Auf den ersten Blick sieht es im neuen St. Galler Laden «Modesty by Shadia» aus wie in jedem anderen Kleidergeschäft. Doch nach dem kleinen Schwarzen sucht man vergebens.
Modest Fashion heisst der Modestil, für den sich Hanan Shadia Osman (29) auf Instagram und neu auch in ihrem Laden starkmacht. Statt auf Miniröcke und bauchfreie Tops setzt die Hidschabista, also die Influencerin mit Kopftuch, auf islamkonforme Mode – mit weiten Schnitten und bedeckten Schultern.
Fast 60'000 Menschen folgen der St. Gallerin auf Instagram, wo sie ihre künstlerischen und professionell fotografierten Looks postet. Die Schweizerin hat Modelverträge in der Schweiz, England und Nigeria. Kritiker werfen der islamischen Kleidung Unterdrückung vor. «Aber damit hat meine Mode nichts zu tun», sagt Osman.
Ein viel beschäftigter Lebensentwurf
Die Kleider in ihrem Laden designt Osman selbst. «Modesty by Shadia» gibt es schon seit einem Jahr, doch konnte sie wegen Corona erst diesen August offiziell eröffnen. Um den Lockdown zu überbrücken, verkaufte sie im Nebenraum Lebensmittel. «Das war besser, als gar nichts zu tun», sagt sie.
Auch sonst scheint das Nichtstun für Osman keine Option zu sein. Neben ihrem Geschäft, Instagram und der Modelkarriere studiert Osman Internationale Beziehungen und arbeitet als medizinische Praxisassistentin im Spital. «Meine Familie unterstützt mich und übernimmt manchmal Schichten im Laden», verrät Osman auf die Frage, wie sie alles unter einen Hut bringt.
Nicht nur bei Musliminnen beliebt
Osman zieht gerade ein goldgelb schillerndes Kleid aus dem Regal in ihrem Laden. Es ist weit geschnitten, hat keinen tiefen Ausschnitt, dafür Ärmel und reicht ihr bis an die Waden. «Diesen gelben Gürtel hier gibt es gleich mit dazu», sagt Osman in zackigem St. Galler Dialekt. «Falls jemand die Taille doch etwas mehr betonen möchte.»
Die Kundschaft, die bei ihr shoppe, sei ein buntes Mosaik: Von Jung bis Alt, aus der Ostschweiz oder aus der Stadt Zürich, sei alles mit dabei. Einziger gemeinsamer Nenner sei, dass die meisten weiblich sind und gerne weit geschnittene Klamotten tragen, so Osman. Denn Modest Fashion interessiere bei weitem nicht nur Musliminnen.
Ob Sport-Kopftücher bei Nike, Hidschabs aus Jeansstoff bei American Eagle, Kollektionen zum Fastenmonat Ramadan bei Tommy Hilfiger, Mango und DKNY: Modest Fashion hat in den vergangenen zehn Jahren Einzug in der Modewelt gehalten. Gemäss der Kreativagentur ODD London ist die islamkonforme Mode einer der am schnellsten wachsenden Sektoren der Modeindustrie. Wurde der globale Umsatz 2017 noch auf 270 Milliarden US-Dollar geschätzt, soll er im Jahr 2023 bereits 360 Milliarden US-Dollar betragen. Eine klare Definition von islamkonformer Mode ist jedoch schwierig. Grob handle es sich dabei um locker sitzende, undurchsichtige Kleidung, die Arme, Schultern und Beine bedeckt.
Ob Sport-Kopftücher bei Nike, Hidschabs aus Jeansstoff bei American Eagle, Kollektionen zum Fastenmonat Ramadan bei Tommy Hilfiger, Mango und DKNY: Modest Fashion hat in den vergangenen zehn Jahren Einzug in der Modewelt gehalten. Gemäss der Kreativagentur ODD London ist die islamkonforme Mode einer der am schnellsten wachsenden Sektoren der Modeindustrie. Wurde der globale Umsatz 2017 noch auf 270 Milliarden US-Dollar geschätzt, soll er im Jahr 2023 bereits 360 Milliarden US-Dollar betragen. Eine klare Definition von islamkonformer Mode ist jedoch schwierig. Grob handle es sich dabei um locker sitzende, undurchsichtige Kleidung, die Arme, Schultern und Beine bedeckt.
Sie sagt: «Ein grosser Teil der Frauen, die herkommen, mögen ihre Mode einfach gerne bequem. Komplett ohne religiöse Hintergründe.» Nur die Kopftücher würden fast nur von Musliminnen gekauft. Osman selbst trägt seit drei Jahren Kopftuch. Die Religion sei ihr wichtig. Doch einen Zwang, wie sie ihren Glauben ausleben solle, habe sie nie erlebt.
Das Verhüllen als Selbstbestimmung
Osman habe die Mode schon immer geliebt. Doch sei es in der Schweiz schwierig gewesen, modische Kleider zu finden, in denen sie sich auch richtig wohlfühle. «Viele Kleider von H&M oder Zara gefallen mir zwar sehr gut», sagt sie. «Aber dann haben sie einen extrem tiefen Ausschnitt oder einen unnötig tiefen Schlitz auf den Seiten, der mir nicht passt.»
Um die Kleider trotzdem islamkonform tragen zu können, kombinierte sie verschiedene Stücke, zog also etwas darunter oder darüber. Die Fotos davon postete sie auf Instagram, wo ihr Menschen aus allen Teilen der Welt folgen. «Viele fragten: Woher hast du deine Kleider?», so Osman. Die Reaktionen brachten sie auf die Idee, ihren Laden zu eröffnen.
In gewissen Kreisen stosse ihre Mode auf Kritik. Manche Leute würden ihr vorwerfen, dass das Frauenbild durch Kleidervorschriften zurückkatapultiert würde. «Dabei würde ich mich selber als Feministin bezeichnen», so Osman. «Frauen sollten selber bestimmen können, in was sie sich wohlfühlen – auch dann, wenn sie keine Haut zeigen wollen.» Denn für Osman bedeutet das Verhüllen vor allem eins: Selbstbestimmung.