75 Jahre Potsdamer Konferenz
Wie «Die grossen Drei» den Frieden planten

Elf Waggons, rund 900 Leibwächter, 1923 Kilometer Strecke und etwa 19 000 Soldaten entlang der Bahnschienen von Moskau bis Potsdam - mit viel Aufsehen und Stunden Verspätung erreicht der gepanzerte Sonderzug von Josef Stalin im Juli 1945 Potsdam.
Publiziert: 17.07.2020 um 10:26 Uhr
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Vor 75 Jahren wurde das Schloss Cecilienhof in Potsdam zum Zentrum der Weltpolitik.
Foto: imago images/Camera4

«Ich denke, die Verspätung war ein psychologischer Trick Stalins, um seine Machtposition zu demonstrieren», sagt der Potsdamer Historiker Manfred Görtemaker.

Vom 17. Juli bis zum 2. August 1945 ist das Schloss Cecilienhof in Potsdam westlich von Berlin Zentrum der Weltpolitik. Im Kampf gegen den nationalsozialistischen Diktator Adolf Hitler waren Stalin, US-Präsident Harry S. Truman und der britische Premierminister Winston Churchill Verbündete. Nun wollen sie gemeinsam den Frieden gestalten.

Stalin – der starke Mann

Truman ist zu diesem Zeitpunkt erst wenige Monate als US-Präsident im Amt. Churchill verliert noch während des Treffens die Wahlen und wird von Clement Attlee ersetzt. «Stalin hingegen war der starke Mann. Die Konstante», erklärt der emeritierte Professor für Neuere Geschichte an der Universität Potsdam. Der sowjetische Machthaber habe sich seinen Kollegen daher weit überlegen gefühlt.

Das kreisrunde Beet mit dem «Roten Stern» aus Geranien sollte im Innenhof des Schlosses unmissverständlich klarmachen, wer der Gastgeber der Konferenz zur Nachkriegsordnung war. Ursprünglich sei eine Berliner Konferenz geplant gewesen, «aber in der zerstörten Reichshauptstadt waren weder Unterkünfte noch Konferenzräume vorhanden», erklärt die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) auf ihrer Internetseite.

Während Stalin seine Freizeit vor allem in einer Villa am Griebnitzsee verbrachte, unternahm Churchill laut Görtemaker gern Ausflüge ins zerstörte Berlin. Truman spielte im «Little White House» in Babelsberg, seiner Residenz, ab und an Töne am Klavier.

«Bleiben die Jungs zum Abendessen?»

Auch Stalin habe beim US-Präsidenten eines Nachmittags ein Privatkonzert erlebt, berichtet Görtemaker. «Bleiben die Jungs zum Abendessen?», soll ein amerikanischer Soldat da plötzlich gefragt und auf den sowjetischen Machthaber und seine Männer gezeigt haben. «Diese Respektlosigkeit gegenüber einem blutrünstigen Diktator wie Stalin war schon bemerkenswert», sagt der Historiker rückblickend.

Das Potsdamer Abkommen

Im Gegensatz zu den vorherigen Konferenzen in Teheran 1943 und 1945 in Jalta berieten «die grossen Drei» in Potsdam nicht über die Teilung Deutschlands. Sie war laut bpb erst die Folge des Kalten Krieges. Die Ergebnisse der Potsdamer Konferenz, niedergeschrieben im «Potsdamer Abkommen», seien andere gewesen: Die Festlegung der polnischen Westgrenze, das Offenhalten der deutschen Frage sowie die Resolution, dass Deutschland als wirtschaftliche Einheit erhalten bleiben müsse.

Für Görtemaker sind diese Entscheidungen Grundlage für die deutsche Wiedervereinigung Jahrzehnte später. Vor allem der Beschluss, das Land als wirtschaftliche Einheit zu sehen, sei zentral gewesen. «Die Wiedervereinigung wäre nicht möglich gewesen, wenn man sich in Potsdam anders entschieden hätte», sagt der Wissenschaftler.

Putin wünscht sich Treffen

Schon seit einem halben Jahr lassen die einstigen Siegermächte des Zweiten Weltkrieges Kremlchef Wladimir Putin warten. Es war im Januar, als der russische Präsident bei Gedenkfeiern in Israel ein neues Treffen der Grossmächte vorschlug.

Seine Idee: die fünf ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat - die Atommächte USA, Grossbritannien, Frankreich, China und Russland - an einen Tisch bringen, um die Probleme der Menschheit zu diskutieren.

