«Ich höre oft: Meine Güte, du bist so asketisch!»
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Nina Ruge schreibt Bestseller:«Ich höre oft: Meine Güte, du bist so asketisch!»

Nina Ruge moderierte «Leute heute», jetzt schreibt sie Medizin-Bestseller
«Ich höre oft: Meine Güte, du bist so asketisch!»

Nina Ruge (65) war jahrzehntelang eines der bekanntesten Gesichter im deutschsprachigen Fernsehen. Heute beschäftigt sie sich als Autorin mit der Frage, wie wir möglichst lange jung bleiben können. Und lebt die Antworten dazu gleich vor.
Publiziert: 02.10.2021 um 17:17 Uhr
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Aktualisiert: 02.10.2021 um 19:02 Uhr
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Die Biologin Nina Ruge schreibt in der Toskana medizinische Ratgeber.
Foto: Frank Zauritz / BILD
Interview: Jonas Dreyfus

Frau Ruge, was haben Sie heute zum Frühstück gegessen?
Nina Ruge:
Einen Esslöffel Flohsamenschalen. Ich weiche sie jeweils in warmem Wasser ein, bis sie eine sämige Konsistenz haben, und füge ein wenig frisch gepressten Zitronensaft bei. Das quillt dann im Darm auf, macht ein bisschen satt und lässt uns nachweislich länger gesund leben.

Üppig ist anders.
Absolut. Da es sich um fast hundert Prozent Ballaststoffe handelt, die der Körper komplett ausscheidet, zählt dieser Trunk auch nicht als Nahrung. Ich mache damit also jeden Morgen Intervallfasten. Das mag unerotisch klingen – ich höre oft Kommentare wie: Meine Güte, du bist so etwas von asketisch!

Der typische Schweizer isst morgens ein Buttergipfeli, vielleicht sogar einen Nussgipfel. Dazu trinkt er einen Kaffee mit Rahm. Je nach Generation auch eine Cola Zero oder ein Red Bull. Das würden die Experten, die Sie für Ihr neues Buch «Verjüngung ist möglich» interviewt haben, wohl niemandem ans Herz legen.
Ganz und gar nicht – diese Dinge gehören zu den No-Gos. Ich weiss, das ist lustfeindlich. Aber aus ernährungsphysiologischer Sicht und unter dem Aspekt der Langlebigkeit wäre eine solche Menge an gesättigten Fettsäuren, Zucker und leeren Kalorien nicht zu empfehlen.

Ihr Buch gibt einen sehr detaillierten Überblick darüber, was man alles tun kann, um möglichst lange gesund zu leben. Alles zu befolgen, klingt nach einem Fulltime-Job.
Eben nicht – denn das Entscheidende ist ja das Weglassen. Ich habe schon mit 40 damit angefangen – also vor 25 Jahren. Ich esse kein Fleisch, keinen Fisch, keinen Zucker, trinke wenig Wein und nehme nur zwei Mahlzeiten pro Tag zu mir. Bei der Art der Nahrungsmittel orientiere ich mich an den sogenannten Blue Zones.

Was gehört zu den Blauen Zonen?
Unter anderem Okinawa in Japan, Ogliastra auf Sardinien und eine Adventistengemeinde in Kalifornien. Das sind Orte, an denen statistisch gesehen überdurchschnittlich viele 90-Jährige leben. Sie sind erstaunlich gesund. Ihr Speiseplan ist stark gemüsebasiert und beinhaltet viele Vollkornprodukte aus biologischem Anbau. Eine gewisse Askese gehört auch dazu, nämlich mit dem Essen aufzuhören, wenn man noch gar nicht richtig satt ist. Diese Erkenntnisse werden allerdings heute aufgrund der Erkenntnisse der Zellbiologie noch deutlich weiter vertieft – deshalb habe ich 25 Experten für die Buch-Recherche befragt.

Wann haben Sie das letzte Mal so richtig über die Stränge geschlagen?
Als ich meinen 65. Geburtstag gefeiert habe, war ich mit meinem Mann, einem befreundeten Ehepaar und meinem Patensohn in einem schicken Restaurant in Florenz. Dort gab es keine Vollkornnudeln. Ich habe also gesündigt in Form von normalen Hartweizennudeln. Eine Nachspeise habe ich selbstverständlich nicht bestellt. Ehrlich: Ich fühle mich so wohl mit meiner Ernährungsweise, dass ich mich aus freien Stücken immer daran halte.

Die Zellen beginnen bereits mit 25 Jahren zu altern. Das ist deprimierend.
Nicht, wenn wir uns vor Augen führen, was die moderne Zellforschung, die Molekularbiologie und die Biochemie in den vergangenen 10, 15 Jahren erforscht haben. Nämlich, dass wir diese Zellalterung verlangsamen können, indem wir unseren Lebensstil anpassen. Auf die Ernährung achten, sich bewegen, genügend schlafen, ungesunden Stress vermeiden, die richtigen Nahrungsergänzungsmittel – all das gehört dazu.

