Das Leben eines Huhns ist kurz und trist: Legehennen liefern Eier, bis sie ausgepowert sind, die meisten ihrer männlichen Artgenossen werden nach dem Schlüpfen geschreddert.
Inzwischen aber gibt es immer mehr privilegierte Hühner, die vom reinen Nutztier zum nützlichen Haustier aufgestiegen sind. Anzutreffen sind sie immer häufiger in den Gärten städtischer Agglomerationen. Dort gackern sie entspannt miteinander und liefern frische Eier.
Und dann gibt es noch den Gockel Marlon sowie die Hennen Ella, Sasha, Kim und ihre Kolleginnen. Sie haben einen besonderen Job – als Assistenten der Wildtier-Trainerin Andrea Campa (42): «Wer sich mit den Tieren auseinandersetzt, bekommt sie nicht nur gern, sondern entdeckt, wie verschieden ihre Charaktere sind.»
Ausserdem eignen sie sich für Chicken-Camps, wie Campa sie regelmässig durchführt. Hier lernen Besitzer von Hunden, Katzen, Pferden, Ziegen und natürlich Hühnern, wie man sie am besten trainiert.
Belohnung und Motivation
Dabei vermittelt Campa einen modernen Ansatz, der vom Stubentiger bis zum Krokodil funktioniert: «Früher arbeitete man vor allem mittels Druck und Unterordnung. Heute wissen wir, dass Belohnung und Motivation langfristig mehr Erfolg bringen. Bei vielen Tier-arten geht es nur so, ein Huhn kann man ja nicht an die Leine nehmen.» Die kleinen Serama-Hühner seien für die Teilnehmer gute Übungspartner. Und: «Das Training mit einem Huhn unterscheidet sich nicht gross von dem mit einem Krokodil, schliesslich sind sie Cousins und ticken ähnlich.»
Mit grossen und teils gefährlichen Tieren kennt sich die Verhaltensbiologin aus, sechs Jahre lang arbeitete sie als Trainerin im Zoo Zürich und sorgte so dafür, dass sich Elefanten, Riesenschildkröten, Seehunde oder Krokodile wohlfühlen.
Campas Kurse für Nutz- und Heimtiere haben das gleiche Ziel: dass ein Hund beim Tierarztbesuch weniger Angst empfindet oder ein Kaninchen auf die Waage hüpft. «Meinen Hühnern habe ich beigebracht, dass sie freiwillig in eine Transportkiste laufen, damit ich sie in den Trainingsraum bringen kann», so Campa. Sie könnte sie auch einfangen, aber das sei für die Tiere ein Riesenstress.
Mitarbeit ist freiwillig
Weniger begeistert ist sie von Training, das nicht primär dem Wohl des Tieres, sondern dem Amüsement dient: Wenn Katzen durch Reifen springen oder Hühner Xylofon spielen. Darum ist die Mitarbeit ihrer Hennen in den Kursen freiwillig: «Sie müssen nicht in die Transportbox steigen. So können sie mir mitteilen, ob sie mitmachen wollen. Meistens wollen sie aber alle gleichzeitig rein!»