Wenn nun Russland an diesem Freitag (17. Juli) mit einer Sonderschau an den 75. Jahrestag der Potsdamer Konferenz zur Neuordnung der Welt erinnert, ist Putins Sehnsucht nach einem neuen Treffen dieser Art weiter brandaktuell. Es gebe so viele Unwägbarkeiten heute, «die die ständige Aufmerksamkeit der führenden Staaten der Erde, der offiziellen Atommächte erfordern», sagte Putin erst in einer am Sonntag ausgestrahlten Sendung des russischen Staatsfernsehens. Deshalb sei ein solches Treffen wichtig, meinte er auch mit Blick auf die «bedauernswerte» Lage in den USA.

Internationale Auftritte fehlen

Putin, der schon den 75. Jahrestag des Sieges der Sowjetunion über Hitler-Deutschland ohne die Staatschefs der einstigen Alliierten gefeiert hatte, hätte gern frische Fotos mit den «Anführern der Welt» für sein Publikum zuhause. Gerade hat der 67-Jährige die Verfassung ändern lassen, um im Fall einer Wiederwahl noch bis 2036 an der Macht zu bleiben. Doch in der Corona-Pandemie fehlen Putin, der traditionell innenpolitisch auf den Glanz der Aussenpolitik setzt, die Auftritte auf internationalem Parkett.

Russische Diplomaten versuchen deshalb seit Monaten, einen Termin samt Tagesordnung abzustimmen. Vor allem mit den USA als wichtigsten Partner. Bisher ohne Erfolg. Das Gipfel-Thema sei «vom Radar verschwunden», sagte der Vertreter Russlands bei den Vereinten Nationen, Wassili Nebensja, der Staatsagentur Tass.

Russland als Schutzmacht

Der Diplomat sah sein Land zuletzt massiver Kritik ausgesetzt, weil die Vetomacht Russland im UN-Sicherheitsrat neue Resolutionen für humanitäre Hilfe in Syrien verhinderte. Seit Jahren schon ist die Rolle Russlands als Rechtsnachfolger der Sowjetunion im UN-Sicherheitsrat umstritten. Zum Selbstbild Russlands aber gehört es, sich als Schutzmacht in Konflikten in Szene zu setzen. Vorwürfe, Kriege wie in Syrien und Libyen zu schüren oder gar wie in der Ukraine eine Besatzungsmacht zu sein, weist das Land zurück.

Ausstellung zur Potsdamer Konferenz

Die Sonderschau im Moskauer Sieges-Museum erinnert nun stolz an die Potsdamer Konferenz, als Sowjetdiktator Josef Stalin vom 17. Juli bis 2. August 1945 im Schloss Cecilienhof Gastgeber eines der wichtigsten politischen Treffen des 20. Jahrhunderts war. Die Ausstellung sei hochaktuell, weil sie gegen Versuche gerichtet sei, die Geschichte des Zweiten Weltkrieges umzudeuten, sagt Museumschef Alexander Schkolnik.

Sowjetunion macht sich bekannt

«Mit der Konferenz wurde das Besatzungsregime gesichert, die deutsche Teilung eingeleitet, die Welt zwischen Sozialismus und Kapitalismus aufgeteilt und der Grundstein für den Kalten Krieg gelegt», meint der Experte Matthias Uhl vom Deutschen Historischen Institut in Moskau. «In Potsdam wurde aber auch der Sieg der Sowjetunion und ihr Status als Supermacht verankert.» Bis dahin sei das Land auf internationaler Bühne kaum wahrgenommen worden.

Daran wolle Putin heute anknüpfen. Uhl bezweifelt aber, ob solch ein Gipfel der Atommächte das richtige Format zur Lösung globaler Probleme sein kann. «Fragen etwa der atomaren Abrüstung sind sicher wichtig. Ich habe aber meine Zweifel, ob ein Denken in diesen Machtkategorien des 20. Jahrhunderts Erfolg haben kann.»

Putin will an Sieg erinnern

Ein wichtiges Ziel Putins sei es heute auch, die Erinnerung an den heroischen Sieg als verbindendes nationalpatriotisches Element in seinem Land wachzuhalten. Mit 27 Millionen Toten habe die Sowjetunion die Hauptlast im Zweiten Weltkrieg getragen, sagt Uhl. Doch zeigt er sich skeptisch, ob sich das Land mit einem Verharren in der Vergangenheit in die Zukunft führen lässt. «Drängende Zukunftsfragen, aber auch die Probleme des Alltags lassen sich mit historischem Gedenken nur begrenzt lösen», sagt er.

Nach der grossen Militärparade im Juni auf dem Roten Platz, der Einweihung eines Denkmals für die Schlacht bei Rschew geht der Erinnerungsreigen an das Ende des Zweiten Weltkrieges auch in den kommenden Monaten weiter. Russland, das sagte Putin bei den Veranstaltungen zuletzt immer wieder, habe die Pflicht, die vielen Opfer und die heute noch lebenden Kriegsveteranen zu ehren.