Was ist das Ziel?
Es geht nicht um ewiges Leben, sondern darum, 80, 90 und irgendwann sogar mal hundert werden zu können – mit körperlichen Einschränkungen, aber ohne die so weitverbreitete lange Phase des Siechtums durch Alterskrankheiten am Ende des Lebens.

Laut Ihrem Buch hat auch Summen einen lebensverlängernden Effekt.
Generell beeinflusst die Art, wie wir atmen, unser vegetatives Nervensystem stark. Wenn wir zum Beispiel versuchen, länger aus- als einzuatmen, hat das einen beruhigenden Effekt auf den Körper. Wenn man summt, atmet man automatisch aus. Hinzu kommt eine gewisse Vibration, die zusätzlich beruhigend wirkt. Sich eine schnurrende Katze auf die Brust zu legen, hat einen ähnlichen Effekt. Früher haben viel mehr Menschen in der Öffentlichkeit vor sich hingesummt als heute, wo man schnell als peinlich gilt.

Sie haben eine Zellanalyse machen lassen. Dabei kam heraus, dass Sie die Alterung Ihrer Zellen offenbar mit Ihrem gesunden Lebensstil bis jetzt um sieben Jahre verlangsamen konnten. Hat sich das in Ihren Augen gelohnt?
Angesichts einiger Jahrzehnte sehr intensiver Arbeit mit einem gewissen Stress-Level finde ich das doch erfreulich.

Sie waren Biologielehrerin und News-Moderatorin. Am bekanntesten sind Sie als Gesicht des ZDF-People-Journals «Leute heute», das Sie von 1997 bis 2007 moderierten. Was hat Sie daran gereizt?
Diese Programmfarbe gab es beim ZDF damals noch nicht – ich konnte etwas von null auf aufbauen und am Rande auch ausführlichere Interviews führen mit Schauspielern wie Helen Mirren, Arnold Schwarzenegger oder dem Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu. Das war journalistische Arbeit und hat mir zugesagt. Ausserdem wollte ich nach zehn Jahren etwas machen, das mir auch ein soziales Leben ermöglichte.

Wie meinen Sie das?
Ich hatte meine Fernsehkarriere bei Rias TV begonnen, wo ich das Frühstücksfernsehen moderierte und um zwei Uhr morgens aufstehen musste. Dann kam im wöchentlichen Wechsel das «heute journal» hinzu – da war das Schlafpensum gering. Anschliessend folgte «heute Nacht» – vor zwei Uhr morgens kam ich nach dieser Sendung nicht ins Bett.

Sie sind ein absoluter Profi. 1999 liefen Sie bei der Verleihung des Automobilpreises «Das Goldene Lenkrad» versehentlich in eine Feuersäule, die als Spezialeffekt gedacht war, und haben einfach weitermoderiert.
Ich hatte einen kleinen Schock – an den Moment selbst kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Meine Wimpern und Augenbrauen waren weg, meine Haut gerötet. Es waren zum Glück nur Verbrennungen dritten Grades. Die Feuersäule kam aus dem Boden und riss mir die Haare hoch. Da war natürlich Haarspray drin. Ich hatte nur noch Blumenkohl auf dem Kopf, alles war komplett verkohlt. Nach der Show hat extra noch eine Frisörin am Ku'damm ihren Salon für mich aufgemacht und mir in das, was von meinen Haaren übrig geblieben war, Extensions gewebt. Es hat 15 Jahre gedauert, bis meine Haare wieder waren wie vor dem Unfall.

Was war schiefgelaufen?
Bei den Proben wurde das Feuerwerk aus Kostengründen nicht gezündet. Die Regie-Assistentin hatte vergessen, mir das zu sagen, und schickte mich auf die Bühne direkt in die Flamme. Wenn ich mich nicht kurz vor dem Auftritt noch für einen Anzug aus beschichteter Seide anstelle eines silbernen Kunstfaser-Jacketts entschieden hätte, würde es mich heute nicht mehr geben. Ich habe mich damals zum Publikum umgedreht und gefragt: «Brenne ich noch?» Die haben gelacht, weil sie dachten, das sei ein cooler Show-Effekt. Ich habe vom ersten Moment an gewusst: Baby, jetzt hast du wahnsinniges Glück gehabt.

