Auf einen Blick
Mehrsprachigkeit hat nicht nur den Vorteil, dass man mit vielen Leuten kommunizieren kann, sondern wirkt sich laut Studien bei Kindern auch positiv auf die kognitiven Fähigkeiten aus. Mulitlinguale Erziehung kann aber auch eine Herausforderung sein, sagt Raphael Berthelé, Professor für Mehrsprachigkeitsforschung an der Universität Fribourg. Seine wichtigsten Tipps:
Keine Ziele verfolgen
«Familien sollen einfach locker den Alltag leben und in den verschiedenen Sprachen miteinander kommunizieren. Das Wichtige ist, nicht krampfhaft zu versuchen, irgendwelche idealisierten Zielvorstellungen zu erreichen. Das bedeutet auch, zu akzeptieren, dass die Kompetenzen nicht in allen Sprachen gleich gut sind. Zu erzwingen, dass das Kind drei Sprachen perfekt beherrscht, kann kaum gut für das Familienklima sein und ist für alle Beteiligten nur mühsam.»
Keine zu fixen Strukturen
«Viele mehrsprachige Familien wenden das ‹One-Person-One-Language-Prinzip› an, bei dem jeweils eine Person konsequent nur eine Sprache mit dem Kind redet. Ganz stur sollte man hier nicht sein. Wenn die Eltern zusammen Deutsch sprechen, mit dem Kind aber zum Beispiel der Vater Französisch redet, merkt das Kind natürlich, dass dieser auch Deutsch kann. Da kann es sein, dass das Kind dem Vater auf die französische Frage in Deutsch antwortet.
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Kinder haben anfangs vielleicht noch keine Namen für verschiedene Sprachen, verstehen aber schon sehr früh, dass es für die gleichen Sachen unterschiedliche Bezeichnungen gibt. Sie verstehen auch, dass der Vater zum Beispiel auf eine andere Art mit den Grosseltern redet als mit der Mutter. Dass Kinder die verschiedenen Sprachen vermischen, ist völlig normal. Wir machen das ja auch, und es bedeutet nicht, dass wir die Sprachen nicht unterscheiden können.»
Kein Zwang
«Es gibt Kinder, die sich weigern, eine bestimmte Sprache zu sprechen. Ein Grund dafür kann sein, dass Kinder oft gleich sein wollen wie Gleichaltrige. Und wenn im Umfeld keine anderen Kinder diese Sprache sprechen, können sie sie ablehnen. In so einem Fall soll man als Familie einfach weiter mehrsprachig kommunizieren, und das Kind so antworten lassen, wie es möchte.»
Einen Bezug zur Sprache schaffen
«Die Sprache des Elternteils, der weniger Zeit mit dem Kind verbringt, und die auch nicht eine lokal gesprochene Sprache ist, wird sich wahrscheinlich weniger schnell und weit entwickeln beim Nachwuchs. Das heisst nicht, dass das Kind die Sprache nicht kann. Es versteht sie vielleicht und kann ein bisschen reden, andere Sprachen wird es aber besser können. Wenn man eine Sprache kaum benutzt, lernt man sie auch nicht. Fördern kann man sie zum Beispiel mit Ferien in dieser Sprachregion, oder in dem man systematisch Kontakt zu Familienmitgliedern herstellt, die diese Sprache sprechen. Damit das Kind einen Bezug zur Sprache bekommt und sie präsent bleibt.»
Natürlichkeit zählt
«Man hört immer wieder, dass Eltern mit ihrem Kind Englisch reden, obwohl es nicht ihre eigene Muttersprache ist, weil sie es wichtig finden, dass das Kind gut Englisch kann. Da wäre ich vorsichtig. Ich glaube, man sollte mit dem Kind in einer Sprache reden, bei der man das Gefühl hat, dass man so natürlicherweise reden würde.»