«Meine Mutter Géraldine sieht mich als Zirkusdirektor»
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Zirkus-Star Ivan Knie:«Meine Mutter Géraldine sieht mich als Zirkusdirektor»

Mama Géraldine muss loslassen
Chanel Knie zeigt ersten eigenen Wohnwagen

Diese Saison geht Chanel Knie mit ihrem eigenen Wohnwagen auf Tournee mit dem Circus Knie. Die Teenagerin nabelt sich langsam vom Elternhaus ab – und bleibt gleichzeitig ganz verbunden mit der Dynastie. Eine Expertin erklärt, wie Familien diesen Balanceakt meistern.
Publiziert: 07.03.2025 um 16:13 Uhr
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Aktualisiert: 07.03.2025 um 16:30 Uhr
Maycolino liebt es, die Geburtstage seiner Geschwister zu feiern. Am 4. März stieg die Party zu Chanels 14. Geburtstag.
Foto: Fabienne Bühler

Auf einen Blick

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Sylvie Kempa
Schweizer Illustrierte

Eine junge Frau reitet auf einem Schimmel durch die Manege des Circus Knie. Ihr langes schwarzes Haar wippt im Trab des Pferdes mit. Eine Szene wie ein Déjà-vu. Doch es ist nicht die junge Géraldine Knie (52) die hier durchs Sägemehl reitet, sondern ihre Tochter Chanel (14). Aus dem kleinen Zirkusmädchen ist ein Teenager geworden. Oder wie ihr Halbbruder Ivan (23) sagt: «Eine clevere junge Dame.» Er probt täglich mit Chanel für ihre Nummer in der Show «It’s Magical!», die am 7. März in Rapperswil SG Premiere feiert.

Wie einst ihre Mutter Géraldine Knie wird Chanel diese Saison auf einem Schimmel durch die Manege traben.
Foto: Keystone

Gerade übt die Technik den Einsatz einer neuen Lichtinstallation. Chanel lässt sich davon nicht ablenken. Konzentriert gibt sie ihrem Hengst Laureus Anweisungen und lobt ihn, wenn er seine Dressurschritte meistert. «Sie ist sehr diszipliniert», sagt Ivan.

Ivan, Géraldine Knies Erstgeborener, ist der grosse Halbbruder und ein Vorbild für Chanel und Maycolino.
Foto: Fabienne Bühler

«Als ich in Chanels Alter war, interessierte ich mich noch nicht gross fürs Business. Ich wollte reiten und spielen.» Sie hingegen sei fleissig und an allem interessiert. «Sie ist in der zweiten Sek und bringt fast nur Sechser heim. Mit einem Fünfeinhalber ist sie nicht zufrieden», meint er und lacht.

Zirkusleben erschwert Freundschaften

Nur drei Tage vor der Premiere feierte Chanel ihren 14. Geburtstag. Ein Tag fast wie jeder andere: erst Schule, dann Proben, dann noch einmal Proben. Kein grosses Geburtstagsfest mit Klassenkameradinnen? «Eine grosse Party schon», sagt sie. «Aber mit unserer Zirkusfamilie. Meine Freundinnen wohnen zu weit weg.»

Anprobe vor der Premiere: Im Garderobenwagen helfen Chanel und Nonno Fredy Knie junior dem kleinen Maycolino ins Kostüm.
Foto: Fabienne Bühler

Sie ist die einzige Sekundarschülerin ihres Jahrgangs in der zirkuseigenen Privatschule. Ihr Grossvater Fredy Knie junior (78) der selbst als Kind darunter litt, im Internat aufzuwachsen, gründete die Schule für seine Nachkommen und die Kinder der Gastartisten. «Meine Freundinnen ziehen meist nach einer Saison weiter in einen anderen Zirkus. Aber wenn sie mich besuchen, haben wir immer eine Menge Spass.»

Zirkuskinder verlassen früh den Wohnwagen der Eltern

Seit kurzem kann Chanel Knie ihre Freundinnen auch selbst beherbergen: Sie hat ihren ersten eigenen Wohnwagen bezogen, einen schmucken Anhänger, der dank ausziehbarem Erker 16 Quadratmeter Wohnfläche bietet. Dass Zirkuskinder so früh den Wohnwagen ihrer Eltern verlassen, ist völlig normal. «Es ist ja nicht wie eine eigene Wohnung, eher wie ein grösseres Zimmer.»

