«Jowaa!», Tante Olga, «füfefüfzg». Kliby & Caroline haben sich ins kollektive Gedächtnis der Schweiz eingebrannt – und sind bis heute Allgemeingut. Der Bauchredner und seine Puppe wurden in den 70er- und 80er-Jahren zum Hit. Er: die strenge Vaterfigur. Sie: die freche Eselin, die ihr ganzes Leben elf Jahre alt blieb.
Bis heute kommen Hunderte Eltern mit ihren Kindern zu Autogrammstunden, um die beiden zu sehen. An Firmenanlässen, Galas und Hochzeiten amüsieren sich Erwachsene über die tausend Mal gehörten Sprüche. Sie sind eine Erinnerung, daran, worüber wir lachten, bevor es losging mit dem Ernst des Lebens. Urs Kliby verbindet mit seiner Kunstfigur Generationen, sein «Gschnörr» ist Teil des allgemeinen Sprachguts geworden. Das schaffen nur ganz wenige.
Jetzt, mit 70 Jahren, hört er auf. Weil 50 Jahre auf der Bühne genug seien, wie er sagt. Und der Applaus noch lange in seiner Erinnerung nachhallen werde. Wir treffen ihn für ein Gespräch und Fotoshooting auf dem Areal der Pädagogischen Hochschule in Kreuzlingen TG – nicht weit entfernt von seinem Wohnort, einem Einfamilienhaus, in dem er mit seiner Frau Ruth lebt – er nennt sie konsequent «Schatz».
Er kann lächeln und lächeln und lächeln
Urs Kliby vor Sichtbeton – es ist eine Art von Kulisse, vor der ihn noch niemand inszenierte. Sonst ist das Ufer des Bodensees ein beliebtes Motiv in Medienberichten über ihn, gefühlt 90 Prozent davon publiziert in der «GlücksPost».
Kliby ist in seiner roten Jacke der einzige Farbklecks in dieser grauen Umgebung. Es ist kalt, in den Masken kondensiert die Luft, die Schüler des nahe liegenden Primarschulhauses durchkreischen ihre Pause. Kliby lässt sich davon nichts anmerken, blickt in die Kamera und lächelt und lächelt und lächelt. Es ist derselbe, leicht eingefrorene Gesichtsausdruck, der die 15 Alben und 3 Best-of-Compilations schmückt, die Kliby herausbrachte.
Sein erster Tonträger sei noch ein «Singeli» gewesen, sagt er. Sprich: eine Vinyl-Single mit fünfeinhalb Minuten Spielzeit pro Seite. In drei Tagen waren 90'000 davon verkauft, von seiner ersten LP setzte er 320'000 Stück ab. Rund eine Million Tonträger hat Kliby verkauft. Mit seinem hochdeutschen Programm füllte er noch in den 90er-Jahren die Dortmunder Westfalenhalle mit 16'000 Plätzen. Er reiste dreissig Mal als Show-Act mit dem Kreuzfahrtschiff MS Europa durch die Weltmeere und ankerte in 97 Ländern.
Eine Stimme, die einem vertraut vorkommt
Kliby kann die Zahlen seines Erfolgs herunterrattern, als hätte er sie auswendig gelernt. Offenbar kann er oft selbst kaum glauben, wie gut er beim Publikum ankommt. Sein Look ist typisch für viele männliche Unterhaltungsgrössen seiner Generation: die Kleidung etwas «flippiger» als beim Durchschnitt, die Frisur eine Spur gepflegter, die Zähne einen Ton heller. Der obligate Schnauz, den auch sein Branchenkollege Pepe Lienhard lange trug, hat an Farbe verloren. Zusätzlich trägt er Bart.
Unverändert blieb diese warme, leicht kratzige Stimme – auch wenn Kliby schon lange nicht mehr raucht. Sie hat den Wiedererkennungswert eines Swiss-Logos. Sätze beendet er mit einem thurgauischen «oder» ohne Konsonanten: «ohah». Gags sind bei ihm «Gecks». Running Gags «rönning Gecks».
Kliby öffnet jetzt den Mini-Rollkoffer, den er hinter sich hergezogen hat. In ihm liegt zusammengerollt die Puppe in Gestalt der Eselskarikatur Caroline, ausgesprochen «Garolinä». Es ist eines von drei identischen Modellen, die er in 50 Jahren verwendete.
