Auf einen Blick
In der Theorie klingt es einfach: Wer weniger Kalorien zu sich nimmt, als er verbraucht, sollte abnehmen können. Doch in der Praxis ist es komplexer. Ungesunde Essmuster sind nämlich nur einer von vielen Gründen, die sich negativ auf das Gewicht auswirken können. Auch diese Faktoren spielen beim Abnehmen eine Rolle:
Emotionen
Scheiterst du auf dem Weg zu deinem Wunschgewicht immer wieder am Versuch, weniger Schokolade zu essen? Ernährungsberaterin Michelle Widmer (39), die in Bern ihre eigene Praxis hat, sagt: «Es ist gut möglich, dass hinter der Lust auf Süssigkeiten oder energiereiches Essen ein unerfülltes Bedürfnis steckt.» Die Schokolade stelle beispielsweise einen Ausgleich zu Frust dar oder werde als Belohnung nach einem anstrengenden Tag angesehen. «Anstatt das eigentliche Bedürfnis nach Nähe oder Entspannung zu stillen, greift man zu Essen, um die negativen Gefühle zu regulieren», so die Expertin. «Damit es gelingt, die Emotionen vom Essen zu entkoppeln, ist es sinnvoll, sich zu beobachten und zu erkennen, welche Funktion die Tafel Schokolade oder Tüte Chips in einem bestimmten Moment erfüllt.» Befriedigt man das eigentliche Bedürfnis, kommt die Lust auf Süsses oder Salziges oft gar nicht erst auf oder das Wissen und Bewusstsein hilft, der Lust öfters widerstehen zu können.
Schlafmangel
Zu wenig Schlaf hat negative Auswirkungen auf die Stresshormone. Tagsüber kann sich das gemäss Widmer in einer verstärkten Esslust widerspiegeln. «Wenn man müde ist und den Arbeitstag irgendwie überstehen muss, braucht man besonders viel Energie.» Das heisst, man greift eher zu fettigem und kalorienreichem Essen. «Menschen, die zu emotionalem Essen neigen, verspüren möglicherweise auch den Drang, sich mit einem Hamburger oder süssen Snacks etwas Gutes zu tun», sagt die Expertin. Wer müde sei, greife besonders gerne zu Gewohntem, da es viel weniger Überlegungen und somit auch weniger Energie benötige, als neue Essmuster zu etablieren. Bei Müdigkeit wird oft auch die Bewegung reduziert. Die Folgen: Man isst tendenziell mehr, als man verbrennt, und das Abnehmen wird verzögert.
Hunger mit Durst verwechseln
«Ich sehe in der Praxis oft, dass Menschen einen Schokoriegel oder ein Brötli essen, anstatt ein Glas Wasser zu trinken», sagt Widmer. «Sie merken, dass sie etwas im Mund brauchen, spüren aber nicht, dass sie eigentlich Durst haben.» Das Problem sei, dass einem als Kind oft gar nicht beigebracht werde, zu erkennen, was der Unterschied zwischen Durst und Hunger sei. Im Erwachsenenalter kann es deshalb sein, dass man öfter zu Zwischenmahlzeiten greift, obwohl der Körper Wasser braucht. Als einfache Strategie rät die Expertin, dass man zuerst etwas trinkt, wenn man eine Esslust verspürt. Wenn es Durst war, geht die Esslust weg und man hat einige Kalorien gespart.
Als Ernährungsberaterin verhilft Michelle Widmer (39) Menschen zu einem zufriedeneren Essverhalten. Vor zwei Jahren hat sie ihre eigene Praxis «Esslösungen» in Bern eröffnet. Davor war sie lange am Inselspital Bern als Therapieexpertin Ernährung und Diätetik mit Fokus Essstörungen und Adipositas tätig. Widmer ist unter anderem Mitglied im Schweizerischen Verband der Ernährungsberater/innen und dessen Fachgruppe Adipositas.
Als Ernährungsberaterin verhilft Michelle Widmer (39) Menschen zu einem zufriedeneren Essverhalten. Vor zwei Jahren hat sie ihre eigene Praxis «Esslösungen» in Bern eröffnet. Davor war sie lange am Inselspital Bern als Therapieexpertin Ernährung und Diätetik mit Fokus Essstörungen und Adipositas tätig. Widmer ist unter anderem Mitglied im Schweizerischen Verband der Ernährungsberater/innen und dessen Fachgruppe Adipositas.
Rückzug von Freunden
Wenn man einem strikten Ernährungsplan folgt, kann es belastend sein, mit Freunden auswärts essen zu gehen – die Angst, den Verlockungen nachzugeben, ist zu gross. An solchen Abenden nicht mehr teilzunehmen, sei allerdings der falsche Ansatz, sagt Widmer. «Wir sind soziale Wesen und haben ein Grundbedürfnis nach Freundschaft.» Ein Rückzug von Freunden könne langfristig dazu führen, dass man mehr und ungesund esse, um beispielsweise die Einsamkeit zu füllen. «Hilfreiche Kontakte, die einem guttun, sind sehr wertvoll und wichtig, wenn man abnehmen möchte», so Widmer. «Wenn die Lebenszufriedenheit höher ist, dann hat man weniger Zeit, zu essen oder aus Langeweile ständig an den Kühlschrank zu gehen.» Die Expertin rät, den Kontakt zu Menschen zu pflegen, die einem helfen, sich mehr zu bewegen oder einen dabei unterstützen, wenn man ihnen sagt, dass man weniger essen will.
Stress
Stress setzt eine Kettenreaktion negativer Effekte in Gang. «Unter Stress wird vermehrt Cortisol ausgeschüttet, was dazu führt, dass unsere Lust auf energiereiche Lebensmittel steigt», sagt Widmer. Durch den Konsum von zu vielen Kohlenhydraten und Süssigkeiten steige auch das Insulin an. «Das ist ungünstig, weil Insulin dafür sorgt, dass die Energie im Körper gespeichert wird.» Ausserdem essen gestresste Menschen tendenziell mehr, weil die Hormone, die das Sättigungsgefühl auslösen, reduziert sind. Nicht zuletzt beeinträchtigt ein erhöhter Cortisolspiegel den Schlaf, was sich ebenfalls negativ auf das Gewicht auswirken kann. Stressregulation sei deshalb enorm hilfreich und in der heutigen Zeit äusserst wichtig, um erfolgreich abzunehmen, sagt die Expertin. Gute Effekte erziele man mithilfe von Bewegung, Meditation, progressiver Muskelentspannung oder Atemtechniken.