wald schalten wir ab, tanken auf oder treffen uns mit anderen. Weil die Ansteckungsgefahr von Covid-19 draussen deutlich geringer ist.
Die ETH-Studenten, die um die Feuertonne stehen, hätten sich nicht alle in einer WG treffen können. Die Leute weichen aus. In die Natur. Und schlendern mit Rucksack und Taschen bepackt ins Grüne. «Wollen wir am Wochenende im Wald bräteln» ist längst ein Standardsatz geworden. Natürlich fällt er jetzt öfter, weil die Temperaturen steigen und die Grillsaison gerade beginnt, doch ganz generell macht sich die Sehnsucht nach so etwas Archaischem wie Feuer breit. Ein Urinstinkt des Menschen. Denn bevor wir miteinander sprachen, sassen wir zusammen am Feuer.
Holz zum Feuern wird in Schweizer Wäldern nur ausnahmsweise zur Verfügung gestellt. Man geht davon aus, dass die Leute genügend Restholz am Boden finden. Flückiger aus Bern wäre es lieber, die Leute würden Brennholz mitbringen, anstatt den Wald «leer zu feuern». Das Totholz bleibt in diesem Wald bewusst liegen, weil es wichtig ist für das Ökosystem, erklärt der Forstmeister an einem verregneten Morgen im Berner Wald.
Grosse Nachfrage nach Brennholz
Brennholz boomt. In den letzten Monaten gab es so viele Anrufer, die Brennholz bestellen wollten, dass dies den Forstbetrieb der Burgergemeinde Bern (FBB) dazu bewog, im Januar selbst in die Scheitbrennholzproduktion einzusteigen. Holz aus dem Stadtwald für Grossabnehmer (wie Landi) und Privatpersonen. «Aus der Region für die Region», sagt Flückiger. Ihr Holz könne man zu Fuss abholen. Ziel sei es, der Bevölkerung Brennholz mit minimalem ökologischem Fussabdruck anzubieten.
Auch die Grossverteiler bestätigen, dass wir mehr feuern. «Die Nachfrage nach Brennholz ist stark angestiegen», heisst es bei der Landi. Dasselbe bei Coop Bau + Hobby. Bei der Migros wurden bis zu 40 Prozent mehr verkauft.
Neben Brennholz werden auch Utensilien zum Grillieren, sogenannte Grill-Gadgets, immer beliebter. Bei Galaxus erscheinen beim Stichwort «Grill» 4022 Produkte. Wer einen Grill kauft, merkt schnell: Es bleibt nicht beim Ofen – kostspielig ist das Zubehör. Abdeckungen, Zangen, Pizzastein, Wokpfanne, Fischbräter, Thermometer oder Metallspiesse, die man in beide Enden eines Maiskolben steckt. Das Ultimative sind Feuerschalen. Einfache aus Stahl oder aufwendig gestaltete Feuerringe von Künstlern für mehrere Tausend Franken. Die Wirkung ist die gleiche: Wenn man um so eine lodernde Feuerschale steht, schafft dies eine Behaglichkeit, man fühlt sich bei aller Düsterheit rundherum auf die Einfachheit des Lebens reduziert.
Holz wird knapp
Doch mit Holz wird nicht nur gebrätelt, sondern auch gebaut. Es ist eine globale Ressource. Und auf dem weltweiten Holzmarkt ist die Lage angespannt. Holz wird knapp. Hauptgrund ist die weltweit steigende Nachfrage nach dem Baustoff Holz. Nachhaltiges Bauen liegt im Trend. Holz wächst nach und ist CO2-neutral. Insbesondere die USA drängen derzeit auf den europäischen Holzmarkt, getrieben von einem Immobilienboom. Städter ziehen aufs Land und bauen. Das Resultat: eine Preisexplosion.
Traditionell stammt das meiste Bauholz für den US-Markt aus Kanada. Doch dort ist die Ressource knapp geworden. Schuld ist vor allem ein kleiner Käfer. Der Borkenkäfer zerstört die Wälder, sodass die kanadischen Waldbauern immer weniger Holz erwirtschaften. Hinzu kommen Schliessungen von Sägewerken wegen der Pandemie und ein andauernder Handelsstreit zwischen Kanada und den USA. Das veranlasst die Amerikaner dazu, Holz aus Deutschland, Skandinavien und Osteuropa zu importieren. Für die grossen europäischen Holzkonzerne ist das gut, sie verkaufen ihre Ware zu Höchstpreisen.