Ein kurzes Styling vor dem Auftritt
Kliby nimmt Caroline aus dem Koffer, zückt eine Bürste und bringt den Fellsaum ihres neongrünen Kleidchens mit den roten, schwarzen und gelben Streifen in Ordnung. Für einen Moment wirkt er konzentriert und in sich gekehrt wie ein Maler, der die letzten Pinselstriche auf einem Gemälde macht. Dann schlüpft er mit der rechten Hand in die Puppe mit dem zerknautschten Mund und den Glubschaugen. «Niemand ausser mir kann sie richtig halten», sagt er und lacht sein Stakkato-Lachen.
«Freust du dich auch auf den Ruhestand?», fragt Kliby Caroline, die ihm ein schüchternes «Joo» entgegenflötet. Sie kann eben beides: vulgär plärren und absolut herzig sein. «Was machen wir dann mit der vielen Zeit, die wir haben?», fragt Kliby. «Veganes Reiten», sagt Caroline. Kliby: «Was ist denn das?» Caroline: «Velofahren.»
Es ist einer seiner anspruchsvolleren Witze, die sonst gerne auch mal mit der kindlichen Lust am Ekligen spielen. Wenn der Arzt im Spital zum Beispiel barfuss herumläuft, weil er die Socken für die Narkose gebraucht hat. Ein Dauerbrenner sind Abkürzungen in allen Varianten. Zum Beispiel Raschniposa. «Ist das ein indisches Gericht?», fragt er. «Nein, Rahmschnitzel mit Pommes frites und Salat», sagt sie.
Ein Busen ist nicht unter der Gürtellinie
Früher waren seine Sprüche ein Spürchen provokanter als heute – manchmal sogar knapp an der Grenze zum politisch Inkorrekten. Kliby winkt ab – das sei schon sehr lange her. Viel interessanter: Er habe mal eine Studie gemacht zur Witz-Frequenz in seinen Programmen. «Alle fünfzehn Sekunden ein Lacher – unglaublich, ohah?»
Er hätte Caroline Dinge sagen lassen können, die für Schlagzeilen gesorgt hätten, doch «ein Revoluzzer» sei er nie gewesen. Nur einmal habe ihn vor vielen Jahren jemand dafür kritisiert, dass in seinem Programm von einer Frau mit einem schönen Busen die Rede war. Das sei unter der Gürtellinie, habe die Person gesagt. «Eben gerade nicht», habe er geantwortet.
Er erzählt, wie er aufgewachsen ist mit einem Bruder und einer Schwester in St. Gallen. «Ganz bürgerlich.» Die Mutter war Hausfrau, der Vater Buchbinder. Schon in der Schule sei er «das Klassenkalb» gewesen, habe sich für einen Sketch einmal als Kioskfrau verkleidet mit einem Kleid seiner Mutter und einer Perücke. Inhalt der Darbietung war unter anderem das «St. Galler Tagblatt Plus»: damals ein Codewort, das jemand angeben musste, der ein als Tageszeitung getarntes «Playboy»-Magazin kaufen wollte. Der Sketch war ein Renner.
SBB-Beamter und Superstar
Kliby machte eine Beamtenlehre bei den SBB und arbeitete in Konstanz am Schalter, wo er Billetts verkaufte und für Kunden Reisen zusammenstellte. «Immer mit jemandem plaudern – das war genau mein Ding.» Später war er als Zolldeklarant für den Güterverkehr der SBB tätig.
Zum Bauchreden kam er durch Zufall. Einem Militärarzt war aufgefallen, dass er beim Sprechen ein- statt ausatmete. Genau das macht den Ventriloquismus aus, wie die uralte Technik zur Manipulation der Stimme auf Lateinisch heisst. Vor allem im angelsächsischen Raum ist sie beliebt. 2017 gewann eine zwölfjährige Bauchrednerin die Castingshow «America's Got Talent». Zehn Jahre vor ihr entschied Terry Fator denselben Wettbewerb für sich. Der heute 55-Jährige verdient seit zwölf Jahren mit einer eigenen Show in Las Vegas ein Vermögen. Kliby hat noch nie von ihm gehört. Er kennt das Bauchreden aus einem einzigen Buch, das ihm ein Freund damals schenkte.
