Beauty2Go macht an der Zürcher Bahnhofstrasse auf
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Schönheitsindustrie boomt:Beauty2Go macht an der Zürcher Bahnhofstrasse auf

Schönheitsklinik eröffnet Filiale an Zürcher Bahnhofstrasse
Beim Shoppen noch schnell die Lippen aufspritzen

In Zürich, Hochburg für Schönheitseingriffe, hat in bester Lage an der Bahnhofstrasse eine Klinik für die Schönheit «zum Mitnehmen» aufgemacht. Über ein komplett neues und umstrittenes Schönheitsideal.
Publiziert: 13.12.2021 um 01:09 Uhr
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Aktualisiert: 13.12.2021 um 11:35 Uhr
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Rannte man früher noch mit einem Bild des Rachel-Haarschnitts der Serie «Friends» zum Coiffeur, sind heutzutage die Lippen von Kylie Jenner (24) das Objekt der Begierde.
Foto: Lea Ernst
Lea Ernst

Draussen auf der Zürcher Bahnhofstrasse kaufen Passanten Weihnachtsgeschenke, drinnen kriegt Melanie Reusser* (27) ein neues Gesicht. Das glättende Nervengift Botulinumtoxin in die Stirn, polsternde Hyaluronsäure in Lippen, Wangen und Kinn. Gesamtkosten: etwa 730 Franken. Gleich nebenan legt ein DJ auf. Bässe wummern, aufgebrezelte Gäste stossen auf die Eröffnung der Schönheitsklinik Beauty2Go an. An bester Lage kann man sich ab dieser Woche im Vorbeigehen die Lippen aufspritzen oder Falten glätten lassen.

Zürich, Hochburg der Schönheitseingriffe

Weihnachten ist Hochsaison für die Schönheitsindustrie. «Vor den Festtagen frischen die meisten Kundinnen ihre Behandlung auf, um wieder entspannter auszusehen», sagt Alexandra Lüönd (34), Gründerin von Beauty2Go. Rund 90'000 Eingriffe pro Jahr werden laut der Gesellschaft Swiss Plastic Surgery hierzulande durchgeführt. Das umstrittene Geschäft mit der Schönheit aus der Spritze boomt. In Zürich ist die Nachfrage am grössten, wie eine Umfrage der Plattform schoenheitsklinik.info ergab.

Vor fünf Jahren gründete Lüönd Beauty2Go, nachdem sie selber schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Sie wollte sich die Lippen aufspritzen lassen, konnte sich sich vor zehn Jahren jedoch nur telefonisch für eine Behandlung anmelden. Die Preise waren für die damalige Wirtschaftsstudentin hoch. «Als ich endlich einen Termin ergattert hatte, musste ich mich vor einem Arzt rechtfertigen, der fand, ich sei doch attraktiv genug und hätte die Behandlung gar nicht nötig», erzählt Lüönd. Das habe sie geärgert.

Fünf Jahre später ist ihre Klinik für nicht operative Schönheitsbehandlungen in fünf Schweizer Städten vertreten. Neben Kontaktformular und Telefon kann sich die Kundschaft über Instagram, Tiktok oder Whatsapp anmelden. Ob Ärztinnen oder Kundinnen, man ist miteinander per Du. «Vor allem durch Social Media ist das Thema Schönheitsbehandlungen viel salonfähiger geworden», sagt Lüönd.

Instagramfilter als neues Schönheitsideal

Rannte man früher noch mit einem Bild des Rachel-Haarschnitts der Serie «Friends» zum Coiffeur, sind heutzutage die Lippen, Kinnpartie und Katzenaugen der wandelnden Instagramfilter Kylie Jenner (24), Kim Kardashian (41) oder Bella Hadid (25) die Objekte der Begierde.

Filterprogramme und Algorithmen hätten das Schönheitsideal komplett verändert, sagt Schönheitsforscherin und Psychoanalytikerin Ada Borkenhagen (55). «Um in den fotobasierten Medien mehr Likes zu erhalten, braucht es schliesslich das perfekte Selfie.» Schönheit habe schon immer eine wichtige Rolle gespielt, doch heute ist sie keine Frage des Schicksals mehr – sondern eine des Portemonnaies.

Borkenhagen sagt, der Geldbeutel entscheide darüber, «wer schön und gepflegt und wer verbraucht und kraftlos aussieht». Schönheit sei vom glücklichen Zufall zum Statussymbol geworden. Die Schönheitsforscherin ist sich sicher: «Der Trend der medizinästhetischen Eingriffe wird in den nächsten Jahrzehnten zunehmen und bald genauso alltäglich sein wie der Besuch beim Friseur.»

Corona-Boom zieht illegale Anbieter an

Bei Beauty2Go ist die Nachfrage seit Ausbruch der Pandemie um 30 Prozent gestiegen. Die Gründe dafür sieht Thomas Fischer (58), Präsident der Schweizer Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie, unter anderem in den vielen Zoom-Meetings, in denen man den ganzen Tag lang mit dem eigenen Gesicht konfrontiert ist.

Doch der lukrative Markt zieht auch unseriöse Anbieter an: «Die Anzahl unqualifizierter und intransparenter Behandlungen, zum Beispiel in Hinterzimmern kleiner Kosmetikstudios, sind in den letzten Jahren explodiert», sagt Fischer. Obwohl gemäss Swissmedic nur ausgebildete Fachpersonen Substanzen spritzen dürfen, die länger als 30 Tage im Körper bleiben, werde die Branche weder kontrolliert noch reguliert, sagt Fischer. Das sei gefährlich. Denn damit keine Blutgefässe verletzt werden, müsse mit den richtigen Spritzen in die richtige Hauttiefe gespritzt werden. «Bei fehlenden Anatomiekenntnissen kann es zum Absterben ganzer Gesichtsstellen kommen», sagt Fischer.

«Natürlich liegt Schönheit im Auge des Betrachters», sagt Fischer. «Doch immer mehr Menschen mit Schönheitsbehandlungen, die ich auf den Strassen sehe, sehen einfach nur noch absolut grotesk aus.» Dabei sei eine Schönheitsbehandlung nicht einfach ein bisschen Rumspritzen, sondern ein medizinischer Eingriff, sagt Fischer. Von der Gesundheitsbehörde fordert er deshalb endlich strengere Massnahmen.

In Zürich isst Reusser eine halbe Stunde nach dem Spritzen bereits wieder Häppchen und trinkt Champagner. Sie ist zufrieden: «Mit vollen Lippen gefalle ich mir einfach viel besser. Ich wünschte, ich hätte schon viel früher damit angefangen.»

*Name geändert

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