Alles riecht nach Getreide, Mehlwolken hängen in der Luft, Maschinen rattern laut und der alte Holzboden bebt. Inmitten von unzähligen Mehlsäcken und lärmenden Gerätschaften aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs steht eine junge, selbstbewusste Frau: Ramona Eberli (28) ist Müllerin und leitet seit einem guten Jahr mit Liebe und Leidenschaft die Ferrenmühle in Kleinwangen LU.
Das feine Mahlen von Getreidekörnern – ein jahrhundertealtes Handwerk mit Tradition. Heute läuft die Herstellung von Mehl, Tierfutter oder Gewürzen meist industriell in Grossmühlen ab. Nur einige wenige Müllerinnen und Müller arbeiten noch in Kleinmühlen.
So auch BLICK-Leserin Ramona Eberli: Im Sommer 2019 hat sie die Leitung des Familienbetriebs, für den es keine Nachkommen gab, übernommen. Vorher in einer Grossmühle, jetzt in einer Kleinmühle voller Tradition und Geschichte, arbeitet die junge Müllerin und hält den vom Aussterben bedrohten Beruf am Leben.
«An diesem Ort wird seit 800 Jahren Mehl hergestellt»
Auf einem alten Hof, umgeben von viel Land, steht sie: die alte Ferrenmühle. In ihrem kleinen, urigen Häuschen direkt über der alten Mühle empfängt uns die junge Müllerin Ramona Eberli. «Hier wohne ich», sagt sie lächelnd.
Der Beruf der Müllerin ist nicht nur alt – er ist uralt! Ramona Eberli führt uns in die alten Gemäuer der Ferrenmühle – und man fühlt sich direkt in die Vergangenheit zurückversetzt. «Hier, wo wir jetzt stehen, wird seit mehr als 800 Jahren Getreide zu Mehl verarbeitet.»
Auch die in die Tage gekommenen Maschinen und herumstehenden alten Getreidesäcke vermitteln ein Gefühl von Nostalgie. Alles rumpelt, wackelt und poltert, und es ist laut – so laut, dass man sein eigenes Wort kaum versteht. Die Mahlgeräte, erzählt Eberli, haben schon ein paar Jahre auf dem Buckel. «Die sind alle aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs.»
Vom Korn zum Mehl
Ramona Eberli wuselt durch die Mühle. Von einer Maschine zur anderen – schüttet hier einen schweren Sack Körner rein und nimmt dort einen vollen Sack Mehl aus einer Halterung heraus. Sie ist hochkonzentriert und erzählt gleichzeitig ganz nebenbei, was hier passiert.
Noch bevor der eigentliche Mahlvorgang beginne, muss die trockene Schale der Körner aufgeweicht werden, so dass diese sich schonend und als ganzes Stück beim späteren Mahlen löse. Im Anschluss daran durchlaufen die Körner dann verschiedene Stationen. «Walzenstühle nennt man diese Maschinen.» Hier werde das Getreide Schritt für Schritt zerkleinert, bis dann schlussendlich Mehl entsteht.
Zunächst muss sie die schwer befüllten Mehlsäcke aus einer Halterung lösen. «Einmal ist mir so ein Sack runtergefallen, das gab eine riesige Sauerei», erzählt Ramona Eberli lachend. In Grossmühlen wird das Mehl dann in grossen Silos zwischengelagert. In Eberlis uriger Kleinmühle hingegen werden die verschiedenen Mehle, die entstanden sind, von Hand in 25-kg-Säcke verpackt.
Mehl für die Region
Ramona Eberli leitet nicht nur die Ferrenmühle und achtet gemeinsam mit ihrem Mitarbeiter auf höchste Qualität, sie sorgt auch für die Auslieferung des fertigen Mehls. «Ich beliefere mehrere Hofläden und Bäckereien in der Region», erzählt die Müllerin. Und auch direkt in der Mühle könne man das frisch verpackte Mehl in allen Variationen kaufen.
Manchmal, so Ramona Eberli, sei das alles schon viel. «Ich muss ja wirklich einiges managen.» Nicht nur die Herstellung und der Verkauf der Produkte falle in ihren Aufgabenbereich. «Auch die ganze Büroarbeit bleibt an mir hängen», erzählt sie.
Mühle und Hofladen zugleich
Als eine Kundin hereinkommt und Ramona Eberli ihren Wunsch mitteilt, läuft diese gezielt los. Zwischen riesigen Säcken Pizza-, Roggen-, Zopf-, Dinkel-, Weizenweissmehl und Brotmischungen wuselt die Müllerin umher und zieht einen nach dem anderen heraus, um das Mehl für die Kundin abzuwägen.
Bis zu 50 kg wiegt so ein Mehlsack, und man wundert sich doch etwas, dass eine so zierliche Frau wie Eberli diese problemlos durch die Mühle schleppt. Ihr mache das nichts aus, sagt sie schmunzelnd. «Rückenschmerzen habe ich nie – aber ich falle am Abend total kaputt ins Bett!»
Auf einer überdimensionalen Waage steht nun ein leerer Papiersack. Die junge Müllerin befüllt ihn mit dem gewünschten Mehl für die Kundin. «Sie hatte eigentlich vorbestellt», verrät Eberli. Aber manchmal habe sie eben einfach so viel zu tun, dass es nicht möglich sei, Bestellungen pünktlich vorzubereiten.
Die Kundin wartet geduldig und erzählt nebenbei, dass sie ihr Mehl ausschliesslich in der Ferremühle kaufe. «Wir sind selbst Bio-Bauern und finden es sehr wichtig zu wissen, woher die Produkte kommen». Regionalität und gegenseitige Unterstützung spielen eine wichtige Rolle. «Und ausserdem schmeckt es einfach besonders gut», fügt sie lachend hinzu.
«Die Leute sollten regionaler denken!»
Ramona Eberli liebt nicht nur ihren Job und arbeitet mit Leidenschaft dafür, qualitativ hochwertige Produkte zu bieten. Privat achte sie ebenfalls darauf, möglichst nachhaltig einzukaufen, erzählt sie. «Wenn ich die Hofläden in der Umgebung mit meinem Mehl beliefere, kaufe ich eben auch direkt dort mein Obst und Gemüse.» Nur selten gehe sie mal im Supermarkt einkaufen. «Die Leute sollten alle regionaler denken!», findet die Müllerin.
In Grossmühlen hergestelltes Mehl sei natürlich günstiger, sagt sie. «Die können ja auch viel mehr produzieren als wir.» Der Unterschied zu einer Kleinmühle sei, dass das Getreide bei ihr ausschliesslich von regionalen Bauern und grösstenteils in Bio-Qualität bezogen werde. So könne hohe Qualität und Regionalität geboten werden. «Und es ist eben auch persönlicher – der Kunde weiss, woher sein Mehl kommt», sagt Ramona Eberli.
Die Müllerin lebt also den Gedanken von Regionalität, Qualität und Nachhaltigkeit und arbeitet in der traditionellen Ferrenmühle weiterhin tagtäglich daran, ihren Beruf vom Aussterben zu bewahren.