Das passt zum Satz, mit dem Sie bei «Leute heute» die Sendung beendeten: «Alles wird gut.» Was verbinden Sie heute damit?
Ich ergänze ihn heute gerne noch um einen weiteren Halbsatz: «Aber nicht von alleine.» Der Zufall trifft nur einen vorbereiteten Geist – diese Erfahrung habe ich oft gemacht. «Alles wird gut. Aber nicht von alleine» passt auch zur gesunden Langlebigkeit, für die ich mich mit meinem Buch starkmache. Und zur Pandemie. Natürlich bin ich geimpft und frage mich: Meine Güte, warum geht ihr dieses Risiko für euch und andere ein – ihr Wahnsinnigen, die ihr euch nicht impfen lässt?

Sie wohnen mit Ihrem Mann, dem Wirtschaftsmanager Wolfgang Reitzle, abwechselnd in der Toskana und am Vierwaldstättersee im Kanton Luzern. Was verbindet Sie mit der Schweiz?
Nach Italien ziehe ich mich zurück, um zu schreiben, in die Schweiz, um zu leben. Am Vierwaldstättersee ist es einfach unfassbar schön. Hinzu kommt, dass die Schweiz ein Sehnsuchtsort meines Vaters war, der als «Halbjude» den Holocaust überlebt hat. Das hat mich angesteckt.

Welchen Bezug hatte Ihr Vater zur Schweiz?
Kurz nach dem Krieg durfte er dort als 25-Jähriger sechs Wochen bei einem Bauern in der Zentralschweiz arbeiten. Ermöglicht hatte ihm das ein Programm für Opfer des Faschismus. In seinen Tagebüchern, die ich gelesen habe, schreibt er über die Schweiz als eine Art gelobtes Land, in dem alles grün war, es keine Verfolgung gab und keine Altnazis. Es hat dann lange gedauert, bis er eine sogenannte Ausländergenehmigung erhielt und sich eine Wohnung in Morissen in Graubünden kaufen konnte.

Sie haben einmal gesagt, dass bei Ihnen zu Hause ein Gespenst hinter dem Vorhang sass. Was heisst das?
Meine Eltern sprachen nie darüber, dass mein Vater das Lager überlebt hatte und Teile unserer Familie in Theresienstadt oder anderweitig umgekommen waren. Ich mache ihnen keinen Vorwurf deswegen. Aber ich spürte als kleines Mädchen, dass bei uns etwas anders war. Heute würde man eine Traumatherapie machen, damals musste man verdrängen. Das führte meiner Meinung nach auch dazu, dass die Jahre nach dem Krieg so emotionslos waren.

Wie meinen Sie das?
Ich vermute, dass sich negative Emotionen wie Angst, Verzweiflung, Verlust, aber auch Schuld nicht isoliert verdrängen lassen. Positive Emotionen bleiben damit auch auf der Strecke. Stattdessen hiess es Ärmel hochkrempeln und wieder aufbauen. «Satt und sauber» war das Mantra der 50er- und 60er-Jahre. Man wollte Sicherheit, etwas zu essen haben und nicht im Dreck leben. Die Lebensfreude entfachte sich – verständlicherweise – an Dingen wie einem fetten Sonntagsbraten.

Den Sie heute niemals essen würden.
Das stimmt. Freude am Leben habe ich umso mehr.

Vom Klassenzimmer auf den Bildschirm

Nina Ruge (65) wuchs als Tochter einer Ärztin und eines Professors für Maschinenbau in Braunschweig, Niedersachsen, auf. Sie studierte und unterrichtete die Fächer Biologie und Deutsch, bevor sie zum Fernsehen ging. Am bekanntesten wurde die Journalistin als Gesicht des ZDF-Prominentenmagazins «Leute heute», für das sie zehn Jahre tätig war. Heute moderiert Ruge Anlässe und schreibt Medizin-Bestseller. Anfang August erschien ihr Sachbuch «Verjüngung ist möglich – Wissenschaftlich erforscht, was wirklich hilft» (Gräfe und Unzer). Ruge ist mit dem deutschen Wirtschaftsmanager Wolfgang Reitzle (72) verheiratet und lebt abwechselnd in der Toskana und am Vierwaldstättersee im Kanton Luzern.

Nina Ruge (65) wuchs als Tochter einer Ärztin und eines Professors für Maschinenbau in Braunschweig, Niedersachsen, auf. Sie studierte und unterrichtete die Fächer Biologie und Deutsch, bevor sie zum Fernsehen ging. Am bekanntesten wurde die Journalistin als Gesicht des ZDF-Prominentenmagazins «Leute heute», für das sie zehn Jahre tätig war. Heute moderiert Ruge Anlässe und schreibt Medizin-Bestseller. Anfang August erschien ihr Sachbuch «Verjüngung ist möglich – Wissenschaftlich erforscht, was wirklich hilft» (Gräfe und Unzer). Ruge ist mit dem deutschen Wirtschaftsmanager Wolfgang Reitzle (72) verheiratet und lebt abwechselnd in der Toskana und am Vierwaldstättersee im Kanton Luzern.

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