Längerfristiges Denken statt Billigholz
Auch die Schweiz ist von diesen Umwälzungen betroffen. Denn obwohl 32 Prozent der Schweiz aus Wald bestehen, importieren auch wir rund 70 Prozent des Bauholzes aus diesen Ländern. Der Grund: Die inländische Produktion ist teurer, gewisse Produkte werden nicht hergestellt, und hierzulande wächst viel Holz in Steilhängen und Berglagen, wo es schwerer zu schlagen ist.
Die Schweizer Baubranche ist besorgt. «Zimmerleute und Schreiner haben volle Auftragsbücher, bekommen aber den Rohstoff nicht mehr. Jede Säge läuft mit Vollgas, aber wir können die globalen Engpässe nicht auffangen», sagt Michael Gautschi, Direktor Holzindustrie Schweiz. Wer kurzfristig viel Holz braucht, hat ein Problem.
Bei der Firma Beer Holzbau aus Ostermundigen BE sieht es etwas anders aus, weil man schon immer vermehrt auf heimisches Holz setzte. «Das zahlt sich jetzt aus», sagt Geschäftsführer Heinz Heer. Die, die schon immer etwas mehr zahlten und nicht das billigste Holz aus dem Ausland nahmen, seien jetzt im Vorteil. Auch er habe Offerten gemacht, bei denen er die Preise anpassen müsse, aber von seinem «Hoflieferanten» kriege er seine Ware noch verlässlich. Längerfristiges Denken macht weniger abhängig vom internationalen Markt.
Dass der Holzpreis steigt, ist gar nicht so schlecht. Beer sagt: «Holz wurde jahrelang unter Wert verkauft. Der Preis ist jetzt da, wo er sein muss.» Um weniger vom internationalen Holzhandel abhängig zu sein, müsste das Gewerbe mehr mit Schweizer Holz bauen. Beer meint, die Schweiz müsse in den lokalen Markt investieren. Die vielen Transportkosten könnten eingespart werden, was dem Klima zugutekäme, und somit könnte das Material seinen Preis haben. Auch Gautschi sagt: «Wir könnten den Anteil Schweizer Holz in den Gebäuden steigern.»
«Der Wald braucht den Menschen nicht»
Dem stimmt auch Förster Flückiger zu. Auch er ist gegenüber dem billigeren Holz aus dem Ausland skeptisch und tendiert mehr zur Selbstversorgung. Jedes Jahr wachsen in der Schweiz 10 Millionen m3 Holz nach. Ohne den Wald zu übernutzen, könnten jährlich 7 bis 8 Millionen m3 Holz geerntet werden, es sind derzeit aber bloss rund 4,5 Millionen m3.
Jahrzehntelang gab es in den Schweizer Wäldern eine Unternutzung. Es wuchs mehr Holz, als geschlagen wurde. Dies rührt daher, dass man Ende des 19. Jahrhunderts die Wälder stark übernutzt hatte – insbesondere auch für den Export. Das erste Forstpolizeigesetz unterband dies und schützte den Wald. Das Resultat: Die Wälder wurden in den letzten 140 Jahren immer älter. Diese werden instabiler und sind anfälliger für Sturm und Käfer. Dabei wäre es wichtig, Holz zu nutzen und die Wälder regelmässig zu verjüngen. Ziel sei es, so Flückiger, ein gesundes Verhältnis zwischen Bewirtschaftung und Nutzungsverzicht zu schaffen. Und er sagt ganz klar auch: «Wenn wir den Rohstoff Holz wollen – und es sieht nicht so aus, als ob sich jemand einschränken will –, müssen wir den Wald so lenken.»
Wir müssten uns Gedanken machen über unseren Konsum und einen gesellschaftlichen Verantwortungsdiskurs führen – gerade bei Rohstoffen. «Der Wald braucht den Menschen nicht. Aber der Mensch braucht den Wald», sagt Flückiger.
Wie geht es eigentlich dem Wald, fragen wir den Fachmann, der seit acht Jahren Forstmeister der Burgergemeinde Bern ist. Dem gehe es gut, lautet seine Antwort. Gewissen Baumarten nicht so, weil sie nicht klimatauglich seien. Jetzt müsste man sich fragen: Welche Arten sind Zukunftsbäume? Sicherlich Eichen. «Die Eiche hat den Menschen bisher nie versetzt», sagt Flückiger. Vor 400 Jahren standen in diesem Wald bereits Eichen. Dann wurden Buchen und Rottannen gepflanzt. Doch die Fichten, wie die Rottannen auch genannt werden, haben keine rosige Zukunft. Nicht bei uns im Mittelland. Nicht bei dem immer wärmeren Klima.
