Sie ist eine der wenigen, die im deutschsprachigen Raum zur Vater-Kind-Beziehung forscht. In ihrem neusten Buch «Auf die Väter kommt es an» gibt Liselotte Ahnert (72) einen Überblick über Erkenntnisse aus der eigenen und internationalen Forschung zu diesem Thema. Die Deutsche ist emeritierte Professorin für Entwicklungspsychologie des Instituts für Psychologie der Universität Wien und Gastprofessorin an der Freien Universität Berlin. Drei konkrete Verhaltensweisen sind für sie massgeblich dafür, wie Männer anders mit ihren Kindern umgehen als Frauen.
Väter stellen mehr Fragen
«Was ist das für ein Tier?», «Wo fährt der Traktor jetzt hin?, «Warum willst du nicht mit dem Hund spielen?»: Diese Fragen stellten Väter im Spiel mit ihren Töchtern und Söhnen im Rahmen einer Studie aus dem Jahr 2017.«Väter wollen von ihrem Nachwuchs viel öfter wissen, warum etwas ist, wie es ist», sagt die deutsche Entwicklungspsychologin Liselotte Ahnert.
Alles deute darauf hin, dass sich Väter auf diese Weise die Welt des Kindes erschliessen, während Mütter auch aus vielen anderen Informationen Einblicke in die Psyche ihres Kindes gewinnen. Zum Beispiel, wie es sich in ganz bestimmten Situationen verhalte. «Ich glaube, dass diese Unterschiede viel mit der Zeit und den Möglichkeiten zu tun haben, mit dem Kind zusammen zu sein.»
Bei Müttern habe man oft das Gefühl, sie wüssten schon, was ihr Kind sagen wolle, bevor dieses überhaupt erst den Mund aufmache. Oder sie wiederholen unvollständige und fehlerhafte Sätze in korrekter Form: «Papa Arbeit?» «Stimmt. Der Papa ist jetzt bei der Arbeit. Aber er kommt ja heute Abend wieder.» «Tommt wieder!» «Er kommt wieder und liest dir dann aus deinem Buch vor.»
Während das Wiederholen der Mütter wichtig sei, um eine korrekte Sprache zu fördern, steigerten die Fragen des Vaters die Mitteilungsfreude des Kindes, sagt Ahnert. «Für die Sprachentwicklung ist beides wichtig.»
Väter lassen Kinder ungern gewinnen
In mehreren Studien, sagt Ahnert, hätten Forscherinnen und Forscher beobachtet, dass Väter eine Vorliebe für Spiele mit Regeln haben und die Regeln viel ernster nehmen als Mütter. Das führt dazu, dass männliche Bezugspersonen Kinder nicht gewinnen lassen – oder zumindest nicht immer, wie Frauen und Grossmütter es häufig tun.
Solange die Spielfreude erhalten bleibe, könne das einen positiven Effekt auf das Kind haben, sagt Ahnert. Sie weist auf den deutschen Psychologen Julius Kuhl (76) hin, der zu diesem Thema forschte. Wenn Kinder nur gewinnen wollen, sagte er, würden sie ein unangemessenes Wettbewerbsverhalten entwickeln. Man müsse ihnen vermitteln, dass es ganz normal ist, mal zu gewinnen und mal zu verlieren – und dass nicht das Endergebnis zähle, sondern die eigenen Anstrengungen.
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Väter spielen wilder
Dass Väter wilder mit Kindern spielen als Mütter, ist naheliegend. Lange Zeit befürchteten vor allem Frauen, dass das Balgen der Männer das Aggressionspotenzial der Söhne steigert. (Töchter sind bis heute weniger Teil dieser Spiele.)
Doch das Gegenteil sei der Fall, sagt Ahnert. Darauf weist eine Studie hin, die das generelle Verhalten von Kindern, die bei «Rauf- und Tobespielen» mit ihren Vätern gefilmt worden waren, von Kindergarten- und Schulpersonal beurteilen liess. Sie waren weniger aggressiv und ausgeglichener im Umgang mit anderen Kindern und wurden als verträglicher und beliebter als die meisten anderen Kinder eingeschätzt.
Das liegt laut Ahnert unter anderem daran, dass sich die Kinder in einem geschützten Rahmen aggressiv verhalten durften und gleichzeitig spielerisches, aggressives Verhalten erlebt haben von jemandem, dem sie vertrauen.
Sie konnten sich also besser auf reale Situationen dieser Art einstellen und reagierten zum Beispiel nicht gleich emotional, wenn sie mal von jemandem geschubst oder auf eine andere Art attackiert wurden.