Entdeckt hat ihn der 2012 verstorbene Moderator Kurt Felix, der ihn in seine Show «Teleboy» einlud. Die Samstagabendkiste des Schweizer Fernsehens sahen sich bis zu zwei Millionen Schweizer an. Klibys Auftritt mit Caroline im Jahr 1977 machte ihn über Nacht berühmt. In der Show trug er einen Smoking, ein knatschgelbes Rüschenhemd und halblange Haare, die direkt in Koteletten übergingen. Als er in der Zeit nach dem Auftritt wie immer die Olma in St. Gallen besuchte, um eine Bratwurst zu essen, floh er nach zwei Stunden vom Gelände. «Jeder Schausteller zog mich in seinen Stand hinein, um mir eine Kaffeemaschine oder etwas Ähnliches zu zeigen. Frauen wollten mich abküssen.»
Existenzängste trotz 150 Auftritten pro Jahr
An der Olma hatten die Minstrels Ende der 60er-Jahre mit einem Auftritt einen ähnlichen Kickstart gemacht wie Kliby. Ihr Song «Grüezi wohl, Frau Stirnimaa!» stand wenige Tage danach an der Spitze der Schweizer Charts und verkaufte sich 1,5 Millionen Mal. Doch die Zürcher Band stellte sich als Eintagsfliege heraus, nach wenigen Jahren löste sie sich auf. Das habe ihn sehr abgeschreckt, sagt Kliby, weshalb er seinen Job bei den SBB auch nach «Teleboy» behielt. «Ich hatte 150 Auftritte pro Jahr und stand jeden Morgen um 7.30 Uhr im Büro. Irgendwann hat mein Körper nur noch gezittert.»
Burn-out würde man das heute wohl nennen. Kliby kündigte, als ihm die Geschäftsleitung versicherte, dass er zurückkommen könne, falls es irgendwann nicht mehr gut laufen sollte mit der Karriere im Showbiz. So weit kam es nie.
Seit kurzem hilft er im Haushalt mit
Gibt es eigentlich auch Dinge, die einen Spassvogel wie ihn traurig machen? Er habe seine Eltern früh verloren, sagt Kliby. Die Mutter, als sie 49, den Vater, als er 59 war. Später hatten er und seine Frau, mit der er seit über 40 Jahren verheiratet ist und einen erwachsenen Sohn hat, selbst Schicksalsschläge zu verkraften. Beide hatten verschiedene Formen von Krebs, 2004 erlitt er einen Schlaganfall, 2016 musste er am Herz operiert werden. «Ich bin immer wieder aufgestanden. Im Moment bin ich kerngesund.»
Seit kurzem habe er sogar angefangen, im Haushalt mitzuhelfen, fügt er an. Seine Frau sei fürs Parterre und den ersten Stock verantwortlich, er für den Keller und die Garage. Er liebe es, die Geschirrspülmaschine auszuräumen. «Wenn mir mein Schatz zuvorkommt, bin ich gar nicht zufrieden.»
Man weiss nicht, ob er schon wieder Witze macht oder bisher tatsächlich alles seiner Frau überliess. «Das meine ich ernst», sagt er. Er sei ja ständig unterwegs gewesen – vor allem an den Wochenenden. Ein immer wiederkehrender Albtraum, den er hat: «Ich stehe im Auto im Stau und muss in einer halben Stunde für einen Auftritt in Zürich sein. Eine Horrorvorstellung.»
Ein Witz zum Abschied
Gerade als er Caroline verstauen will, kommt ein Mädchen auf ihn zugelaufen. «Die kenne ich», sagt sie – und zeigt auf die Puppe. «Nein», sagt Kliby übertrieben überrascht. «Woher denn?» «Von meinem Papi», sagt sie aufgeregt. «Jetzt kann ich ihm sagen, dass ich Caroline gesehen habe.» «Richtest ihm einen Gruss aus, gell!», ruft er ihr zum Abschied zu. Kennt er den Vater? «Nein – aber er freut sich sicher.»
Caroline wird zusammengerollt. «Tschau zämme», sagt Kliby zu uns. «Wenn ihr noch was braucht, einfach kaufen.» Dann läuft er mit dem Rollkoffer davon. Ein roter Punkt in einer grauen Welt, der immer kleiner wird und irgendwann ganz verschwindet.