Viele haben für ihren Job vor Ort zu sein, so bei der Bahn, der Post und in zahlreichen Dienstleistungsbereichen. Doch viele Büroangestellte stellen sich nach den Homeoffice-Monaten die Frage, weshalb sie zurück ins Geschäft sollen. Bürojobs lassen sich nicht nur in Zeiten von Corona aus der Distanz erledigen. Erste Schweizer Firmen wie Kuoni erlauben jetzt Angestellten, von Ferienorten aus zu arbeiten.
Ob am Strand, auf einem anderen Kontinent oder an einem Ort, wo man schon immer leben wollte: Sogenannte «Workation»-Aufenthalte für Büroangestellten können irgendwo auf der Welt erfolgen. Workation, das ist ein aus dem Englischen kombinierter Betriff aus Work und Vacation, Arbeit und Ferien. Dies erlaubt jetzt zum Beispiel die Reisefirma Kuoni ihren Mitarbeitern.
Ganz im Einklang mit Schweizer Gesetzen dürfen Kuoni-Angestellte vom Ausland aus arbeiten, wie die «NZZ am Sonntag» berichtet. Der Tourismuskonzern ist prädestiniert für solche Arbeitsferien. Diese sollen den Reiseanbieter auch als Arbeitgeber attraktiv machen. Nicht nur lässt es sich am eigenen Lieblingsstrand oder an einem sonstigen Lieblingsort arbeiten. Workation-Aufenthalte werden noch mit günstigen Reisekosten gefördert.
Knackpunkte Dauer und Zeitverschiebung
Mitarbeiter der Reisefirma Kuoni dürfen seit dieser Woche ganz offiziell im Einklang mit den Schweizer Gesetzen ihr Homeoffice dort aufschlagen, wo es ihnen gefällt. «Während der vergangenen 18 Monate haben wir bereits gute Erfahrungen mit flexiblen Arbeitsmodellen ohne negative Auswirkungen gemacht», sagt Kuoni-Sprecher Markus Flick.
Für Arbeitsferien im Ausland kommen grundsätzlich alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen infrage, deren Job Homeoffice-tauglich ist. Einzige Wermutstropfen: Arbeitsreisen sind auf acht Wochen beschränkt und Destinationen in Europa werden wegen der Zeitverschiebung bevorzugt.
Pionier Wincasa
Auch der in Chiasso angesiedelte Reisekonzern LM Group will Mitarbeitern Workation-Fernarbeit erlauben – was das Immobilienunternehmen Wincasa übrigens schon letztes Jahr tat. Ein ganzes Team wurde für einen Workation in die Bündner Berge geschickt und es folgten weitere ähnliche Projekte. Dies zeige laut Wincasa-Personalchefin Ines Doherr auch auf, dass Fernarbeit nicht weit weg erfolgen oder auf eine Einzelperson beschränkt sein müsse.
Wincasa ist ein Pionier auf dem Gebiet. Seit 2019, bereits vor Corona, sind aufs Jahr gerechnet 50 Prozent Fernarbeit erlaubt. Dies, während die Vorbehalte in vielen Schweizer Chefetagen allerdings noch gross sind. Nicht alle haben einen Job am Computer. Das kann zu Spannungen im Betrieb und zu Neid führen, wenn ein Teil der Belegschaft die Arbeit pötzlich unter Palmen verrichtet. Im August musste SBB-Chef Vincent Ducrot (59) zahlreiche Mitarbeiter zurückpfeifen, die sich aus dem Ausland eingeloggt hatten. Es habe in jedem Ferienparadies Mitarbeiter, soll Ducrot geschimpft haben.
Arbeitswelt der Zukunft
Workations sind wohl kaum mehr aus der Arbeitswelt wegzudenken. Attraktive Arbeitsbedingungen sind nicht zuletzt ein wichtiger Faktor im Werben um Talente. Es brauche jedoch Regeln und Ziele, damit die Effizienz, die Leistung und das Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb einer Firma nicht leiden, wird Aurelie Litynski zitiert, Expertin für Zufriedenheit am Arbeitsplatz und Gründerin der Beratungsfirma Happitude at Work. Gelinge dies, so Litynski, werden Workations «definitiv ein Teil der Arbeit der Zukunft». (kes)