Ratlos steht Bauer Andrea Zanini (50) auf seinem Feld. Der Boden ist knochentrocken und mit feinen Rissen übersät. Die graue Erde rieselt wie Pulver durch seine Finger. «Ich habe zum ersten Mal sardischen Süssklee gesät», sagt Andrea Zanini, «der gedeiht auch bei grosser Trockenheit. Doch er verträgt keinen Frost». In einigen Nächte aber gab es in diesem Winter im Südtessiner Novazzano TI Minusgrade. Der Klee scheint tot. «Mit der Ernte wird es nichts», sagt der Tessiner und wiegt enttäuscht den Kopf.
Auch sein Weizenfeld bereitet Sorgen. «Es ist schon jetzt im Februar gelb. Dabei ist Weizen eigentlich winterfest», sagt Zanini. Der Grund sei, so der Landwirt, das Grundwasser. «Es ist so niedrig wie normalerweise im Juli. So einen Pegel habe ich im Winter noch nie beobachtet.» 2021 sei schon ein schlechtes Jahr gewesen, 2022 war katastrophal, sagt der Bauer, «und jetzt droht schon wieder eine Jahrhundertdürre. Ich weiss nicht, wie das weitergehen soll».
Mais-Produktion ging 2022 um 90 Prozent zurück
Andrea Zanini hat 30 Hektar Land und meist Grünlandpflanzen und Mais angebaut. Bereits 2022 ging die Futterproduktion aus Mais um 90 Prozent zurück. Vom Heu erntete der Landwirt nur 20 Prozent. Es reichte nicht einmal, um das eigene Vieh zu ernähren. «Wir haben fast alle unsere Mutterkühe verkauft», sagt Zanini. Sein Sohn will den Betrieb nicht weiterführen, «er ist jetzt LKW-Fahrer».
Voller Erwartung verfolgt Andrea Zanini die Wetterprognosen. «Dort wurde für die Tage Regen angekündigt, doch gefallen sind nicht mehr als ein paar Tropfen», sagt der Bauer, «ich bin ja kein Nostradamus, aber 2023 könnte sogar schlimmer werden als das Jahr zuvor.» Laut MeteoSchweiz bräuchte es 30 bis 35 Tage Dauerregen, um das Defizit aufzufangen. Doch Niederschläge sind nicht in Sicht. Und, so warnt der Landwirt, da die Dürren nun kein aussergewöhnliches Ereignis mehr seien, könnten Versicherungen sich weigern, für die zukünftigen Schäden aufzukommen.
Absolutes Feuerverbot im Freien
Weiter südlich jenseits der Schweizer Grenze, alarmiert der Wasserstand des Flusses Po. Der Strom ist streckenweise nur noch halb so breit und bahnt sich seinen Weg durch auftauchende Sandbänke zwischen vertrockneten Ufern. Auch in Norditalien hat es seit Anfang Januar 2022 nur halb so viel geregnet wie in den Jahren zuvor. Weizen- und Reisernten sind bedroht. Seit 14 Monaten liegt der Wasserpegel des Lago Maggiore, der den Po speist, unter dem Mittelwert. Sollte die Dürre anhalten, ist ein neuer Streit zwischen der Südschweiz und Norditalien vorprogrammiert. Schon 2022 forderten die Italiener, dass die Tessiner ihre Staudämme öffneten, um den See zu füllen. Doch die Stauseen im Tessin sind wegen der Trockenheit nur zu 30 Prozent gefüllt, meldet das Bundesamt für Energie (BFE).
Sorgen ganz anderer Art haben die Feuerwehren. Seit dem 3. Februar 2023 gilt im Tessin und in Südbünden ein absolutes Feuerverbot im Freien wegen erheblicher Waldbrandgefahr. Drei Viertel der Brände würden von Menschen verursacht, sagt Nicola Calanca vom kantonalen Amt für Naturkatastrophen und mahnt, «offene Feuer in Waldnähe oder nahe an trockener Vegetation, die Nutzung von Geräten, die Funken sprühen, das Grillen sowie Abbrennen von grünem Abfall oder die Entsorgung von Asche aus Öfen und Kaminen im Freien sind strengstens untersagt».