Beginnen wollen wir unsere Rundreise zu den schönsten Kirchen der Schweiz im 8. Jahrhundert. Damals, so erzählt die Legende, soll kein Geringerer als Karl der Grosse im Val Müstair ein Kloster gestiftet haben. Die heutige Anlage des Benediktinerinnenklosters St. Johann GR ist allerdings ein Konglomerat verschiedener Baustile; Unesco-Welterbe-Status erlangte die Abtei für seine Originalfresken aus den Anfangsjahren – keine Kirche weist eine solch komplette Bemalung aus dem frühen Mittelalter auf. Wer sich hier Zeit nimmt, den Kirchenraum und die Fresken auf sich wirken zu lassen, kann auch heute noch die Innerlichkeit der mittelalterlichen Religiosität empfinden.
Das gilt auch für die kleine romanische Kirche in Rougemont VD, unweit von Gstaad BE, am anderen Ende der Schweiz. Romanische Kirchenbauten gibt es hierzulande einige (beispielsweise das eindrückliche Basler Münster), die kleine Dorfkirche Saint-Nicolas auf dem Gelände von Château-d'Oex VD ist ein besonders schönes Beispiel. Der kleine Kirchenraum besteht aus nackten, sandfarbenen Steinen, die nur mit ein paar wenigen Malereien geschmückt sind. Konzentration auf das Wesentliche lautet hier die Devise.
Die schönste gotische Kathedrale steht in Lausanne
Während romanische Kirchen in ihrem Duktus eher gedrungen wirken, strebt die nachfolgende Gotik ab dem 13. Jahrhundert in die Höhe. Verbesserte Bautechnik lässt hohe, lichtdurchflutete Räume entstehen, die den Menschen zu Gott führen möchten. Das schönste Beispiel einer gotischen Kathedrale in der Schweiz steht in Lausanne. Die Kathedrale Notre-Dame mit ihren feingliedrigen Spitzbögen ist Gotik in ihrer schönsten Form. Geweiht wurde das Gotteshaus übrigens im Jahr 1275 im Beisein von Papst Gregor X. und Rudolf I. von Habsburg – hoher Besuch.
Nach der Gotik kam Barock
Die berühmtesten Kirchenbauten Europas sind in der Gotik entstanden (Notre-Dame Paris, Kölner Dom). Der nächste grosse Entwicklungsschritt in Kunst und Architektur – wenn wir ein paar Zwischenstufen nonchalant überspringen –, der berühmte Werke hinterliess, ist der Barock des 17. und 18. Jahrhunderts.
In der Schweiz hat beispielsweise Solothurn eine grosse Dichte an barocken Bauten. Der erste sakrale, also kirchliche Barockbau der Schweiz steht an den Ufern des Vierwaldstättersees in Luzern unweit der Kapellbrücke: die Jesuitenkirche St. Franz Xaver, die dem Stadtpatron gewidmet ist.
Typisch Barock dominieren Stuckverzierungen, Vergoldungen und opulente Deckengemälde den Innenraum. Wichtig waren den barocken Baumeistern zudem harmonische Grössenverhältnisse. Der Raum an sich wurde zum Kunstwerk. Weitere Beispiele sind die Stiftskirche in St. Gallen und die Wallfahrtskirche in Einsiedeln SZ. Doch die barocke Prunksucht ist nicht jedermanns Sache – es geht auch schlichter.
Modernere Kirchen
Nur ein paar Kilometer weiter kann man ein ganz anderes geartetes Kirchen-Erlebnis geniessen. Die Piuskirche (1960er-Jahre) in dem kleinen Dorf Meggen LU gleicht von aussen einer Turnhalle, bietet im Innern aber das wohl schönste Farbenspiel der Schweiz. Der kubische Bau besteht aus einer Stahlkonstruktion, die mit drei Zentimeter dünnen Marmorplatten verkleidet ist, durch die das Licht schimmert.
Zum Abschluss unserer Kirchen-Tour durch die Schweiz und die Jahrhunderte machen wir noch einen Abstecher in die Gemeinde Hérémence VS in der Nähe von Sitten VS. Hier hat der Architekt und Bildhauer Walter Maria Förderer eine seiner vielen wiedererkennbaren Kirchen realisiert (1971). Ein Bau aus reinem Sichtbeton, der sich durch seine kühle Steinwirkung wunderbar in die Berglandschaft einfügt.