«Unsere Kuhglocken reisen täglich um den ganzen Globus»
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Kuhglockengiesser:Dieser Job hat Seltenheitswert

Vom Aussterben bedrohte Berufe: Glockengiesser
«Unsere Kuhglocken reisen täglich um den ganzen Globus»

In der Serie «Vom Aussterben bedrohte Berufe» porträtieren wir durch BLICK-Community ausgewählte Berufe, die es in der modernen Zeit schwer haben. Den Anfang macht die Kuhglockengiesserei von BLICK-Leser Roger Kern im Emmental.
Publiziert: 29.12.2020 um 09:00 Uhr
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Aktualisiert: 22.12.2020 um 16:17 Uhr
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Die Community hat entschieden: Gerne wollten unsere Leserinnen und Leser mehr über den Beruf des Glockengiessers erfahren.
Foto: STEFAN BOHRER
Corinne Bischof

Dieser Artikel erschien ursprünglich am 2. September 2020. Im Rahmen unseres Rückblicks auf die besten Community-Geschichten veröffentlichen wir ihn nun erneut.

Das Glockengiessen ist eine jahrhundertealte Tradition. Sie verlangt viel Know-how, Expertise und vor allem den Mut zu Neuem, um zu überleben. Gelungen ist das der Giesserei Berger im Emmental, die schon seit 1730 in den Händen der Familie Kern-Berger ist. Die BLICK-Leser haben mich in ihren Betrieb eingeladen, um das althergebrachte Handwerk kennenzulernen und selbst mit anzupacken.

Ein ITler in der Glockenwelt

Im Fabrikladen im tiefsten Emmental treffe ich auf den Geschäftsführer der Giesserei Berger, Roger Kern (38). Wer einen alten, grummeligen Bauern erwartet, der in seiner kleinen Werkstatt Glocken für seine Kühe und die seiner Nachbarn giesst, wird vom Gegenteil überrascht.

Roger Kern ist ein junger Geschäftsmann, innovativ, engagiert und stammt ursprünglich aus der IT-Branche. Ein nicht ganz typisches Berufsfeld für den Unternehmer einer traditionellen Glockengiesserei – dafür aber ziemlich hilfreich für deren Erfolg. Im weissen Hemd heisst er mich inmitten von Regalen voller goldig glänzender Glocken willkommen.

Glocken aus dem Emmental in der ganzen Welt

Im Gespräch mit Roger Kern merke ich schnell: Die Giesserei Berger in Bärau BE ist mit der Zeit gegangen. Auch wenn das Familienunternehmen nach wie vor traditionelle Glocken für Kühe, Ziegen oder auch Pferde herstellt, so hat es seinen Absatzmarkt in den letzten Jahren erweitert. «In unserem Onlineshop bieten wir über 5000 verschiedene Glocken an», so Roger Kern. Die Website unterhält er selbst und hat sie auch auf Englisch übersetzt. «Wir exportieren unsere Produkte in die ganze Welt: Amerika, Australien, Asien. Täglich reisen unsere handgemachten Glocken um den Globus.»

Ich frage mich: Was fangen Menschen im Ausland mit den Kuhglocken aus der Schweiz an? Roger Kern schmunzelt. «An Kuhhälsen baumeln unsere Glocken im Ausland kaum. Viele sind auf den Spuren ihrer Wurzeln. Auswanderer oder Auslandschweizer suchen so nach ihrem Ursprung und einem kleinen Stück Heimat im fernen Land. Oder nach einem ganz speziellen Geburtstags- oder Hochzeitsgeschenk.»

Eine BLICK-Glocke wird gegossen

Kurz darauf führt mich Roger Kern in die kleine Werkstatt nebenan. Im Gegensatz zum Fabrikladen ist es hier heiss und staubig. Das siebenköpfige Team der Kerns ist am Hämmern, Stampfen, Brennen und Schleifen. Darunter auch der Vater von Roger, René Kern. Der 73-jährige Glockengiesser ist schon seit über 40 Jahren im Geschäft. Gemeinsam mit ihm darf ich nun meine eigene Glocke giessen.