Chanels Wohnwagen steht direkt neben dem ihrer Eltern. Die Ausgänge sind einander zugewandt – wie bei einer Wagenburg. Für Chanels Mutter Géraldine Knie ist es keine grosse Sache, dass ihre Tochter ein Fahrgestell weiterzog. «Wir sind wie beste Freundinnen und ständig im Austausch.» Sie selbst habe ihren ersten eigenen Wohnwagen schon zum achten Geburtstag erhalten, erzählt sie. «Aber bezogen habe ich ihn nie, weil ich lieber bei meinen Eltern schlief. Also wurde mein Wagen zu einer Art Spielzimmer, in dem ich so chaotisch sein durfte, wie ich wollte.»

Expertin gibt Tipps: Wenn Kids Flügge werden!

Die Ablösungsphase ist für Teenager ebenso herausfordernd wie für ihre Eltern. Doch sie ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem selbstständigen Leben. Familienberaterin Cornelia Munter (51) erklärt, wie Eltern ihre Kinder dabei unterstützen können, Verantwortung zu übernehmen und gleichzeitig eine starke Bindung aufrechtzuerhalten.

Persönliche Grenzen schaffen Sicherheit

«Eltern stehen heute unter grossem Druck, da sie viele Aufgaben gleichzeitig bewältigen müssen – Job, Erziehung, Haushalt und andere Verpflichtungen. In ihrem Bemühen, allem gerecht zu werden, stellen sie oft ihre eigenen Bedürfnisse zurück. Dadurch fühlen sich Kinder für ihr Wohl verantwortlich, was die Ablösung erschwert. Doch wenn Eltern gut für sich selbst sorgen, geben sie ihren Kindern die Freiheit, unbeschwert aufzuwachsen. Dazu gehört, klare Grenzen zu setzen, sich Zeit für sich zu nehmen und Hobbys zu pflegen – ohne dass sich das Kind abgelehnt fühlt. Ein stabiles Familiensystem gibt Sicherheit. Fehlt diese, schlüpfen Kinder oft in eine unterstützende Rolle, was ihre eigene Entwicklung hemmt.»

Vertrauen schenken, Verantwortung übergeben

«Eltern wollen das Beste für ihre Kinder und haben oft klare Vorstellungen davon, was das Beste wäre – sei es in Bezug auf Ausbildung oder schulische Leistungen. Doch es ist essenziell, Kindern zu vermitteln: Ich vertraue dir, du schaffst das. Wenn man ihnen schrittweise Selbstständigkeit zugesteht, sie eigene Entscheidungen treffen lässt und akzeptiert, dass auch Fehler passieren, erfahren Kinder Selbstwirksamkeit. Diese Erfahrung ist wertvoller als durchgehend gute Noten.»

Freunde nicht als Konkurrenz wahrnehmen

«Teenager orientieren sich zunehmend an ihrem Freundeskreis. Aus gutem Grund: Nur dort können sie sich ausserhalb der Familie mit Werten auseinandersetzen und ihre Persönlichkeit in einem sozialen Gefüge weiterentwickeln. Innerhalb der Familie ist das schwieriger, da Kinder oft bis ins Erwachsenenalter in ihrer angestammten Rolle verharren. Die Peer Group ist ein wichtiges ergänzendes System zur Familie.»

Eigenen Werten treu bleiben

«Eltern dürfen authentisch sein und müssen nicht alles akzeptieren. Sie dürfen ansprechen, was ihnen wichtig ist. Wenn sie sich beispielsweise gemeinsame Familienzeit am Sonntag wünschen, sollten sie diesen Wunsch mit ihren Kindern diskutieren. Gleichzeitig ist es essenziell, die Bedürfnisse der Kinder ernst zu nehmen. Entscheidend ist, eigene Werte klar zu formulieren und zu leben – nicht vorwurfsvoll, sondern gleichwertig. Damit setzen Eltern ein gutes Vorbild.»

Rückzug und Raum zugestehen

«In manchen Familien ziehen sich Teenager stark in ihr Zimmer zurück, verriegeln die Tür und kommen kaum noch heraus. Oft steckt dahinter die Angst, dass ihre Privatsphäre nicht respektiert wird. Deshalb ist es wichtig, mit dem Kind im Gespräch zu bleiben und herauszufinden, wie viel Rückzugsraum es in der Pubertät braucht. Wenn Eltern diesen Raum von sich aus zugestehen, muss das Kind ihn nicht mühsam erkämpfen. Das zeigt Respekt. Allerdings sollten Eltern aufmerksam werden, wenn sich ihr Teenager extrem isoliert, keine Kontakte zu Gleichaltrigen hat, seine Hobbys aufgibt oder nicht mehr über persönliche Themen spricht.»

