Schönheitswahn in der Intimzone
Bei jungen Frauen boomen Schamlippen-OPs

Der Schönheitswahn dringt mehr und mehr in die Intimzone vor: Die Nachfrage nach Schamlippenkorrekturen explodiert in der Schweiz!
Publiziert: 24.02.2022 um 08:15 Uhr
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Aktualisiert: 24.02.2022 um 12:03 Uhr
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Schönheitseingriffe in der Intimzone boomen: In den letzten fünf Jahren ist die Nachfrage nach Schamlippenkorrekturen in der Schweiz um bis zu 50 Prozent gestiegen.
Foto: Shutterstock
Lea Ernst

Sarah Liechti* (25) hat sich von ihrer Scham getrennt – zumindest von zwei Zentimetern davon. Ihre inneren Schamlippen waren länger, schauten zwischen den äusseren Schamlippen hervor. «Das störte mich extrem», sagt die Zürcherin. Vor einem halben Jahr hat sie sich deshalb unters Messer gelegt. Für 3000 Franken.

Jetzt sind ihre inneren Schamlippen kleiner. Zu sehen ist nur noch: ein Schlitz. Halt wie im Porno. Die äusseren Schamlippen bedecken die inneren komplett. Nachdem bereits Prominente wie Reality-TV-Star Melody Haase (28) oder Schauspielerin Julie Delpy (52) öffentlich über ihre Schönheitseingriffe in der Intimzone gesprochen haben, boomt der Trend nun auch in der Schweiz.

Die Nachfrage nach Schamlippenkorrekturen ist in den letzten fünf Jahren massiv gestiegen. Um bis zu 50 Prozent, schätzt die Schweizerische Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie. Für die Schweiz gibt es keine genauen Zahlen, doch lag die weltweite Anzahl Schamlippenkorrekturen 2020 bei rund 142'000. Fünf Jahre zuvor waren es noch 95'000.

Patientinnen sind 18 bis 25 Jahre alt

Den Trend bemerken vor allem die Schönheitskliniken. Zum Beispiel FineSkin mit fünf Standorten in und um Zürich. Sie bieten seit Herbst Schamlippenkorrekturen an. Pro Woche sind es ein bis zwei Eingriffe von je einer Stunde. Verantwortlich ist der plastische Chirurg Konstantinos Pilichos (55). Er sagt: «Schamlippenkorrekturen haben es innert kürzester Zeit unter die beliebtesten Behandlungen bei uns geschafft.» Neben Brust-OPs, Fettabsaugen und Facelifting.

Die allermeisten seiner Patientinnen sind jung – zwischen 18 und 25 Jahre alt. Eine zweite Gruppe bestehe aus etwas älteren Frauen, die nach der Geburt eines Kindes mit ihrer Vulva nicht mehr zufrieden seien. Pilichos sagt: «Die meisten Frauen, die zu uns kommen, wollen schöner aussehen.» Daneben gebe es auch Patientinnen, die Schmerzen hätten. «Nämlich dann, wenn bei Tätigkeiten wie dem Reiten, Fahrradfahren oder Geschlechtsverkehr Reibung entsteht.» Dass die inneren Schamlippen bei manchen Frauen länger seien, sei genetisch bedingt, so Pilichos.

Dies ist bei Liechti der Fall. Gesundheitlich war die OP bei ihr nicht notwendig. Aber, sagt sie: «Die Vulva sah aus wie der Hals eines Truthahns.» Da sei einfach zu viel raushängende Haut gewesen. Nicht alle empfanden das so. Ihr Ex-Freund sagte ihr immer wieder, wie schön ihre Vulva sei. Doch Liechti beurteilte das anders. «Ich habe ja Augen im Kopf. Ich sah anders aus als andere Frauen.» Sie fand sich als Frau nicht attraktiv, ihre Vulva gar abstossend. Deshalb entschloss sie sich zur OP.

Wertschätzung von klein auf lernen

Fachleute beurteilen den Trend kritisch. Gynäkologin Christiane Kluckert (57) ist die Motivation der Schönheitschirurgen ein Ärgernis: «Mit diesen relativ einfachen Operationen verdienen sie gutes Geld.» Sie würden sich den Frauen gegenüber verständnisvoll zeigen, obwohl diesen mit einem Gespräch über die unterschiedlichen Facetten von Mensch, Körper und Sexualität viel eher geholfen wäre. «Im Übrigen ist noch nie ein Mann auf die Idee gekommen, sich seinen beim Velofahren störenden Penis oder die Hoden verkleinern zu lassen», sagt Kluckert.

Auch Sexologin Dania Schiftan bemängelt die Beweggründe des Eingriffs: «Man schneidet empfindliches Gewebe weg, das hoch erregbar ist.» Oft mache man einen solchen Eingriff, weil man einer anderen Person gefallen wolle. Dies bedeute: Man kann den eigenen Körper nicht so annehmen, wie er ist, schätzt ihn als weniger toll oder wertvoll ein als andere. «Und denkt, dass der eigene Körper nur dann erregend sein kann, wenn er einer bestimmten Norm entspricht», sagt Schiftan.

Wichtig wäre: Frauen sollten ihr Geschlecht schon als kleine Mädchen auf positive Art und Weise kennenlernen dürfen. «Sie sollen lernen, ihre Vulva schön zu finden, sie wertzuschätzen, sie korrekt benennen zu können», sagt Schiftan.

Die Vulva-Galerie

Sarah Liechti stimmt Schiftan zu. Der OP-Entscheid fiel ihr nicht leicht.
Auf Instagram folgt Liechti «The Vulva Gallery» – ein Account mit knapp 800’000 Followern, der die Vielfalt der Vulven zelebriert. Er ist Teil der Social-Media-Bewegung «All Vulvas Are Beautiful» – zu Deutsch: Alle Vulven sind schön. Liechti sagt: «Meine OP fühlt sich an wie ein Verrat an anderen Frauen.» Trotzdem bereut sie sie nicht. «Ich liebe meine neue Vulva», sagt sie. «Ich bin jetzt viel selbstbewusster.»

*Name bekannt

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Vulva oder Vagina?

Fälschlicherweise wird das sichtbare weibliche Geschlechtsorgan meist als Vagina bezeichnet. Dabei ist die Vagina die etwa zehn Zentimeter lange Scheide, die die sichtbaren mit den inneren Sexualorganen verbindet. Der korrekte Begriff für das sichtbare Genital lautet Vulva – damit sind Klitoris, äussere und innere Schamlippen gemeint.

Shutterstock

Fälschlicherweise wird das sichtbare weibliche Geschlechtsorgan meist als Vagina bezeichnet. Dabei ist die Vagina die etwa zehn Zentimeter lange Scheide, die die sichtbaren mit den inneren Sexualorganen verbindet. Der korrekte Begriff für das sichtbare Genital lautet Vulva – damit sind Klitoris, äussere und innere Schamlippen gemeint.

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