«Legen wir los», meint René Kern und schaut mich etwas kritisch an. Er zeigt mir, wie der Natursand in eine vorgefertigte Form gepresst werden muss, um die Gussform für die Glocke herzustellen. Während ich den quarzhaltigen Sand Schicht für Schicht in die Form stampfe, öffnet sich René Kern mit seinem breiten Ostschweizer Dialekt immer mehr. «Die Liebe hat mich von Schaffhausen ins Emmental geführt», verrät er mir. Vor vielen Jahren hat er bei der Arbeit die junge Therese Berger kennengelernt – sie war die erste ausgebildete Giessereitechnologin der Schweiz. Gemeinsam mit René Kern hat sie dann das Familienunternehmen ihrer Eltern übernommen.

Hoher Besuch in der Glockengiesserei

«In dieser Werkstatt habe ich schon viele besondere Momente erlebt», erzählt René Kern. Immer wieder finden hier Workshops statt, die er leitet. Mit leuchtenden Augen erzählt er mir von einer Gruppe beeinträchtigter Kinder und einem Mädchen namens Melanie, das im Rollstuhl vor Freude gestrahlt hat, als es seine Finger in den Sand tauchen konnte. Das anfängliche Misstrauen in René Kerns Augen schwindet langsam.

Während ich mit einem Eisenstab Gusslöcher in die Form steche, erinnert sich René Kern an ein weiteres Erlebnis in der Werkstatt: «Einmal war der gesamte Bundesrat bei uns zu Besuch», erzählt er und grinst verschmitzt. «Das jährliche Schuelreisli hat sie 2005 in unsere Glockengiesserei geführt. Das war sehr speziell für Therese und mich.» In seiner sonst bescheidenen Stimme schwingt nun ein bisschen Stolz mit.

1100 Grad heisse Bronze

Mit der Sandform geht es nun ans Beschriften. Mit kleinen Eisenstempeln drücke ich Buchstaben und Formen in das Mantelstück. Meine Wahl für die Beschriftung: «BLICK-Community». Während mir René Kern bei der Arbeit zusieht, lacht er immer wieder leise. Ob er mich etwa auslache, frage ich ihn. «Nein, nein!», sagt er, «du machst das erstaunlich gut.» So ganz sicher bin ich mir nicht.

Dann wird es heiss, denn es geht ans Giessen der Glocke. Auf rund 1100 Grad wird die flüssige Bronze erhitzt. Mit Schutzkleidung ausgestattet, packe ich das Gefäss mit einer Zange und giesse das orange glühende Metall in meine Gussform. Was mir Schweissperlen auf die Stirn treibt, ist für die Kerns ganz normaler Alltag.

Glocke aus dem Emmental in unserem Büro

Nachdem das Metall abgekühlt ist, wird die Form geöffnet und eine noch etwas unförmige hellbraune Glocke kommt zum Vorschein. Gemeinsam mit René Kern und seinem zweiten Sohn Fabian (34) schleife, putze und poliere ich die Form, bis ich am Schluss die allererste, goldig-glänzende BLICK-Community-Glocke in der Hand halte. Ein bisschen stolz bin ich schon. Und auch Glockenmeister René Kern nickt mir zwinkernd zu, bevor ich die Werkstatt wieder verlasse.

Im BLICK-Newsroom in Zürich steht jetzt in der Nähe des Empfangs eine original handgemachte Glocke der Giesserei Bärau im Emmental. So erinnert sie die Redaktion und unsere Gäste immer wieder aufs Neue, wie wichtig das Bewahren traditioneller Schweizer Berufe ist.

Die Community-Highlights des Jahres

Es war für niemanden ein einfaches Jahr – umso wichtiger ist es, dass wir in diesen schwierigen Zeiten alle zusammenhalten. Auch wir haben gemeinsam mit unseren Leserinnen und Lesern intensiv gelitten, geweint und ab und zu trotz widrigster Umstände gelacht.

Nun blicken wir zurück auf die schönsten Momente, die wir mit der BLICK-Community erlebt haben und präsentieren dir deshalb zwischen Weihnachten und Neujahr all die Artikel, die uns besonders ans Herz gingen.

Es war für niemanden ein einfaches Jahr – umso wichtiger ist es, dass wir in diesen schwierigen Zeiten alle zusammenhalten. Auch wir haben gemeinsam mit unseren Leserinnen und Lesern intensiv gelitten, geweint und ab und zu trotz widrigster Umstände gelacht.

Nun blicken wir zurück auf die schönsten Momente, die wir mit der BLICK-Community erlebt haben und präsentieren dir deshalb zwischen Weihnachten und Neujahr all die Artikel, die uns besonders ans Herz gingen.

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