Nash (7) und Tilly (5) tollen herum. So wie es Hunde gewöhnlich gerne tun. Die beiden Border Collies sind aber alles andere als gewöhnlich, sie sind Rettungshunde, Tilly noch in Ausbildung. Auf ein Wort von Linda Hornisberger (61) setzen sich die beiden sofort ruhig neben sie. Bei einem Einsatz nach einer Katastrophe muss die Kommunikation zwischen Mensch und Hund reibungslos funktionieren. «Es geht nicht ums Rumkommandieren. Wir sind ein Team und einer von uns entscheidet, wo es langgeht, aber ich bin es nicht!», sagt die Tierärztin aus Belp BE. Sie bildet seit 40 Jahren Rettungshunde aus.
Worauf es bei der Suche nach Verschütteten oder Vermissten ankommt: einerseits Training, andererseits die Nase des Hundes. «Wenn ich nach rechts will und der Hund nach links, dann schaut er mich für einen Augenblick an, und es ist völlig klar: Der Hund weiss wo es langgeht», sagt die Tierärztin. «Für die Sicherheit auf der Trümmerlage bin selbstverständlich ich verantwortlich.» Dieser Spürsinn gepaart mit der Fähigkeit der Vierbeiner partnerschaftlich zu arbeiten, hat Hornisberger bereits als Gymischülerin fasziniert. Damals besuchte sie das erste Mal eine Veranstaltung von Redog, der Verein bildet seit 50 Jahren Rettungsteams mit Hund und Mensch aus.
Viel Training bis zum Einsatz
Inzwischen ist Hornisberger Ausbildnerin und Einsatzleiterin, sie war nach dem Erdrutsch in Gondo VS im Jahr 2000 vor Ort, ebenso in Japan nach dem Tsunami 2011 oder dem Erdbeben in Albanien vor drei Jahren. Mit dem Einsatz von Trümmerhunden leisten die Schweizer Rettungsteams seit 1971 Pionierarbeit. Ursprünglich aus der Lawinenrettung, treten die Redog-Teams nach Naturkatastrophen, Explosionen oder einem Hauseinsturz in Aktion, um nach Verschütteten zu suchen. International bekannt wurde Redog 1985 nach einem Erdbeben in Mexico-Stadt, neun Menschen konnten damals lebend unter den Trümmern geortet werden. Hornisberger: «Seither ist die Zusammenarbeit mit ausgebildeten Hunden international zum Standard geworden.» Ein Einsatz in der Ukraine ist derzeit nicht geplant, im Kriegsgebiet sei das nicht möglich.
Bis es zu einem Einsatz kommt, braucht es viel Training, die Hunde werden spezifisch ausgebildet. Während Tilly als Trümmerhund lernt, wie man Verschüttete aufspürt, die noch am Leben sind, kommt Nash als Leichenspürhund zum Einsatz. Was etwas morbid klingen mag, ist vor allem für Angehörige wichtig, erklärt Hornisberger. «Damit sie Gewissheit haben, dass jemand wirklich verstorben ist und nicht noch verletzt irgendwo begraben liegt. Und natürlich auch, um die Verstorbenen bestatten zu können.» Umgekehrt ist es wichtig, dass sich ein Trümmerhund bei der Suche konsequent auf die Überlebenden konzentriert.
Freiwillige Rettungsteams
Zuletzt kam Hündin Nash bei einem Hochwasser in Chamoson im Wallis zum Einsatz, als ein Mann mit seiner sechsjährigen Tochter im Fahrzeug von einem überfluteten Bach mitgerissen wurde. «Das war ein solche Gewalt, da gibt es keine Chance zu überleben», so Hornisberger. Sie suchte mit Hündin Nash in und um den Fluss, der dann nur noch ein Bach war – gefunden wurde Monate später nur das Mädchen, die Flut hatte den Leichnam bis in den Genfersee getrieben.
Jeder Einsatz ist Teamwork, je nachdem wird mit dem Zivilschutz, Polizei, Militär, Feuerwehr oder humanitären Organisationen wie der Rettungskette Schweiz eng zusammengearbeitet. «Das besondere ist das Teamwork von uns als Freiwillige mit Profis», so die Tierärztin. Insgesamt sind bei Redog etwa 500 Teams aktiv, je die Hälfte bei der Vermisstensuche und 250 bei der Verschüttetensuche. Wer sich dafür engagiert, tut es mit viel Herzblut und Zeitaufwand.
Das Engagement der Freiwilligen ist unentgeltlich: «Wenn jemand von einer Wanderung nicht zurückkommt, kann man sich bei unserem Notruf melden, und wir klären ab, ob ein Rettungsteam zum Einsatz kommt.» Hornisberger hat die Sorge und Angst von Angehörigen mehr als einmal miterlebt: «Wenn man einen geliebten Menschen vermisst, zählt jede Minute.» Sie wirft ihren Hunden wieder einen Ball zu, und die beiden tollen über die Wiese. Ganz wichtig für das Training: «Ein Hund muss das wollen und Spass dabei haben, sonst geht das gar nicht.» Tabu sind Strafen oder gar Gewalt, denn die Hunde brauchen ihre Eigenständigkeit und Vertrauen, um gut arbeiten zu können. Die Tierärztin: «Das gilt übrigens für jede Hundehaltung.»