Wilde Feuerstellen sind ein Problem
Für Flückiger steht eines im Vordergrund: dem Wald Sorge zu tragen. Am Ende der Führung zeigt uns Flückiger ein etwas anderes Stück Wald. Der Boden ist schwarz, die Äste der Jungtannen braun und die Stämme der grösseren Bäume bis zu einem Drittel verkohlt. Hier wütete vor ein paar Wochen ein kleiner Waldbrand, weil eine wilde Feuerstelle nicht gelöscht wurde. Die Flammen waren 18 Meter hoch. Die Feuerwehr war zum Glück schnell. Die Verantwortlichen haben sich nicht gemeldet. Das ist leider normal. Schliesslich rede man hier von einem Sachschaden von mehreren Hunderttausend Franken.
Die wilden Feuerstellen sind überall ein Problem. Der leitende Förster aus St. Gallen, Urban Hettich, berichtet, dass an wilden Feuerstellen oft mehr Abfall zurückgelassen wird. «Meines Erachtens halten sich im Moment auch viele Leute in der Natur auf, denen die Verbindung zur Natur und das Verständnis für sie fehlt, sonst würde nicht so viel Abfall in der Natur zurückgelassen.» Er sagt aber auch, dass man es begrüsst, wenn die Bevölkerung wieder vermehrt den Wald besucht und ihn als Naherholungsgebiet neu entdeckt.
Das sieht auch Förster Flückiger so. Gerade in den vergangenen Monaten sei der Wald für viele Menschen wichtig für die Psyche gewesen. Dabei ein Feuer zu machen, steigere das Wohlbefinden.
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Bevor Sie ein Feuer machen, informieren Sie sich über die aktuelle Waldbrandgefahr
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Machen Sie vorzugsweise Feuer an den dafür eingerichteten Stellen. Wenn dies nicht möglich ist, die Laub-/Nadelstreu zuerst wegscharren. Feuer immer auf der Erde und nicht auf Humus und Streu machen.
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Halten Sie genügend Abstand zu Pflanzen und Wurzeln, mindestens 1,5- bis 2 Meter Abstand zu Bäumen.
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Bringen Sie am besten Brennholz mit. Ansonsten Bodenholz sammeln, nichts von Bäumen schneiden, trockenes Holz verwenden.
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Es ist nie verkehrt, eine Begrenzung aus Erde oder Steinen rund um das Feuer zu errichten.
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Feuer immer im Auge behalten.
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Feuer richtig löschen: Am besten erstickt man das Feuer mithilfe von Sand, Erde (nicht Humus oder Streu) oder Wasser. «In der Pfadi hat man jeweils am Schluss einfach ‹drübergebiselt›», sagt Forstmeister Stefan Flückiger aus Bern. Bevor Sie die Stelle verlassen, sollten Sie die Glut kontrollieren.
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Flückiger sagt: «99 Prozent der Besucher haben es im Griff, kontrollieren das Feuer und löschen es vor dem Weggehen vollständig aus.» Das eine Prozent gebe es immer, in allen gesellschaftlichen Bereichen.
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Bevor Sie ein Feuer machen, informieren Sie sich über die aktuelle Waldbrandgefahr
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Machen Sie vorzugsweise Feuer an den dafür eingerichteten Stellen. Wenn dies nicht möglich ist, die Laub-/Nadelstreu zuerst wegscharren. Feuer immer auf der Erde und nicht auf Humus und Streu machen.
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Halten Sie genügend Abstand zu Pflanzen und Wurzeln, mindestens 1,5- bis 2 Meter Abstand zu Bäumen.
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Bringen Sie am besten Brennholz mit. Ansonsten Bodenholz sammeln, nichts von Bäumen schneiden, trockenes Holz verwenden.
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Es ist nie verkehrt, eine Begrenzung aus Erde oder Steinen rund um das Feuer zu errichten.
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Feuer immer im Auge behalten.
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Feuer richtig löschen: Am besten erstickt man das Feuer mithilfe von Sand, Erde (nicht Humus oder Streu) oder Wasser. «In der Pfadi hat man jeweils am Schluss einfach ‹drübergebiselt›», sagt Forstmeister Stefan Flückiger aus Bern. Bevor Sie die Stelle verlassen, sollten Sie die Glut kontrollieren.
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Flückiger sagt: «99 Prozent der Besucher haben es im Griff, kontrollieren das Feuer und löschen es vor dem Weggehen vollständig aus.» Das eine Prozent gebe es immer, in allen gesellschaftlichen Bereichen.