Peter Handke gewinnt Nobelpreis für Literatur
Er wollte ihn abschaffen, jetzt hat er ihn gekriegt

Mit Peter Handke gewinnt 2019 ein Provokateur den Nobelpreis für Literatur – und das nur ein Jahr nachdem ein Vergewaltigungsskandal den Ruf der Preises stark beschädigt hatte.
Publiziert: 11.10.2019 um 08:49 Uhr
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Aktualisiert: 10.02.2022 um 16:19 Uhr
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Die polnische Schriftstellerin Olga Tokarczuk erhielt nachträglich den Nobelpreis für Literatur fürs Jahr 2018.
Foto: DUKAS
Jonas Dreyfus

Es ging kein Raunen durch den Saal im Gebäude der Schwedischen Akademie im Zentrum Stockholms, als am Donnerstag um 13 Uhr der Name des österreichischen Schriftstellers Peter Handke (76) fiel. Ein paar leise Laute des Erstaunens waren aber zu hören.

Dass ein männlicher, weisser Provokateur wie er ausgerechnet ein Jahr, nachdem ein Vergewaltigungsskandal den Ruf des renommiertesten Literaturpreises stark beschädigte, zur Auszeichnung kommt – damit hatten nur die wenigsten gerechnet.

Seine pro-serbische Haltung eckt an

Handke polarisiert seit Jahrzehnten. 1966 mussten sich Zuschauer seines Theaterstücks «Publikumsbeschimpfung» mit Wörtern wie «Rotzlecker» beleidigen lassen. Viele Romane des Kärntners behandeln das Thema der menschlichen Entfremdung. Zu den bekanntesten gehören «Die Hornissen», «Die Angst des Tormanns beim Elfmeter», «Der kurze Brief zum langen Abschied» und «Die drei Versuche».

Spätestens seitdem Handke, der sich selbst als zornig bezeichnet, seine pro-serbische Haltung im Balkan-Konflikt publik machte, gilt er bei vielen Kulturschaffende als untragbar. Die Akademie lobt ihn nun «für ein einflussreiches Werk, das mit linguistischem Einfallsreichtum die Randbereiche und die Besonderheit der menschlichen Erfahrung erforscht».

Olga Tokarczuk ist die Art von Gewinnerin, auf die viele hofften

Ein weiterer Nobelpreis für Literatur geht dieses Jahr an die Polin Olga Tokarczuk (57). Als Schriftstellerin und Aktivistin, die sich gegen Fremdenhass und für feministische Anliegen einsetzt, entspricht sie eher dem Profil der Gewinners, den Literaturexperten für dieses Jahr vorausgesagt hatten. Mal abgesehen davon, dass sie Europäerin ist. Denn seit Ende 2017 muss sich die Akademie vermehrt den Vorwurf gefallen lassen, eine männerorientierte und eurozentristische Perspektive zu vertreten.

Damals wird bekannt, dass der in Schweden sesshafte, französische Theaterregisseur Jean-Claude Arnault (73) über Jahre hinweg Frauen aus dem Umfeld der Akademie belästigt und misshandelt haben soll.

Arnault ist mit Katarina Frostenson (66) verheiratet – damals Mitglied der 18-köpfigen Akademie, die seit 1901 über die Vergabe des Nobelpreises für Literatur entscheidet. Sie äussert sich bis heute nicht zu den Taten ihres Mannes. Mit ihm hat sie Literaturlesungen veranstaltet, für die das Paar Akademie-Gelder abgezwackt haben soll. Offenbar haben die beiden auch noch mehrere Male Namen von Preisträgern vor der offiziellen Bekanntgabe gegenüber Bekannten ausgeplaudert.

Die Akademie lässt sich nur bedingt beeindrucken

Frostenson hat heute nichts mehr mit dem Nobelpreis für Literatur zu tun. Ihr Mann sitzt wegen Vergewaltigung im Gefängnis, wo er eine zweijährige Freiheitsstrafe absitzen muss. Aufgrund des Skandals erhielten dieses Jahr zwei Personen einen Preis. Olga Tokarczuk für 2018, Peter Handke für 2019.

Angehörige der Akademie haben sich inzwischen öffentlich für den Umgang mit den Vorfällen entschuldigt, die viele von ihnen am liebsten unter den Teppich gekehrt hätten. Von den Erwartungen der Öffentlichkeit, denen sich die Akademie bei der Auswahl der diesjährigen Preisträger ausgesetzt sah, liess sie sich nur bedingt beeindrucken. Von der Tatsache, dass Peter Handke einst gefordert hat, den Nobelpreis abzuschaffen, gar nicht.

Nobelpreis 2020

Das Nobelkomitee verkündet jedes Jahr Preisträger. Bahnbrechende Entdeckungen gibt es zuhauf. Alles Wissenswerte dazu erfahren Sie auf BLICK.

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