Schlangenalarm am Zürisee: Seit in Herrliberg ZH zwei Würfelnattern beim Kampf um einen Fisch gefilmt wurden, sorgen die Reptilien in unseren Gewässern für Aufregung. Tatsächlich hat sich die Würfelnatter über die letzten zwanzig Jahre im Zürcher Seebecken ausgebreitet.
Begegnung mit weiteren Wildtieren
Denn neu ist das Phänomen laut dem Herpetologen Manuel Frei (37) nicht. Der Umweltnaturwissenschaftler ist auf den Schutz von Reptilien und Amphibien spezialisiert. «Ursprünglich kommt sie nur südlich der Alpen vor, im Tessin, Misox und Puschlav», erkärt er. Bis sie in den 1990er-Jahren von Privaten ausgesetzt wurde.
Die Würfelnatter finde hier ideale Bedingungen: «Sie hat keine Konkurrenz und jagt vor allem Fisch.» Darum ist sie vor allem an Gewässern zu finden, die Würfelnatter taucht bis zu 20 Minuten unter Wasser und wärmt sich auf den Steinen am Ufer auf. Seltener sieht man die Ringelnatter, die natürlicherweise in unseren Seen vorkommt. Sie hält sich aber eher in natürlichen Uferbereichen mit Schilf oder Riedflächen auf.
Vom Aussterben bedroht
Die Hysterie um die Schlangen im Zürisee sieht Frei kritisch: «Kaum wird eine Schlange gefilmt und landet im Netz und den Medien, geht die Aufregung los», sagt er. Das Problem sei aber nicht, dass es mehr Schlangen gibt. «Es gibt einfach immer mehr Leute an den Seeufern, und wir dringen zusehends in den Lebensraum der Tiere vor.»
Statt sich vor Schlangen zu fürchten, sei es wichtiger, sie zu schützen. Tatsache ist, alle der neun einheimischen Schlangen stehen auf der Roten Liste der gefährdeten Arten in der Schweiz. Verdrängt werden sie von der Landwirtschaft und Besiedelung.
Etwa, wenn Häuser unmittelbar neben einem Naturschutzgebiet entstehen: «Dann ist es nicht verwunderlich, wenn eine Schlange im Garten am Weiher auftaucht und sich dort einen Frosch schnappt.»
Angst müsse man vor ihnen keine haben, im Gegenteil: «Man kann sich freuen, wenn man eine zu Gesicht bekommt. Schlangen sind scheu und verschwinden sofort, wenn wir auftauchen.»
Zudem sind nur zwei Arten giftig, die Aspisviper und die Kreuzotter. «Sie kommen aber im Mittelland nicht vor und eine Begegnung ist äusserst selten.» In der Schweiz ist seit 1961 kein Mensch mehr an einem Biss einer einheimischen Art gestorben.
Sie beissen nicht, aber sie …
Wer das Glück hat, am See eine Ringel- oder Würfelnatter zu sehen, solle sie keinesfalls anfassen. Nicht nur, weil das bei Wildtieren verboten ist. «Sie beissen nicht, aber sie können ein stinkendes Sekret ausstossen», so Frei.
Viel lohnender sei es, die Tiere in Ruhe zu beobachten. Denn viele haben laut Frei ein falsches Bild von Schlangen. «Sie gelten als kalt und gefühllos. Aber wer schon mal Schlangen bei der Paarung beobachtet hat, wird entdecken, dass sie sehr zärtlich und behutsam miteinander sind», so der Ökologe.
Aber wie sieht es mit der Ausbreitung der Würfelnatter in anderen Schweizer Seen aus? In Luzern am Vierwaldstättersee gibt es laut Jörg Gemsch (65) vom Amt für Landwirtschaft und Wald (lawa) kaum Meldungen dazu. «Nur am Lopper gibt es eine grosse, ebenfalls illegal ausgesetzte Population. Warum sie sich nicht weiter dem Ufer entlang verbreiten, kann ich nicht beurteilen.»
Grösser ist die Ausbreitung am Brienzer- und Bielersee. Bereits problematisch ist laut dem Fachspezialisten für Arten und Lebensräume die steigende Population der Würfelnatter am Genfersee. Denn dort konkurrenziert sie den Lebensraum der dort ansässigen Vipernatter. «Sie ist vom Aussterben bedroht», so Gemsch. «Darum gibt es wirklich nichts Dümmeres, als fremde Tierarten auszusetzen.»