Emotional verfügbar bleiben

«Auch wenn sich ein Teenager zurückzieht, sollten Eltern weiterhin Interesse zeigen, damit der Kontakt nicht abbricht. Sie müssen nicht alles über das Leben ihres Kindes wissen, können aber neugierig und offen Fragen stellen. Eine bewährte Methode, um zurückhaltende Teenager zum Reden zu bringen, ist, selbst etwas zu erzählen – ohne Druck oder Erwartungen. Es müssen keine tiefgründigen Gespräche sein, sondern einfach kleine Einblicke in den eigenen Alltag, zum Beispiel über schöne Erlebnisse oder lustige Momente. Das signalisiert Interesse und lädt zum Austausch ein.»

Im Beziehungs-Werk in Murten FR begleitet Cornelia Munter Familien, Elternpaare und auch Kinder mit einem ganzheitlich-systemischen Ansatz durch Veränderungen und herausfordernde Situationen.
zVg

Die Ablösungsphase ist für Teenager ebenso herausfordernd wie für ihre Eltern. Doch sie ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem selbstständigen Leben. Familienberaterin Cornelia Munter (51) erklärt, wie Eltern ihre Kinder dabei unterstützen können, Verantwortung zu übernehmen und gleichzeitig eine starke Bindung aufrechtzuerhalten.

Persönliche Grenzen schaffen Sicherheit

«Eltern stehen heute unter grossem Druck, da sie viele Aufgaben gleichzeitig bewältigen müssen – Job, Erziehung, Haushalt und andere Verpflichtungen. In ihrem Bemühen, allem gerecht zu werden, stellen sie oft ihre eigenen Bedürfnisse zurück. Dadurch fühlen sich Kinder für ihr Wohl verantwortlich, was die Ablösung erschwert. Doch wenn Eltern gut für sich selbst sorgen, geben sie ihren Kindern die Freiheit, unbeschwert aufzuwachsen. Dazu gehört, klare Grenzen zu setzen, sich Zeit für sich zu nehmen und Hobbys zu pflegen – ohne dass sich das Kind abgelehnt fühlt. Ein stabiles Familiensystem gibt Sicherheit. Fehlt diese, schlüpfen Kinder oft in eine unterstützende Rolle, was ihre eigene Entwicklung hemmt.»

Vertrauen schenken, Verantwortung übergeben

«Eltern wollen das Beste für ihre Kinder und haben oft klare Vorstellungen davon, was das Beste wäre – sei es in Bezug auf Ausbildung oder schulische Leistungen. Doch es ist essenziell, Kindern zu vermitteln: Ich vertraue dir, du schaffst das. Wenn man ihnen schrittweise Selbstständigkeit zugesteht, sie eigene Entscheidungen treffen lässt und akzeptiert, dass auch Fehler passieren, erfahren Kinder Selbstwirksamkeit. Diese Erfahrung ist wertvoller als durchgehend gute Noten.»

Freunde nicht als Konkurrenz wahrnehmen

«Teenager orientieren sich zunehmend an ihrem Freundeskreis. Aus gutem Grund: Nur dort können sie sich ausserhalb der Familie mit Werten auseinandersetzen und ihre Persönlichkeit in einem sozialen Gefüge weiterentwickeln. Innerhalb der Familie ist das schwieriger, da Kinder oft bis ins Erwachsenenalter in ihrer angestammten Rolle verharren. Die Peer Group ist ein wichtiges ergänzendes System zur Familie.»

Eigenen Werten treu bleiben

«Eltern dürfen authentisch sein und müssen nicht alles akzeptieren. Sie dürfen ansprechen, was ihnen wichtig ist. Wenn sie sich beispielsweise gemeinsame Familienzeit am Sonntag wünschen, sollten sie diesen Wunsch mit ihren Kindern diskutieren. Gleichzeitig ist es essenziell, die Bedürfnisse der Kinder ernst zu nehmen. Entscheidend ist, eigene Werte klar zu formulieren und zu leben – nicht vorwurfsvoll, sondern gleichwertig. Damit setzen Eltern ein gutes Vorbild.»

