Samir ist Kamelführer. Und ein Schwärmer. Während wir auf unseren Kamelen schwanken wie Palmwedel im Wind, zeigt er in das Dünenmeer: «Hier könnte ich jede Frau bezirzen!» Ein Kunststück ist das freilich nicht: Die Wüste im südlichen Tunesien erweicht bei Sonnenuntergang selbst die verstocktesten Herzen: Zu märchenhaft sind das Farbenspiel, die Silhouette der Kamele und die Dünen, die sich bis zum Horizont ziehen.
«Aber», so sagt der jugendliche Single, «manchmal träume ich von zwei Litern Wein und einem Kilo Leber.» Leber ist eine Delikatesse und dementsprechend teuer. Samir kann sich weder Freundin noch Leber leisten, denn die Touristenzahlen sind im Keller. Kaum jemand bucht seine Sonnenuntergangstouren.
Die Tourstenzahlen erholen sich langsam
Grund sind zwei Terrorangriffe im Jahr 2015 mit verheerenden Folgen für Hotels, Reiseführer und Co. Mittlerweile hat sich die Sicherheitslage beruhigt – so gut, wie sie derzeit weltweit eben sein kann. An den touristischen Hotspots patrouillieren Polizei und Sicherheitskräfte. Langsam gewinnen die Touristen das Vertrauen zurück: Die Zahlen steigen. Sieben Millionen Gäste kamen letztes Jahr, davon etwa 24 000 aus der Schweiz.
Bekannt ist Tunesien vor allem für die kilomeerlangen Sandstrände und guten Beachhotels auf der Insel Djerba. Weniger bekannt sind die Sehenswürdigkeiten im Landesinnern: römische Geschichte, arabische Baukunst und Wüstenflair. Das nordafrikanische Land ist kompakt: Die touristischen Hotspots verteilen sich auf eine Fläche kleiner als die Schweiz. Sprich, auf einer organisierten Tour oder mit dem eigenen Mietwagen kann man schnell einige Highlights abklappern.
Wir starten mit unserer «Tour de Tunisie» in der Hauptstadt Tunis; einem Mischmasch aus orientalischem Flair und westlichem Lebensstil. In den modernen Vierteln fühlt man sich wie in einer südfranzösischen Stadt. Uns zieht es allerdings zum Markt in der Medina. Die Altstadt ist ein instagramtaugliches Gewirr aus Gassen, Herrschaftshäusern und Moscheen. Und ein Angriff auf das Bewusstsein. Farben und fremdartige Laute bombardieren die Sinne. An manchen Ecken gesellt sich ein «Tschit-tschit» zu dem Klangteppich: Teppichweber bei der Arbeit.
In Tunis muss man sich treiben lassen
Wir lassen uns treiben – selbst mit Stadtplan verlieren wir die Übersicht – doch so viel wir auch sehen, es ist nur die Oberfläche. Eine arabische Altstadt ist eine Welt der Innenhöfe. Ähnlich wie in einem christlichen Kreuzgang gehen von einem Innenhof die Zimmer ab, oft verziert mit Ornamenten und farbigen Fliessen – ein Mitbringsel der Araber aus Spanien. Manche der alten Herrschaftshäuser sind zu Restaurants oder Cafés umgebaut worden und erlauben einen Einblick in eine Luxus- Welt. Unbedingt hineingehen!
Auch 300 Kilometer weiter südlich bleibt man dem Bauprinzip treu. Allerdings hat man in der Region Matmata die Häu er in den Fels gehauen. Viele der Höhlen sind noch bewohnt, auch wenn wenige Kilometer weiter moderne Häuser stehen. «Das Leben in den Felsenwohnungen ist viel gesünder», erzählt uns eine Frau, die mit Mann, Kinder und Oma in vier Felsenzimmern lebt.
Zur Begrüssung hat sie ein Fladenbrot gebacken. Dazu gibt es Honig mit Olivenöl und einen Chai. Der papp-süsse Minztee ist sozialer Schmierstoff. Erst wenn man gemeinsam Tee getrunken hat, ist man als Gast akzeptiert. Ob die Höhlenwohnungen nicht unpraktisch seien, wollen wir wissen. Nein, die Felsenhäuser seien perfekt, sagt die Hausherrin. «Im Winter sind sie warm, im Sommer kalt.» Mit Schweizer Augen wirkt das Leben ärmlich, doch die Familie besitzt einige Olivenbäume und Schafe – das ist hier am Rande der Wüste schon viel. «Und», grinst die Hausherrin zwinkernd, «manchmal kaufen mir Touristen einen selbst gewebten Teppich ab.» Araber haben das Handeln im Blut.
Cineasten kennen die Höhlen übrigens aus den ersten «Star Wars»-Filmen: Regisseur George Lucas nutzte das surreale Setting als Behausung für den jungen Luke Skywalker. Überhaupt wähnt man sich im Süden des Landes, wo die grosse Sandwüste beginnt, oft in einem Filmset.
Wie im Märchen
An unserem letzten Tag im Süden Tunesiens tauchen kurz vor Sonnenaufgang Hunderte Kamele aus dem Morgendunst auf. Indigofarbene Umrisse vor einem blassblauen Gebirge. Atemwolken kringeln sich vor den breiten Mäulern der Tiere. Die Kamelhirten haben sich gerade unter ihren Decken hervorgerollt und stehen um ein Feuer, auf dem eine verkohlte Teekanne dampft. Ähnlich wie auf der Alp hüten Hirten in der Steppe die Tiere verschiedener Bauern. Gezüchtet werden die weiblichen Dromedare für den Verzehr. Die Zeiten, als Kamelkarawanen durch die Wüste zogen, sind auch hier längst vorbei.
Der Aufseher lädt uns zum Zmorge ein: Fladenbrot und Tee. Wir sitzen um das Lagerfeuer, das im kalten Wüstenwinter leidlich Wärme spendet. Das einzige Teeglas macht die Runde. Und um uns herum stehen 1001 Kamele, die in den stillen Morgen blöken. Ganz grosses Kino. Mit der passenden Kulisse.
Tunesien bietet mehr als Badeferien – zum Beispiel Kultur aus drei Jahrtausenden. Tunesien zählt mehr Weltkulturerbe-Stätten als Ägypten. Zum Beispiel in El Djem. Das hiesige Kolosseum ist das drittgrösste der Welt – und deutlich besser erhalten – und deshalb eindrücklicher als das Vorbild in Rom.
Tunesien bietet mehr als Badeferien – zum Beispiel Kultur aus drei Jahrtausenden. Tunesien zählt mehr Weltkulturerbe-Stätten als Ägypten. Zum Beispiel in El Djem. Das hiesige Kolosseum ist das drittgrösste der Welt – und deutlich besser erhalten – und deshalb eindrücklicher als das Vorbild in Rom.
Informationen
Von Genf und Zürich fliegt Tunis Air direkt nach Tunis oder Djerba. Für die Einreise benötigt man einen Reisepass. www.tunisair.com
Informationen: www.discovertunisia.ch