Ich tippe diese Zeilen auf dem Segelschiff Starclipper. Ein leichter Wind bläht die Segel, während der tropische Regenwald Costa Ricas in Zeitlupe an mir vorbeischwebt und ein paar Delfine in der Bugwelle herumtanzen. An diesem sonnendurchfluteten Tag gibt es nichts zu tun. Ich geniesse das Leben und lasse meine Alltagssorgen davonflattern. Die Costa-Ricaner haben für dieses unbeschwerte Lebensgefühl sogar einen Namen, der zum Landesmotto geworden ist: Pura Vida, das reine Leben. Und wenn das nicht schon Glück genug wäre, verdiene ich mit dem Herumfaulenzen auch noch mein Geld.
Habe ich mir da also einen Traumjob geangelt? Ja und nein. Im Ausland als Sohn eines Bauingenieurs in der Entwicklungshilfe aufgewachsen, ist mir das Interesse für fremde Kulturen in die Wiege gelegt worden. Und so war es nur logisch, dass ich daraus einen Beruf machen wollte. Und nach ein paar Purzelbäumen des Schicksals bin ich es wirklich geworden: ein Reisejournalist.
Reisejournalismus: time is money
Mit meiner einstigen romantischen Vorstellung hat der Beruf allerdings wenig zu tun: Lange Zeit an einem Ort verbringen, tief in die Kultur eintauchen, abseits der ausgetretenen Pfade nach den überraschendsten Geschichten suchen, so etwas erlebe ich nur während meiner privaten Reisen. Bin ich beruflich unterwegs, lautet das Motto: maximale Erlebnisse in so wenigen Tagen wie möglich. Eine Woche Australien, Kanada oder Südafrika sind die Regel. In Thailand war ich einmal nur für fünf Tage.
Woran das liegt? Reisejournalisten werden von Destinationen, Regionen oder Reiseveranstalter eingeladen. Und in Zeiten knapper Budgets gilt: time is money.
Kaum freie Wahl des Reise-Programms
Die Tage vor Ort sind dementsprechend vollgestopft: Velotour zum Sonnenaufgang, Zmorgen mit lokalem Reiseveranstalter, Hotelbesichtigung, Treffen mit einem Schweizer vor Ort. Danach Museumsbesuch, Zmittag mit einer Delegation vom Tourismusverband, dreistündiger Transport zum nächsten Ort, dazwischen Besuch bei einem Wasserfall, Stadtrundgang, Einchecken im Hotel mit anschliessendem Abendessen mit dem Manager. Dann erschöpft ins Bett fallen und am nächsten Tag geht es im gleichen Stil weiter.
Als Reisejournalist ist man oft komplett fremd bestimmt. Pressereisen sind Geschäftsreisen mit all den negativen Eigenschaften, die solche Trips eben haben, auch wenn manche Insta-Story etwas anderes vorgaukelt. Denn oft ist das Bild vom Cocktail am Traumstrand in einer halben Stunde entstanden, währen man den Followern suggeriert, man hätte den ganzen Tag nichts anderes gemacht.
Reisejournalist – manchmal der schönste Beruf der Welt
Dennoch: Reisejournalist zu sein, empfinde ich als ein Privileg, für das ich dankbar bin – selbst für die stressigsten Reisen, auf die ich eingeladen werde. Manchmal ist es nur ein Job, für den ich mich morgens aus dem Bett quäle (auch wenn das Hotel am anderen Ende der Welt liegt).
Und in anderen Momenten ist es für mich der wundervollste Beruf der Welt, insbesondere wenn ich nicht von Termin zu Termin hetzen muss. So wie auf der einwöchigen Segel-Cruise vor Costa Rica, bei der ich genauso wenige Verpflichtungen hatte wie die zahlenden Gäste. Dann fühlt es sich an wie Ferien während der Arbeitszeit.