Mutprobe in den Alpen
Warum Frauen mehr Angst haben als Männer

Mein erster Klettersteig, der mich auf den Gipfel des Rotstock bei Grindelwald führte, war ein prägendes Erlebnis. Ein persönlicher Bericht über das Abenteuer und darüber, warum meine Ängste vielleicht auch damit zu tun haben, dass ich eine Frau bin.
Publiziert: 28.10.2024 um 18:12 Uhr
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Aktualisiert: 29.10.2024 um 10:29 Uhr
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Die Aussicht vom Rotstock belohnt den Aufstieg über den Klettersteig.
Foto: Debora Baumann

Auf einen Blick

  • Klettertour entlang der Eiger-Nordwand auf den Rotstock
  • E-Biketour, luxuriöses Spa und kulinarische Mehrgänge-Menüs
  • Diskussionen über Steigeisen wegen Eis auf dem Berg
  • Wenige Zentimeter vom Abgrund entfernt
  • Frauen haben oft Angst, aber meist ohne Grund
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Debora BaumannSocial Media Manager

Eine Woche davor spielte ich noch mit dem Gedanken, Ausreden zu finden. Fünf Tage vor dem grossen Tag begann ich, mich fast darauf zu freuen. Drei Tage vorher zeigte mir ein Kollege Youtube-Videos vom Aufstieg. An dem Tag fing ich mit Liegestützen als Vorbereitung an – ob das wirklich half, weiss ich nicht. Doch spätestens, als ich das Hotel Bergwelt in Grindelwald betrat und meine Reisegruppe kennenlernte, war klar, es gibt kein Zurück: In zwei Tagen würde ich am Rande der Eiger-Nordwand entlang auf den Rotstock klettern.

Eine E-Biketour mit atemberaubendem Ausblick, ein luxuriöses Spa, kulinarische Mehrgänge-Menüs und aufmunternde Worte hielten mich auf Kurs – trotz der wachsenden Anspannung.

Am Tag der Klettertour gab es Diskussionen: Sollten wir Steigeisen mitnehmen? Oben lag Eis, das war beunruhigend. Schliesslich entschieden wir uns, sie vorsichtshalber einzupacken. Ich schrieb meinem Freund noch in der Gondelbahn, er soll alle meine Kleider meiner Schwester vererben, bloss zur Sicherheit. Der Weg zum Klettersteig war tückisch und eisig, der Abgrund nur wenige Zentimeter entfernt. Doch die Eisen blieben im Rucksack. Von der Aussicht auf dem ersten Streckenabschnitt bekam ich leider nicht viel mit, zu konzentriert war ich darauf, sicher voranzukommen. Ich werde mir das Panorama zu Hause auf den Fotos in Ruhe ansehen.

Die Ruhe vor dem Sturm

Kurz vor dem eigentlichen Aufstieg zogen wir unsere Kletterausrüstung an, dann ging es los. Ich liess meine Angst am Einstieg zurück. Sobald ich die Karabiner in die Seile einhakte, verschwanden alle Sorgen. Kein Moment der Unsicherheit, kein Gedanke daran, dass etwas schiefgehen könnte. Unser Guide führte uns souverän, und aus dem Hintergrund hörte ich die motivierenden Worte der Hoteldirektorin. Zu meiner Überraschung machte mir das Klettern sogar Spass.

Oben angekommen, fühlte sich der atemberaubende Ausblick nicht wie eine Belohnung an, sondern einfach wie der krönende Abschluss eines schönen Abenteuers. Nur mein schmerzendes Hinterteil erinnerte mich noch an die E-Biketour.

Feminismus in den Alpen

Nach dem erfolgreichen Aufstieg, stellte unser Guide im Bergrestaurant Eiger etwas Interessantes fest: Warum gibt es auf den Bergen mehr Männer als Frauen? «Frauen haben mehr Angst», meinte er. Zuerst wollte ich widersprechen. Doch vielleicht hatte er recht. Ich hatte Angst, man erinnere sich an den Anfang des Artikels. Und ich bin eine Frau. Trotzdem kam ich ohne Weiteres da hoch und hatte nicht mehr Schwierigkeiten dabei als meine männlichen Begleitungen.

Woher kommt also diese Angst? Manche Frauen haben oft Angst – aber oft ohne Grund. Von klein auf werden Jungen dazu ermutigt, mutig und unabhängig zu sein, während Mädchen eher dazu angehalten werden, vorsichtig und empathisch zu handeln. Das haben mehr als genug Studien erwiesen und ich denke auch, die persönlichen Erfahrungen aller zeigen dies zur Genüge auf. Am Ende bleibt mir aber nur die Erkenntnis: Angst gehört dazu, aber sie sollte und wird uns nicht aufhalten.

Dieser Beitrag entstand im Rahmen einer Pressereise. 

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