Kämpfer in Ehren halten

Niemand habe das Recht, die Verdienste der Roten Armee bei der Befreiung Europas vom Hitler-Faschismus zu verhöhnen. In einem grossen Geschichtsaufsatz schrieb Putin im Juni, es sei feige und ekelhaft, wenn heute die zu Ehren der Kämpfer gegen den Nationalsozialismus errichteten Denkmäler in Osteuropa abgerissen würden. (SDA)

Wichtige Daten des Zweiten Weltkrieges

Als der Zweite Weltkrieg in Europa und Asien nach sechs Jahren zu Ende ging, hatten mindestens 55 Millionen Menschen ihr Leben verloren. Die wichtigsten Stationen des Krieges:

  • 1. September 1939: Hitler-Deutschland überfällt Polen. Zwei Tage später erklären Grossbritannien und Frankreich Deutschland den Krieg.

  • 10. Mai 1940: Beginn der deutschen Westoffensive mit dem Einmarsch in die Benelux-Länder. Nach neuntägigem «Blitzkrieg» erobert die Wehrmacht am 14. Juni Paris.

  • 27. September 1940: Dreimächte-Pakt zwischen Deutschland, Italien und Japan. Japan war im Juli 1937 in China einmarschiert.

  • 22. Juni 1941: Nach der Eroberung von Jugoslawien und Griechenland überfällt Deutschland die Sowjetunion - trotz des Nichtangriffspakts von 1939. Im Dezember stockt der Feldzug kurz vor Moskau.

  • 7. Dezember 1941: Die Japaner bombardieren den US-Stützpunkt Pearl Harbour auf Hawaii. Rom und Berlin erklären den USA den Krieg. Japans Siegeszug stockt im Juni 1942 nach der verlorenen Seeschlacht bei den pazifischen Midway-Inseln.

  • 31. Januar 1943: In Stalingrad (heute Wolgograd) ergeben sich die eingekesselten Reste der 6. deutschen Armee. Die Sowjets drängen die Wehrmacht immer weiter zurück.

  • 6. Juni 1944: Alliierte Truppen landen in der Normandie. Im September/Oktober erreichen sie im Westen und im Osten das Reichsgebiet.

  • 30. April 1945: Adolf Hitler begeht in Berlin Selbstmord. Rotarmisten hissen die Sowjetfahne auf dem Reichstag.

  • 7./9. Mai 1945: In Reims (Frankreich) und Berlin wird die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht unterzeichnet. Nach US-Atombombenangriffen auf Hiroshima und Nagasaki im August kapituliert am 2. September auch Japan. (SDA)

Als der Zweite Weltkrieg in Europa und Asien nach sechs Jahren zu Ende ging, hatten mindestens 55 Millionen Menschen ihr Leben verloren. Die wichtigsten Stationen des Krieges:

  • 1. September 1939: Hitler-Deutschland überfällt Polen. Zwei Tage später erklären Grossbritannien und Frankreich Deutschland den Krieg.

  • 10. Mai 1940: Beginn der deutschen Westoffensive mit dem Einmarsch in die Benelux-Länder. Nach neuntägigem «Blitzkrieg» erobert die Wehrmacht am 14. Juni Paris.

  • 27. September 1940: Dreimächte-Pakt zwischen Deutschland, Italien und Japan. Japan war im Juli 1937 in China einmarschiert.

  • 22. Juni 1941: Nach der Eroberung von Jugoslawien und Griechenland überfällt Deutschland die Sowjetunion - trotz des Nichtangriffspakts von 1939. Im Dezember stockt der Feldzug kurz vor Moskau.

  • 7. Dezember 1941: Die Japaner bombardieren den US-Stützpunkt Pearl Harbour auf Hawaii. Rom und Berlin erklären den USA den Krieg. Japans Siegeszug stockt im Juni 1942 nach der verlorenen Seeschlacht bei den pazifischen Midway-Inseln.

  • 31. Januar 1943: In Stalingrad (heute Wolgograd) ergeben sich die eingekesselten Reste der 6. deutschen Armee. Die Sowjets drängen die Wehrmacht immer weiter zurück.

  • 6. Juni 1944: Alliierte Truppen landen in der Normandie. Im September/Oktober erreichen sie im Westen und im Osten das Reichsgebiet.

  • 30. April 1945: Adolf Hitler begeht in Berlin Selbstmord. Rotarmisten hissen die Sowjetfahne auf dem Reichstag.

  • 7./9. Mai 1945: In Reims (Frankreich) und Berlin wird die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht unterzeichnet. Nach US-Atombombenangriffen auf Hiroshima und Nagasaki im August kapituliert am 2. September auch Japan. (SDA)
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