Gestritten wird in jeder Beziehung, wann merkt man, dass man in einer toxischen Liebe steckt?
Dania Schiftan: Manchmal ist nur einer toxisch, aber ganz häufig sind das beide gegenseitig, auf sehr unterschiedliche Art und Weise. Solche Beziehungen beginnen meist sehr intensiv und lustvoll. Es gibt typische Merkmale wie Kontrollsucht, Beleidigungen oder verdrehte Wahrheiten. Messbar ist das aber nicht an bestimmten Handlungen, sondern an einem Gefühl des Ungleichgewichts. Oft sind solche Beziehungen energieraubend für einen der beiden. Der eine bekommt weniger Raum, bei Konflikten muss immer er oder sie die Verantwortung übernehmen und sich entschuldigen. So entsteht sukzessive ein Gefälle, das zu einem ungesunden Muster wird.
Viele erleben in toxischen Beziehungen massive Übergriffe, ist das typisch?
Leider ja. Das ist ein typisches Merkmal für destruktive Beziehungen, das trifft insbesondere Frauen. Erschreckend ist, wie viele insgesamt mit diesem Thema in Berührung gekommen sind, sei es aus eigener Erfahrung oder im Umfeld.
Werden Frauen öfter zum Opfer?
Männer und Frauen begegnen tendenziell anderer Form von Gewalt. Frauen erfahren eher körperliche Gewalt. Bei Männern hingegen kann es vorkommen, dass sie Gewalt erleben, aber es länger dauert, bis sie diese auch für sich so realisieren. Bei mir in der Praxis höre ich oft Sätze wie: Sie ist halt ausgeflippt. Wenn ein Mann ein Handy an den Kopf geschmissen bekommt oder ein Teller fliegt, betrachtet er sich nicht als Opfer eines Angriffs, weil das nicht ins gängige Rollenbild passt. Frauen sind keine harmlosen Wesen, sie können auch auf emotionaler Ebene verletzen. Besonders schlimm ist es, wenn sie die Kinder instrumentalisieren und sogar ungerechtfertigte Vorwürfe in den Raum stellen, wie Missbrauch.
Dania Schiftan möchte ihr Alter nicht verraten. Wir hielten es für angebracht, nicht nachzurecherchieren. Seit 2008 ist die Zürcherin selbständige Sexual- und Psychotherapeutin mit eigener Praxis. Schiftan hat zudem verschiedene Lehraufträge an Fachhochschulen und anderen Institutionen. Im Herbst 2018 ist ihr erstes Buch «Coming Soon – Orgasmus ist Übungssache» erschienen. Derzeit arbeitet sie mit einem Comiczeichner am Buch «Let's Talk About Sex», ein Ratgeber rund um Liebe, Sexualität und Partnerschaft. Schiftan lebt in Zürich mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern.
Dania Schiftan möchte ihr Alter nicht verraten. Wir hielten es für angebracht, nicht nachzurecherchieren. Seit 2008 ist die Zürcherin selbständige Sexual- und Psychotherapeutin mit eigener Praxis. Schiftan hat zudem verschiedene Lehraufträge an Fachhochschulen und anderen Institutionen. Im Herbst 2018 ist ihr erstes Buch «Coming Soon – Orgasmus ist Übungssache» erschienen. Derzeit arbeitet sie mit einem Comiczeichner am Buch «Let's Talk About Sex», ein Ratgeber rund um Liebe, Sexualität und Partnerschaft. Schiftan lebt in Zürich mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern.
Laut der Studie kennen sich junge Leute besser mit dem Thema aus, warum?
Ich hoffe, das bedeutet, dass sie sensibilisierter sind und das ist gut so. Ihr Vorteil: Zwischen 20 und 30 sind viele noch nicht fest gebunden, haben noch keine Kinder und der Lebenspartner ist noch nicht gefunden. Vielleicht erleichtert diese Tatsache, genauer hinzuschauen und sich bewusster zu werden, was akzeptabel ist. Schön wäre, wenn das auch später so bleibt.
Kann man toxische Beziehungen heilen?
Häufig wünscht es sich das Opfer, aber das klappt nicht. Denn erstens ist man selbst sehr verletzt und verletzlich und zweitens will ja der Täter seine Machtposition nicht aufgeben. Der Täter hingegen holt sich meistens erst Hilfe, nachdem drastische Dinge passiert sind und die dritte, vierte und fünfte Beziehung in die Brüche gegangen ist und auch noch die x-te Stelle gekündigt wurde. Beendet wird eine toxische Liebe leider meist erst durch ein extremes Ereignis von aussen, wie zum Beispiel einem Unfall, welcher das Paar zwingt, voneinander Abstand zu nehmen. So eine Beziehung hinterlässt Narben sowie ein gestörtes Selbstwertgefühl. Da braucht es viel Pflege und Aufbauarbeit, um sich selbst wieder vertrauen zu lernen.