Forscher untersuchen Anpassungsfähigkeit an Extrem-Klima
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Projekt «Deep Climate»:Forscher untersuchen Anpassungsfähigkeit an Extrem-Klima

Expedition will Anpassung des Menschen an extremes Klima ergründen
«Wir müssen dringend unser Schulsystem überdenken»

Mit der Erderwärmung muss sich die Menschheit auf immer extremeres Wetter einstellen. Schaffen wir das? Eine Gruppe von 20 Freiwilligen sucht in den feindlichsten Gebieten des Planeten nach Antworten.
Publiziert: 29.01.2023 um 15:19 Uhr
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Aktualisiert: 30.01.2023 um 11:30 Uhr
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Foto: ©LucasSantucci/HumanAdaptationInstitute
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Camille KündigRedaktorin SonntagsBlick

Im Zuge des Klimawandels müssen wir Menschen uns auf härtere Lebensbedingungen gefasst machen. Der schweizerisch-französische Abenteurer Christian Clot will herausfinden, wie wir damit umgehen können. Für sein Projekt «Deep Climate» reist er mit seinem Team in diesen Monaten in drei der extremsten Klimazonen der Erde und sammelt Daten über die Anpassungsfähigkeit unseres Gehirns und unseres Körpers. Soeben ist er zurück aus dem Amazonaspark von Französisch-Guayana und zieht im SonntagsBlick sein erstes Fazit.

SonntagsBlick: Herr Clot, Sie haben freiwillig 40 Tage in völliger Autonomie und bei einer Luftfeuchtigkeit von fast 100 Prozent verbracht. Machen Sie sich solch grosse Sorgen um unser Überleben oder sind Sie masochistisch veranlagt?

Christian Clot: (Lacht) Die Lebensumstände in den Gebieten, die wir bereisen, sind zwar schwierig, aber es handelt sich auch um die schönsten Orte der Welt. Ich frage mich oft: «Warum bin ich nur hierhergereist?» Dann aber überfliegt mich ein seltener Vogel, und ich bin dankbar, diese Natur und Tiervielfalt beobachten zu können. In erster Linie geht es mir darum, Lösungen zu finden für die Veränderungen, die uns bevorstehen.

Den Klimawandel.

In Marseille werden ab Mitte des Jahrhunderts im Sommer 50 Grad Celsius erwartet. Niemand weiss, wie sich das auf unseren Körper, unser Gehirn und unser Zusammenleben auswirken wird. Wir wollen herausfinden, wie wir uns dieser Zukunft bestmöglich anpassen können. Uns interessiert der Mechanismus im Gehirn, der Menschen hilft, mit Veränderungen umzugehen.

Sind Sie nicht zu pessimistisch? Der Kampf gegen den Klimawandel ist doch in vollem Gange.

Natürlich gilt es weiterhin alles in unserer Macht Stehende zu tun, um die Umweltverschmutzung und CO₂-Emissionen zu verringern und die schlimmsten Horrorszenarien zu vermeiden. Aber Experten warnen seit den 1950er-Jahren vor dem, worauf wir uns gefasst machen müssen. Selbst wenn wir alle Stricke ziehen, steht uns ein tiefgreifender Wandel bevor.

Werfen wir einen Blick in die Kristallkugel: Wie ungemütlich wird es?

Bei Temperaturen und einer extrem hohen Luftfeuchtigkeit wie im Dschungel von Französisch-Guayana werden Kleider und Schlafsack klitschnass. Das fördert Mykosen, Pilzerkrankungen und Pickel. Uns ist das Atmen schwergefallen, die Lungen machten nicht mit. Viele Teilnehmer zeigten Symptome wie Müdigkeit, Kopfschmerzen und Blutgerinnsel oder waren besonders reizbar.

Sie fahren auf Ihren Expeditionen Kanu, ziehen Karren durch die Wüste. Wie ziehen Sie daraus Schlüsse?

Wir zeichnen Vitalfunktionen aller Probanden auf. Ihre Körpertemperatur, den Herzschlag, die motorische Aktivität. Die Teilnehmenden müssen täglich schriftliche Übungen machen und Fragebögen zum moralischen Befinden ausfüllen. Zur Untersuchung der Gruppendynamik gibt es Geräte, die zeigen, wer wie viel Zeit mit wem verbringt. Vor der Reise und bei der Rückkehr mussten wir alle zu Bluttest und MRT antraben. Jetzt werden Forscher – unter anderem von der Universität Genf – die Daten analysieren.

In Ihrem Expeditionsteam sind keine Forscher, sondern eine Kommunikationsverantwortliche und ein Schmuck-verkäufer – Normalsterbliche im Alter von 25 bis 52. Warum?

Es ist wichtig, dass die Gruppe der Realität der Gesellschaft möglichst nahe-kommt. Oft werden Tests von Experten auf dem bestimmten Feld durchgeführt. Doch von den Klimaveränderungen werden alle betroffen sein.

Wie ist die Gruppe mit den neuen Lebensumständen umgegangen?

Zunächst versuchte sie weiterzuleben wie zuvor. Wir bemühten uns, nicht durchs Wasser zu laufen, bei Regen suchten wir Schutz. Irgendwann haben wir die Lage akzeptiert. Bei einigen dauerte das zwei, drei Tage. Andere brauchen mehr Zeit, bis sie einsahen, dass sie an der Situation nichts ändern können und sich entsprechend organisieren müssen.

Wer hat sich am besten geschlagen?

Diejenigen Probanden, welche die neue Realität am schnellsten akzeptieren und darauf aufbauen konnten, sowie kreative Menschen mit starker positiver Vorstellungskraft. Doch grundsätzlich zeigt sich leider: Wir sind nicht auf das vorbereitet, was uns erwartet. Daher ist wesentlich, dass wir der neuen Generation Veränderung beibringen.

Wie meinen Sie das?

In Finnland gehören Übungen zur kognitiven Variabilität zum Unterricht. Die Schüler lernen dabei, neue Bedingungen zu akzeptieren, lang vorbereitete Pläne über Bord zu werfen und neue, kreative Ideen zu entwickeln. Bei uns dreht sich vieles ums Auswendiglernen, wenig um die Sinneswahrnehmung. Das ist im Hinblick auf die Herausforderungen des Klimawandels verheerend und wir sollten dringend unser Schulsystem überdenken.

Was passt sich eigentlich besser an: das Hirn oder der Körper?

Unser Hirn entwickelt sich je nach Bedarf und zerstört Funktionen, die nicht mehr nötig sind. An jedem Punkt im Leben kann es sich innert 30 Tagen neuen Umständen anpassen.

Dieser Satz könnte aus einem Psychologie-Ratgeber stammen ...

Aber Achtung: Wenn wir es nicht nähren, streikt es. Wollen wir Veränderungen gewachsen sein, müssen wir unser Hirn aktiv halten. Heisst: Lernt neue Dinge, bleibt neugierig, hört Musik! Durch Kunst wird unser Gehirn angespornt, selbst kreativ zu werden.

Gab es auf der Mission eigentlich Streit?

In einer Gruppe gibt es zwangsläufig Menschen, mit denen Sie sich besser verstehen als mit anderen. Konflikte gehören dazu. Doch unter den Teilnehmern waren Personen, die nie zuvor in einem Wald spazieren gingen. Alleine hätten sie es in dem Dschungel keine drei Tage geschafft. Das zeigt: Wenn wir Menschen alle an einem Strick ziehen, wenn es darauf ankommt, können wir Grossartiges leisten.

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