Ich fühle mich mein ganzes Leben lang schon «im falschen Film», was meine Lust angeht. Ich habe nämlich nur während dreier kurzer Phasen Lust auf Sex erlebt: erstmals in der Pubertät, später, als ich mal stark verliebt war, und dann erst kurz vor den Wechseljahren wieder. Heute lebe ich einer wunderschönen, einvernehmlich sexlosen Beziehung, die ich als perfekt erlebe. Aber mich wundert schon, was mit mir und meiner Lust los war. M. (63, w)
Liebe M.
Wenn du schreibst, dass du dich dein ganzes Leben lang «im falschen Film» gefühlt hast, was deine Lust angeht, so kannst du damit gut rüberbringen, dass dir dein Lusterleben immer wieder Rätsel aufgegeben hat. Gleichzeitig ist die Frage berechtigt, ob eine Person im Film ihres eigenen Lebens überhaupt je Fehl am Platz sein kann, da sie doch selbst das Mass der Dinge sein sollte.
Sexuelle Lust wird gerne als etwas verkauft, das allen Menschen einfach so zugänglich ist und das pauschal zum Leben dazugehört. In Wahrheit kennen aber die meisten mehr oder weniger lange Phasen von Lustlosigkeit. Keine Lust zu haben, ist also auch normal.
Die Lebensphasen, in denen du Lust erlebt hast, waren vermutlich Zeiten, in denen du Gefühle und Körperempfindungen besonders intensiv wahrgenommen hast. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass du zu jener Form von Lust, die sich besonders stark zeigt, einen Zugang hattest, nicht aber zu Lust, die sich in Körper und Geist deutlich leiser zeigt.
Wenn du dein Verhältnis zu deiner Lust genauer durchleuchten möchtest, hast du bis an dein Lebensende die Gelegenheit dazu. So ein Projekt ist allerdings dann am schönsten, wenn man es aus Neugier in Angriff nimmt, und nicht weil man glaubt, irgendeiner Norm entsprechen zu müssen, oder weil man etwas nachjagt, das einem gar nicht fehlt.
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Je nachdem, wie viele Mails gerade in der Beratung eintreffen, kann es eine Weile dauern, bis ich dir antworten kann. Ich gebe mir jedoch Mühe, auf alle Fragen einzugehen.
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