Ruht in diesem Grab eine Königin?
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Mysteriöser Sarg in Payerne VD
Ruht in diesem Grab eine Königin?

Seit 200 Jahren steht auf dem Gelände der Abteikirche Payerne ein geheimnisvolles Grabmal. Im Inneren vermutet man Königin Bertha, die im Mittelalter gelebt hat. Am 20. Mai wird der Sarkophag endlich geöffnet.
Publiziert: 24.04.2021 um 10:08 Uhr
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Aktualisiert: 26.04.2021 um 15:04 Uhr
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Das Grabmal steht im Inneren der Pfarrkirche Sainte-Marie von Payerne.
Foto: Philippe Rossier
Jennifer Bürgin

In Payerne VD befindet sich eines der grössten archäologischen Geheimnisse der Schweiz: ein schlichter grauer Steinkasten, der in der reformierten Pfarrkirche zwischen zwei Säulen steht. Eine wuchtige schwarze Marmorplatte verbirgt den Inhalt vor neugierigen Augen. Das Grab ist schmucklos – ganz im Gegensatz zu den geschwungenen Formen und Verzierungen, die den Rest des Raums prägen. Ohne Schnickschnack auch die Inschrift, aus dem Lateinischen übersetzt: «In frommer und gesegneter Erinnerung an Bertha».

Bertha von Schwaben war eine Königin, steht da weiter. Doch welche Monarchin erhält ein derart schlichtes Begräbnis? Wieso scheint dieses Grab so gar nicht hierher zu gehören? Am 20. Mai sollen diese Geheimnisse endlich gelüftet werden. Dann findet nämlich die Graböffnung statt.

Bertha, die Spinnerin

Doch wer war diese Bertha? Wie bei vielen Frauen der Geschichte ist über ihr Leben nicht viel bekannt. Sie kam Anfang des 10. Jahrhunderts als Herzogstochter auf die Welt und wurde 922 mit König Rudolf II. vermählt – und wurde so zur Königin von Hochburgund, das unter anderem auch die heutige Westschweiz umfasste. Als Rudolf 15 Jahre später verstarb, heiratete Bertha König Hugo von Italien. 947 wurde sie zum zweiten Mal Witwe und kehrte zurück auf ihre Ländereien in Burgund nördlich der Alpen.

Bertha blieb als Wohltäterin in Erinnerung. Grosszügige Schenkungen von ihr und ihrer Familie ermöglichten es dem damaligen Kloster Payerne, eine neue Kirche zu bauen. Historische Texte verraten, dass die Königin um das Jahr 961 auf dem Gelände des Klosters bestattet wurde. Während des ganzen Mittelalters gedachte man der Königin als Gründerin des Klosters.

Für die französischsprachige Schweiz ist Bertha besonders seit dem 19. Jahrhundert eine Identifikationsfigur, so Abteidirektorin und Konservatorin Anne-Gaëlle Villet (33). Als der Kanton Waadt 1803 entstand, suchten die Waadtländer nach ihren Wurzeln in der mittelalterlichen Geschichte der Region. Die Legenden über die Königin stifteten Identität. Bertha wurde zur Heldin von Theaterstücken, Gedichten und Gemälden und zur Namensgeberin von Strassen und Lokalen in Payerne. Ihr wurden ausserdem Eigenschaften einer guten Hausfrau angedichtet. Der Legende nach besass sie einen besonderen Reitsattel mit einem Loch, an dem sie ihren Spinnrocken – ein stabförmiges Gerät, an dem Fasern befestigt werden – anbringen und so auf Reisen Garn spinnen konnte. Deswegen trägt sie bis heute den Beinamen «Die spinnende Königin».