Rückzug und Raum zugestehen

«In manchen Familien ziehen sich Teenager stark in ihr Zimmer zurück, verriegeln die Tür und kommen kaum noch heraus. Oft steckt dahinter die Angst, dass ihre Privatsphäre nicht respektiert wird. Deshalb ist es wichtig, mit dem Kind im Gespräch zu bleiben und herauszufinden, wie viel Rückzugsraum es in der Pubertät braucht. Wenn Eltern diesen Raum von sich aus zugestehen, muss das Kind ihn nicht mühsam erkämpfen. Das zeigt Respekt. Allerdings sollten Eltern aufmerksam werden, wenn sich ihr Teenager extrem isoliert, keine Kontakte zu Gleichaltrigen hat, seine Hobbys aufgibt oder nicht mehr über persönliche Themen spricht.»

Emotional verfügbar bleiben

«Auch wenn sich ein Teenager zurückzieht, sollten Eltern weiterhin Interesse zeigen, damit der Kontakt nicht abbricht. Sie müssen nicht alles über das Leben ihres Kindes wissen, können aber neugierig und offen Fragen stellen. Eine bewährte Methode, um zurückhaltende Teenager zum Reden zu bringen, ist, selbst etwas zu erzählen – ohne Druck oder Erwartungen. Es müssen keine tiefgründigen Gespräche sein, sondern einfach kleine Einblicke in den eigenen Alltag, zum Beispiel über schöne Erlebnisse oder lustige Momente. Das signalisiert Interesse und lädt zum Austausch ein.»

Chanel Knie mag Ordnung und Sauberkeit

Chanel übernachtet ab und zu gern mit Freundinnen in ihrem kleinen Reich. Sie hegt und pflegt es wie einen Schatz. Ihr Wohnwagen ist in hellen Farben eingerichtet. Das Bett hat Chanel mit einem gestrickten Überwurf drapiert, auf dem Sofa liegen kuschlige Zierkissen, und wer hereinkommt, wird höflich darum gebeten, die Schuhe auszuziehen.

Es gibt einen Wohn- und einen Schlafbereich, viele Wandschränke und ein Bad. Eine Kochecke braucht der Wagen nicht. «Ich esse immer im Wohnwagen meiner Eltern. Gemeinsame Mahlzeiten sind für uns sehr wichtig.» Was es heute gibt, weiss ihr kleiner Bruder Maycol junor (7), der von allen Maycolino gerufen wird. «Pasta! Dein Lieblingsessen!» Er selbst bevorzugt Pizza – die italienischen Wurzeln von Papa Maycol Errani (39) lassen grüssen.

Familienmensch durch und durch: Ihren eigenen Wohnwagen hat Chanel Knie mit Fotos aus ihrer Kindheit dekoriert.
Foto: Fabienne Bühler

Maycolino hat die beiden Familienhunde, Pudel Lilli und Zwergspitz Vanille, mitgebracht und fläzt sich mit ihnen aufs Sofa. «Drück sie nicht zu fest», tadelt Chanel ihren kleinen Bruder liebevoll, als er die flauschige Vanille herzt. «Man muss den Tieren ihren Freiraum lassen.»

Chanels Wohnwagen trägt bereits die Handschrift ihres kleinen Bruders: Neben dem Fernseher steht ein Holzschild, auf das Maycol die Pfotenabdrücke von Lili und Vanille gemalt hat. An der Wand hängt ein weisses Pferd aus Bügelperlen. «Das ist Laureus», erklärt er stolz.

Der elfjährige Laureus ist Chanels eigenes Pferd. Der Pura-Raza-Española-Hengst ist eines von 44 Pferden des Circus Knie.
Foto: Fabienne Bühler

Nach dem Zmittag steht noch eine Probe an. Chanel möchte nicht zu spät kommen und verabschiedet sich mit einer verlegenen Entschuldigung: «Vor der Premiere bin ich stets nervös – das wird sich wohl nie ändern.» Den Wunsch, alles perfekt zu machen, kennt ihre Mutter nur zu gut. «Das ist typisch für Teenagermädchen. Sie hat wie ich damals Höhen und Tiefen. Ich nehme mir viel Zeit, um für sie da zu sein.»

Was Chanel Knie einmal werden will

Eines Tages wird Chanel in die Fussstapfen ihrer Mutter treten und einen Teil der Leitung des Familienunternehmens übernehmen. Das Zeug dazu hat sie, sagt Géraldine Knie. «Chanel ist sich für nichts zu schade, hilft überall mit, hat ein offenes Ohr für alle und ein grosses Herz. Sie ist verlässlich und selbstständig. Ich bin stolz auf meine Tochter!» Aber hat sie auch Lust darauf? «Ich darf werden, was ich möchte», sagt Chanel. «Aber wieso sollte ich weg vom Zirkus? Hier ist meine Familie, hier sind die Pferde. Ich habe alles.»

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