Physische Beweise für die Existenz der Königin gab es lange Zeit nicht. Bis 1817 der Boden des Kirchenvorraums der Abtei ausgehoben wurde, um ein Gefängnis einzurichten. Über die Jahrhunderte wechselten die Kirchengebäude in Payerne häufig ihren Zweck – zu diesem Zeitpunkt wurden sie noch als Kornspeicher oder Lagerhallen genutzt. Oberst François-Rodolphe de Dompierre (1775–1844), ein leidenschaftlicher Archäologe, führte dort Ausgrabungen durch und fand menschliche Gebeine. Er beschrieb die Reste eines Skeletts, die sich in einem Steinsarkophag befanden. Ein Deckel war nicht zu finden. Untersuchungen des Skeletts durch Ärzte ergaben, dass es sich um Frauenknochen handelt. Sofort dachte man, die Überreste von Königin Bertha gefunden zu haben, und der Staatsrat beschloss, sie angemessen zu bestatten. So entstand ein Jahr später das Marmorgrab der Königin in der Pfarrkirche Payerne. Das erklärt auch das schlichte Erscheinungsbild des Grabs – es stammt aus dem 19. Jahrhundert.

Schrödingers Königin

200 Jahre lang ruhte das Geheimnis um Königin Bertha also ungestört in diesem Marmorgrab. Doch ob sich darin überhaupt etwas befindet, ist unklar. Definitiv herausfinden kann man das erst, wenn das Grab am 20. Mai geöffnet wird, so Villet. Um die Spannung für Wissenschaft und Öffentlichkeit aufrechtzuerhalten, wurden – wie bei Graböffnungen üblich – vorher keine Untersuchungen vorgenommen. Die Abteidirektorin sagt: «Es ist gut möglich, dass das Grab leer ist. Es könnten sich aber auch tatsächlich Knochen darin befinden. Wahrscheinlich werden wir auch auf Stoffe stossen, entweder aus dem Mittelalter oder aus dem 19. Jahrhundert, als das neue Grab angelegt wurde.»

Um das Grab zu öffnen, muss die schwarze gravierte Marmorplatte weggenommen werden. Dazu wird unter der Platte ein ganz feiner Schnitt gemacht. Mit einer speziellen Vorrichtung wird dann der Stein angehoben und vom Grab entfernt. Im Inneren des Grabs erwartet man einen Sarkophag, der ebenfalls geöffnet werden muss. «Sorgfalt ist hier oberste Priorität, damit man nicht Gefahr läuft, etwas zu beschädigen.»

Sollte man nach der Graböffnung tatsächlich Knochen finden, können die Archäologen und Anthropologinnen mittels Radiokarbondatierung herausfinden, wie alt die Knochen im Inneren sind. Je nachdem, zu welchem Schluss sie kommen, unterstützen diese Befunde vielleicht die These, dass es sich um die sterblichen Überreste der legendären Königin Bertha handelt. Falls nicht, ist zumindest sicher, dass die spinnende Königin in den Herzen der Menschen von Payerne weiterleben wird.

Abteikirche Payerne

Entdeckungsrundgang

Die Abtei kann allein oder in Kleingruppen erkundet werden. Wer möchte, kann mit einem Audioguide mehr Informationen zu Geschichte und Architektur der Bauten erhalten.

Führungen

Für Gruppen ab zehn Personen gibt es die Möglichkeit, individuell zusammengestellte Führungen zu buchen. So kann beim Betrachten der Abtei der Fokus zum Beispiel auf Architektur oder Spiritualität gelegt werden. Auch eine zusätzliche Altstadtführung ist möglich.

Für Erwachsene

Volljährige Besucher können die Führung mit einer Weinprobe oder Verköstigung lokaler Spezialitäten ausklingen lassen.

Für Schulen

Schulklassen bietet die Abtei altersgerechte und auf den Schulstoff zugeschnittene Führungen an.

Die Abteikirche Payerne ist die älteste erhaltene romanische Kirche der Schweiz.
Philippe Rossier

Entdeckungsrundgang

Die Abtei kann allein oder in Kleingruppen erkundet werden. Wer möchte, kann mit einem Audioguide mehr Informationen zu Geschichte und Architektur der Bauten erhalten.

Führungen

Für Gruppen ab zehn Personen gibt es die Möglichkeit, individuell zusammengestellte Führungen zu buchen. So kann beim Betrachten der Abtei der Fokus zum Beispiel auf Architektur oder Spiritualität gelegt werden. Auch eine zusätzliche Altstadtführung ist möglich.

Für Erwachsene

Volljährige Besucher können die Führung mit einer Weinprobe oder Verköstigung lokaler Spezialitäten ausklingen lassen.

Für Schulen

Schulklassen bietet die Abtei altersgerechte und auf den Schulstoff zugeschnittene Führungen an.

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